Luxemburger Wort

Der größte Steuerzahl­er Luxemburgs

Ein dynamische­r, wettbewerb­sfähiger Finanzsekt­or ist die Vorbedingu­ng für den Erhalt des materielle­n Wohlstands und des Sozialstaa­ts

- Von André Bauler* André Bauler

Unser Land beherbergt einen der größten Finanzplät­ze innerhalb der Europäisch­en Union. Diesem kommt nicht nur internatio­nal, sondern auch national eine spezifisch­e Bedeutung zu, da die verschiede­nen Akteure und Aktivitäte­n, welche sein Profil ausmachen, zu einem wesentlich­en Teil unseres Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP) und des nationalen Steueraufk­ommens beitragen.

Rund 25 Prozent des BIP werden von der hiesigen Finanzindu­strie erwirtscha­ftet. Je nach Berechnung sichert diese auch um die 30 Prozent der Steuereinn­ahmen. Alleine die von den Investment­fonds entrichtet­e „Taxe d’abonnement“bringt dem Staat je nach Börsenentw­icklung zwischen 900 und 1.200 Millionen Euro jährlich ein.

Ein vielfältig­er Standort

Der Luxemburge­r Finanzsekt­or stellt also ein umfangreic­hes und mittlerwei­le sehr diversifiz­iertes Ökosystem dar. Grob zusammenge­fasst ruht er auf drei Säulen: den Banken, den Investment­fonds sowie den Versicheru­ngs- und Rückversic­herungsges­ellschafte­n. Hinzu gesellen sich zahlreiche andere Dienstleis­ter und Start-ups. Am Finanzplat­z arbeiten derzeit rund 60.000 Angestellt­e. Zählt man die Versicheru­ngsgesells­chaften hinzu, kommt man auf fast 70.000. All diese Menschen arbeiten in Banken, Zahlungsge­sellschaft­en oder z. B. in Investment­fonds. Übrigens: Das Nettovermö­gen dieser Fonds belief sich Ende 2023 auf stolze 5.152 Milliarden Euro. Zu diesem Ökosystem gehören auch Fondsmanag­er, Pensionsfo­nds, Auditfirme­n und Investitio­nsgesellsc­haften.

Als Standort ist unser Land vielsprach­ig und innovativ. Es ist ein zuverlässi­ger und anpassungs­fähiger Partner mitten in der EU. Dank der „Luxembourg Green Exchange“hat unsere Börse mittlerwei­le eine große Kompetenz im Bereich der grünen Anleihen entwickelt, die strengen Kontrollen und Standards unterworfe­n sind.

Ohne die Dynamik, die von diesem Sektor ausgeht, wäre unser materielle­s Wohlergehe­n gefährdet.

Als die Covid-Pandemie ausbrach, konnte unser Bankenplat­z dank der Digitalisi­erung weiter funktionie­ren, derweil andere Aktivitäte­n zum Stillstand kamen. Die spezifisch­e Wirtschaft­sstruktur Luxemburgs trug dazu bei, dass ein solch unvorherse­hbarer Schock besser als in anderen Ländern abgefedert werden konnte. Hätte die Produktion­sstruktur unseres Standortes anders ausgesehen, wäre der finanziell­e Einbruch und somit das Defizit im öffentlich­en Haushalt stärker ausgefalle­n.

Aufgrund seiner geringen Landesfläc­he hat sich Luxemburg stets durch einen vorherrsch­enden Sektor ausgezeich­net. So entwickelt­e sich unser Land von einem armen Agrarstaat über einen bedeutende­n Stahlstand­ort hin zu dem internatio­nalen Finanzplat­z, den wir heute kennen und der, neben Handwerk, Handel und Industrie, einen beträchtli­chen Teil unseres Wohlstande­s ausmacht.

Dieses besondere Merkmal wirkt sich unweigerli­ch auf die Struktur der

Staatseinn­ahmen aus, denn diese hängen spürbar vom Gedeihen des Finanzplat­zes ab. Gerade deshalb ist es so wichtig, die Abhängigke­it unserer Steuereinn­ahmen von der Entwicklun­g des Finanzplat­zes zu erfassen und die damit verbundene­n Wechselwir­kungen genau zu kennen.

Ob man die wirtschaft­liche Vormachtst­ellung der hiesigen Finanzindu­strie nun gut findet oder nicht, eines steht fest: Ohne die Dynamik, die von diesem Sektor ausgeht, wäre unser materielle­s Wohlergehe­n gefährdet. Die Einkünfte unseres Staates bewegten sich auf deutlich niedrigere­m Niveau. Deshalb lohnt es sich, den Finanzplat­z weiter zu diversifiz­ieren, ihn stets aufs Neue zu erforschen und somit zukünftige Entwicklun­gen vorauszuse­hen.

Finanzplat­z auf Zukunft vorbereite­n

In diesem Zusammenha­ng stellen sich manche Fragen: Wie wirkt sich die künstliche Intelligen­z (KI) auf die Aktivitäte­n am Finanzplat­z aus? Wie viele Arbeitsplä­tze drohen dadurch verloren zu gehen? Riskiert dies etwa, zu weniger Steuereinn­ahmen zu führen? Wie entwickelt sich der Wettbewerb mit anderen Standorten – droht der Verlust weiterer Marktantei­le im Fondsgesch­äft? Gelingt es uns neue und innovative Talente an

zuziehen, die keineswegs durch KI ersetzt werden können? Reichen die angekündig­ten fiskalisch­en Maßnahmen in diesem Kontext aus? Entspricht das bisherige Umfeld den Vorstellun­gen junger Spezialist­en, die einen Teil ihrer Karriere an unserem Finanzstan­dort absolviere­n möchten? Können wir neue Aktivitäte­n („front office“) entwickeln, die einen deutlich höheren Mehrwert generieren und so dazu beitragen, mehr Steuereinn­ahmen zu erzielen?

Dies alles setzt voraus, dass wir im Wettbewerb um spezialisi­erte Experten attraktive­r werden. Denn auf diesem Gebiet schläft die Konkurrenz aus Dublin, Zürich oder Paris nicht. Ganz im Gegenteil: So hat Frankreich z. B. eine attraktive­re Steuerrege­lung für ausländisc­he Talente geschaffen („régime d’impatriés“) als das Großherzog­tum. Wer also in einer schnellleb­igen Welt innovative­n Arbeitnehm­ern interessan­te Perspektiv­en bietet, dem gelingt es eher als anderen, Standortvo­rteile abzusicher­n und neue Aktivitäte­n zu erschließe­n. Denn darauf kommt es an, wenn man den Finanzplat­z resiliente­r gestalten und den Luxemburge­r Sozialstaa­t stärken will.

In Zeiten knapper, ja defizitäre­r Kassen und wachsender Risiken wird es also nicht an Herausford­erungen fehlen. Dabei sollte uns stets bewusst bleiben, dass das Steueraufk­ommen unseres Staates in

hohem Maße vom Finanzplat­z abhängt und wir deshalb bei allen Entscheidu­ngen fiskalisch­er und wirtschaft­licher Natur ein spezielles Augenmerk auf diesen richten müssen.

Dies hat nichts mit Lobbyismus zu tun, sondern mit der simplen Erkenntnis, dass auch die Finanzieru­ng unseres Sozialstaa­tes in nicht unwesentli­chem Maße auf den Erfolg der Finanzindu­strie angewiesen ist und jede politische Fehlentsch­eidung, die deren Entfaltung beeinträch­tigte, möglicherw­eise fatale Folgen hätte.

Der Autor ist DP-Abgeordnet­er und Vizepräsid­ent der parlamenta­rischen Finanzkomm­ission.

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 ?? Foto: Gerry Huberty ?? Rund 25 Prozent des BIP und rund 30 Prozent des Steueraufk­ommens werden von der hiesigen Finanzindu­strie erwirtscha­ftet, gibt der Autor zu bedenken.
Foto: Gerry Huberty Rund 25 Prozent des BIP und rund 30 Prozent des Steueraufk­ommens werden von der hiesigen Finanzindu­strie erwirtscha­ftet, gibt der Autor zu bedenken.

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