Schraube im Weltall locker? Wie „Staark“aus Gasperich das Problem lösen kann
Mit seinem innovativen Roboterarm möchte Redwire Space Luxembourg ab 2025 zur Eroberung des Weltalls beitragen
Das mehrstöckige Bürohaus in Gasperich ist recht unscheinbar. Doch im Erdgeschoss wird High-Tech für das Weltall entwickelt. Seit 2022 hat Redwire Space Luxembourg hier seinen Sitz. Vorher war das Unternehmen mit seinem (aktuell) 35-köpfigen Team im Paul Wurth Incubator angesiedelt.
Die 1.000 Quadratmeter große Fläche, die das Weltraumunternehmen mietet, ist gleichmäßig auf Büros und Labore verteilt. „Diese Lokalität ermöglicht es uns, in den nächsten Jahren unsere Belegschaft zu verdoppeln“, sagt Jaroslaw Jaworski, Geschäftsführer von Redwire Space Luxemburg. Dabei setzt Jaworski nicht nur auf Techniker und Ingenieure. „Wir brauchen einfach kreative Köpfe – jeder, der Spaß am Weltall hat, ist bei uns willkommen“, so Jaworski. Aushängeschild von Redwire Luxembourg ist die Konstruktion „Staark“– der Name ist an den luxemburgischen Ausdruck für „stark“angelehnt – ein Roboterarm für orbitale Aktivitäten wie die Wartung und Betankung von Satelliten, die Produktion von Gütern im Weltraum oder das Einfangen von Weltraumschrott.
Über die Entwicklung
Im Dezember 2019 schlossen das Unternehmen Made In Space Europe, welches 2020 von dem an der New Yorker Börse gehandelten Konzern Redwire übernommen wurde, und die Luxembourg Space Agency (LSA) einen gemeinsamen Vertrag mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) zur Entwicklung eines Roboterarms für Weltraumanwendungen ab. Der Vertrag wurde über das nationale Raumfahrtprogramm LuxIMPULSE-Programm abgewickelt. Made In Space Europe sollte die technischen Entwicklungen des Projekts in Luxemburg leiten.
Für die Verantwortlichen war klar, dass die dringende Notwendigkeit bestehe, den kommerziellen Zugang zu solchen Technologien zu verbessern, „was durch die Zunahme geplanter robotikabhängiger Weltraummissionen vorangetrieben wird“, so die Unternehmensführung. Für viele dieser Missionen, die von Aktivitäten auf der Mondoberfläche bis hin zur Wartung von Satelliten reichen, werden Roboterarme schneller und zu erschwinglicheren Preisen benötigt, „als es der Markt in der Vergangenheit zuließ“, lautete die Analyse.
Große Luft- und Raumfahrtunternehmen benötigen Roboter, die mit der wachsenden Nachfrage nach Dienstleistungen im Weltraum Schritt halten können. Darüber hinaus sorge der Zustrom kleinerer, privatisierter Raumfahrtunternehmen zunehmend für eine Senkung der Kosten und die Verkürzung der Entwicklungszeiten für die Robotik. Redwire hofft, von diesem steigenden Bedarf an Weltraumrobotik zu profitieren.
Staark als leicht anpassbares Robotersystem wurde so für verschiedene On-Orbit-Robotik-Anwendungen entwickelt, wie das Unternehmen erklärt. Er sei kostengünstig, besteht aus hochgradig modularen
Wir brauchen einfach kreative Köpfe – jeder, der Spaß am Weltall hat, ist bei uns willkommen. Jaroslaw Jaworski, Geschäftsführer von Redwire Space Luxemburg
Gelenken und Verbindungen, „was eine einfache Anpassung der Beweglichkeit und Länge an die Missionsanforderungen und das begrenzte Stauvolumen des Raumfahrzeugs ermöglicht“, sagt Redwire-Chef Jaroslaw Jaworski.
Nun etwas für Technik-Fans: Die standardisierten Verbindungskanten (Flansch) des Manipulators ermöglicht die Anbringung verschiedener Endeffektoren oder die Verwendung von Greifern von Redwire. Eine Bildsensorik-Suite mit visuellem Servosystem garantiert die Erkennung und Verfolgung von Objekten auf der Grundlage von Referenzpunkten oder der Infrarotsignatur des Objekts und liefert Erkenntnisse für das Erfassen und Ablegen von Objekten.
Die erzielte hohe Genauigkeit des Manipulators sorgt für die Wiederholbarkeit, die für die Durchführung von Montagearbeiten im Weltraum erforderlich ist.
Die Software von „Staark“, die ebenfalls in Luxemburg entwickelt wurde, sichert den Betrieb des Systems über verschiedene Autonomie-Modi: Teleoperation, assistierter Betrieb oder auch überwachte Autonomie.
Spezielle Tools ermöglichen es den Nutzern unter anderem, eine optimale Planung für die Durchführung einer bestimmten Aufgabe zu erreichen. Staark läuft auf der von Redwire entwickelten Robot Control Unit, kann aber auch auf den Bordcomputer eines Raumfahrzeugs hochgeladen werden.
Eine kinematisch ähnliche Erden-Version von Staark in den Labors in Gasperich ermöglicht das Testen der Robotik-Operationen in der Schwerkraft. „So entwickeln wir die Staark-Roboterarm-Familie ständig weiter, um breitere und komplexere Robotikoperationen zu ermöglichen“, sagt der Redwire-Geschäftsführer. Das Unternehmen rechnet damit, dass 2025 der erste Staark-Roboterarm im Weltall aktiv ist. Bei seiner Herstellung werden übrigens neben geprüften Standardkomponenten auch Komponenten in militärischer Qualität verwendet, um das optimale Verhältnis zwischen Leistung und Kosten zu erreichen.
Weitere Innovationen stehen bei dem Technologieunternehmen auf dem Plan. Am 12. März 2024 landeten vier Astronauten vor der Küste Floridas und beendeten damit eine sechsmonatige wissenschaftliche Expedition an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) als Teil der siebten Nasa-Mission mit SpaceX. Redwire schaffte es hier, einen Meniskus auf der Internationalen Raumstation (ISS) zu drucken, mit der sogenannten BioFabrication Facility (BFF), die sich seit November 2023 auf der ISS befindet. Der Meniskus wurde im All gedruckt, da die Schwerkraft beim Drucken von Weichgewebe auf der Erde Probleme bereitet.
Kosmische Nebenprodukte
Bei Weltall-Roboter-Technik in Luxemburg fallen auch „Nebenprodukte“ab. Denn Covid, der Einmarsch Russlands in der Ukraine und die weltweit steigende Nachfrage nach Satelliten haben die Versorgung mit bestimmten elektronischen Bauteilen wie etwa Aktivatoren unterbrochen. Redwire erkannte hier eine Chance.
„Unsere Investoren erwarten von uns natürlich, dass wir wachsen. Deshalb wollen wir zusätzlich zu unserem bestehenden Kerngeschäft neue Produkte für kurzfristige Märkte entwickeln. Und das nicht nur in Luxemburg, sondern auch in den USA und Belgien“, so Jaroslaw Jaworski. So erhielt das Unternehmen dank seiner Erfahrung in der Weltraumrobotik einen Auftrag zur Herstellung von Mechanismen, mit denen Solarpaneele auf Satelliten gedreht werden können.
„Wir haben es geschafft, in nur einem Jahr ein Spin-off-Produkt aus unserem Robotersystem zu entwickeln“, sagt Jaroslaw Jaworski. „Unser neuer Solar Array Driving Mechanism, ein Antriebsmechanismus, mit dem die Solarpaneele des Satelliten ausgerichtet werden können, ist eine Art Low hanging fruit-Lösung, eine Antwort auf das schnelle Wachstum des Marktes für die Herstellung von Kleinsatelliten in den USA und Europa, wo die Satellitenhersteller neue, kostengünstige Komponenten benötigen.“