„Black Tea“, visuell stark, aber realitätsfern
Abderrahmane Sissako erzählt in seinem neuen Film das zarte Zusammentreffen von Afrika und dem Reich der Mitte. Das wahre China zeigt er aber nicht
Vor zehn Jahren sorgte „Timbuktu“des mauretanischen Filmemachers Abderrahmane Sissako für viel Aufsehen bei den Filmfestspielen in Cannes, wo er den Preis der ökumenischen Jury gewann, bevor er dann mit sieben Césars ausgezeichnet wurde. Sissako war der erste afrikanische Filmemacher, der den César für die beste Regie gewann. Diese Woche kehrt er in die Kinos zurück, mit „Black Tea“, einer Luxemburger Koproduktion von RedLion, der Firma des verstorbenen Filmemachers Pol Cruchten, der mit Sissako eng befreundet war. Schöne Dekore, hinreißende Schauspieler, ansprechende Filmmusik, aber am Ende dieser Erzählung fehlte doch das gewisse Etwas. Nach zehn Jahren Wartezeit hätte man sich mehr von Sissako erwarten können. „Black Tea“lief bei der letzten Berlinale im Wettbewerb.
Zum Plot: Eine Fliege stört das makellose Weiß eines Hochzeitskleides. Aya, gespielt von Nina Mélo, starrt in die Kamera. Es ist ein leerer Blick. Neben Aya sitzt ein Mann, ebenfalls in einem weißen Anzug. Eine Hochzeit steht bevor, nichts aber deu
Abderrahmane Sissakos neuer Film „Black Tea“erinnert ein bisschen an „In the Mood for Love“von Wong Kar-wai.
tet hin auf eine Komplizenschaft zwischen Braut und Bräutigam. Als dann der lang erwartete Moment kommt, in dem die Braut gefragt wird, ob sie ihren Bräutigam zum Ehemann will, kommt es zum Eklat. Sie sagt „Nein“.
Abderrahmane Sissako beginnt seine Erzählung in Abidjan an der Elfenbeinküste, wechselt dann aber schnell auf die andere Seite der Erdkugel, nach China, in die „Chocolate City“von Guangzhou, das Viertel der afrikanischen Diaspora. Dorthin verschlägt es Aya. Sissako zeichnet sie als selbstbewusste Frau auf der Suche nach Freiheit. Man sieht sie, wie sie eine afrikanische Geschäftsstraße durchquert, die sich nach und nach in eine chinesische Einkaufsmeile verwandelt. Dabei erklingt die sanfte Stimme der malischen Sängerin Fatoumata Diawara. Sie singt in Bambara, einer Sprache, die Mali gesprochen wird, das Lied „Feeling Good“der afroamerikanischen Sängerin Nina Simone, derweil sich die Augen des Zuschauers in den Straßen von Guangzhou verlieren: Neonröhren, grelle Lichter …
China gab keine Dreherlaubnis
Ab dann kehrt im Film Ruhe ein, vielleicht aber etwas zu viel. Die junge Frau betritt das Innere eines Teeladens. Ihre stolze Haltung, ihre funkelnden Augen, die herzlichen Begrüßungen, die sie mit den Stammgästen des Viertels austauscht, zeigen eine gewandelte Aya. Sie arbeitet fortan im TeeExportgeschäft von Kai (gespielt von Han Chang). Die beiden verlieben sich, und abends, unter dem gedämpften Licht und des Lagerraums, bringt Kai seiner afrikanischen Angestellten die Grundlagen der tra
ditionellen chinesischen Teezeremonie bei. Ein Blickkontakt, eine Hand auf der Schulter – mehr nicht. Die sich anbahnende Leidenschaft passt zu dem sorgfältig ausgeführten Ritual der Teezeremonie.
Sissako bekam keine Dreherlaubnis in China. Kai habe nicht dem Bild des chinesischen Mannes entsprochen, und deshalb habe man ihm keine Dreherlaubnis erteilt, mutmaßte Sissako, als er in Luxemburg anlässlich des Luxembourg City Film Festivals seinen Film präsentierte. Der Film entstand daher in Taiwan und Sissako entschied sich für nächtliche Aufnahmen, wobei die Luxemburger Filmcrew von RedLion wertvolle Arbeit geleistet hat.
Diese nächtlichen Aufnahmen geben dem Film eine einzigartige Ästhetik, aber
China, so wie das Land wirklich ist, zeigt dieser Film leider nicht: Menschenmengen in Bewegung, quirliges Geschäftstreiben in engen Gassen bis tief in die Nacht, Gehupe und Geknatter der Motorräder, Verkäufer an allen Straßenenden und -ecken. Mit „Black Tea“ist Sissako weit entfernt von der asiatischen Welt, die nie richtig zur Ruhe kommt. Und auch wenn viele kleine Details in den Teeladen gesteckt wurden, so wirkt das Dekor in diesem Film aufgezwungen. Die Illusion, in China zu sein, wird nicht erweckt. Man hätte gerne auch etwas mehr über „Chocolate-City“erfahren als nur das endlose Plaudern in einem Afro-Friseursalon in China.
Gemächlich dreht Sissako seine Geschichte weiter, an der Wirklichkeit haftet
sie aber nicht. In Ellipsen wird auch das vorige Verhältnis von Kai zu einer Frau auf den kapverdischen Inseln erzählt. Gezeigt wird dabei ein zartes Zusammentreffen unterschiedlicher Welten. Und so erinnert „Black Tea“ein bisschen an „In the Mood for Love“von Wong Kar-wai aus dem Jahr 2000, auch ein sehr formvollendetes und poetisches Werk, ohne viel Handlung, in dem Liebesgefühle kunstvoll miteinander verwoben werden.