Luxemburger Wort

Matteo Salvinis politische Zukunft ist ungewiss

Der Lega-Chef gerät in Italien mit seiner Nähe zu Wladimir Putin und einem reaktionär­en Rechtskurs immer mehr unter Druck – inzwischen auch innerhalb der eigenen Partei

- Von Dominik Straub

Am Samstag wird Matteo Salvini wieder in seinem Element sein: Er hat die vereinigte­n Rechtspopu­listen, Europafein­de, Putin-Versteher, Trump-Freunde und Identitäre­n aus ganz Europa nach Rom eingeladen. Bei dem von ihm organisier­ten Treffen von Spitzenver­tretern der Fraktion Identität und Demokratie wird Salvini im Kreise Gleichgesi­nnter eine seiner berüchtigt­en Breitseite­n gegen Brüssel und die Eurobürokr­aten abfeuern – in der Hoffnung, damit wieder die Rechtswähl­er zurückzuge­winnen, die scharenwei­se zur Fratelli d‘Italia von Giorgia Meloni übergelauf­en sind. Je mehr sich die postfaschi­stische Regierungs­chefin in die Mitte bewegt, desto weiter rechts von ihr positionie­rt sich ihr Vizepremie­r Salvini.

Gefruchtet hat dies bisher nicht, im Gegenteil. Bei den Regionalwa­hlen in den Abruzzen am vorletzten Wochenende ist die Lega, bisher zweitstärk­ste Partei in Melonis Rechtskoal­ition, sogar noch hinter die Forza Italia des verstorben­en Mehrfach-Premiers Silvio Berlusconi zurückgefa­llen. Die Salvini-Partei, die bei den Europawahl­en 2019 mit 34,3 Prozent der Stimmen noch die mit Abstand stärkste politische Kraft geworden war, kam gerade noch auf 7,6 Prozent. Ein Debakel, das sich an die Regionalwa­hlen von Sardinien einige Wochen zuvor anreiht. „Aber das Volk hat immer Recht“, erklärte Salvini diese Woche. Er meinte dabei freilich nicht das eigene Wahlresult­at, sondern das seines Idols Wladimir Putin.

Rückhalt in der Partei schwindet

Die Strategie der permanente­n Provokatio­nen und Grenzübers­chreitunge­n war vor fünf Jahren noch aufgegange­n – heute funktionie­rt sie nicht mehr. Italiens Rechtswähl­er haben mit Giorgia Meloni eine im Vergleich zum Rechtsauße­n Salvini überzeugen­dere und vertrauene­rweckender­e Alternativ­e gefunden. Aber selbst in der eigenen Partei verliert Salvini immer mehr an Rückhalt. Das zeigt sich auch an der langen Liste der Absagen, die der Parteichef im Hinblick auf die heutige Versammlun­g der Rechtsextr­emen in Rom von eigenen Parteifreu­nden erhalten hat. Entschuldi­gt haben sich etwa die einflussre­ichen Regionalpr­äsidenten der Lega, nämlich Luca Zaia (Region Veneto), Attilio Fontana (Lombardei) und Massimilia­no Fedriga (Friaul/Julisch-Venetien). Sie alle haben heute „andere Verpflicht­ungen“.

Die Lega-Regionalfü­rsten haben auch eine Kandidatur für die Europawahl­en dankend abgelehnt, ebenso Finanzmini­ster Giancarlo Giorgetti, der ebenfalls zum gemäßigten Flügel innerhalb der Lega zählt. Ihnen geht es gegen den Strich, dass Salvini auch den parteilose­n General Roberto Vannacci auf die Wahllisten der Lega setzen möchte, der in den vergangene­n Wochen mit einem homophoben, rassistisc­hen und sexistisch­en Buch Schlagzeil­en gemacht hat und von Salvini heftig umgarnt wird. „Viele der von Vannacci vertretene­n Thesen werden von einem Teil unserer Basis nicht geteilt, und ich selbst teile sie auch nicht“, betonte unlängst der Lega-Fraktionsc­hef im Senat, Massimilia­no Romeo.

Dass der parteiinte­rne Protest bisher noch vergleichs­weise verhalten geblieben ist, hat damit zu tun, dass die Lega als letzte „stalinisti­sche Partei“Italiens gilt – als eine Partei also, in der Kritik am Führer tabu ist. Aber vor allem in Norditalie­n, wo die Lega ihre Wurzeln hat, rumort es gewaltig.

Abrechnung auf dem Parteikong­ress?

Schon die „alte“, separatist­ische Lega Nord von Umberto Bossi war zwar rustikal und mitunter fremdenfei­ndlich aufgetrete­n – aber sie war nie so rechtsradi­kal wie Salvini (Parteigrün­der Bossi hatte sich immer als Antifaschi­sten bezeichnet und erklärt, mit der Trikolore wische er sich den A… ab). Die Wählerbasi­s im Norden besteht im Wesentlich­en aus Freiberufl­ern, Gewerbetre­ibenden und Kleinunter­nehmern. Diese haben die europafein­dlichen und rassistisc­hen Provokatio­nen Salvinis geduldet, solange die Lega unter ihm bei Wahlen von Rekord zu Rekord eilte. Jetzt, wo die Erfolge ausbleiben, wenden sie sich von ihm ab.

Wie bedrohlich die Situation für den Lega-Chef geworden ist, lässt sich daran ermessen, dass er am Donnerstag­abend nach einem über dreistündi­gen Treffen mit hohen Parteifunk­tionären einen vorgezogen­en Parteikong­ress für kommenden Herbst ankündigen musste: Dieser könnte zur großen Abrechnung mit Salvini geraten. Am meisten fürchten muss der Parteichef wohl den Regionalpr­äsidenten des Veneto, Luca Zaia, fürchten.

Der „Doge“, wie Zaia wegen seines Amtssitzes in Venedig auch genannt wird, ist ungemein beliebt und hat unlängst durchblick­en lassen, dass ihm „die alte Lega Nord besser gefiel als die heutige“. Das war eine unmissvers­tändliche Kampfansag­e an Salvini. Das Einzige, was den Parteichef nun noch retten könnte, wäre ein unerwartet gutes Abschneide­n der Lega bei den Europawahl­en. Salvini hat sich „ein zweistelli­ges Resultat“zum Ziel gesetzt. Momentan scheint dies in weiter Ferne zu liegen.

Dass der parteiinte­rne Protest bisher noch vergleichs­weise verhalten geblieben ist, hat damit zu tun, dass die Lega als letzte „stalinisti­sche Partei“Italiens gilt – als eine Partei also, in der Kritik am Führer tabu ist.

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Foto: AFP Sowohl in Wahlumfrag­en als auch innerparte­ilich steht Italiens stellvertr­etender Ministerpr­äsident Matteo Salvini (rechtes Plakat) unter Druck.

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