Von der Baustelle zur Blume
„Mon Jardin“ist eine junge Firma mit viel Geschichte. Der Ingenieur Joé Hoffmann hat den Gartenbaubetrieb seines Großvaters übernommen
Am Inberg, einem Hügel hinter Dippach, residiert seit drei Jahren die Firma „Mon Jardin“. Enkel Joé Hoffmann hat den 1976 von seinem Großvater Aloyse in Schifflingen gegründeten Gartenbaubetrieb modernisiert. Die Übernahme im Jahr 2021 sei recht abrupt erfolgt, erinnert sich Hoffmann.
Joé Hoffmann, Sie haben mit 25 Jahren den Gartenbaubetrieb Ihres Großvaters übernommen – ohne gärtnerische Erfahrung, aber mit einem abgeschlossenen Bauingenieurstudium. Wieso der Wechsel von der Baustelle zur Blume?
Als Ingenieurstudent der ETH Zürich habe ich zwischen Bachelor und Master in einem großen Statikbüro in Basel und später in der Leitung der größten Wasserbaustelle Europas bei Hamburg gearbeitet. An einem Bauprojekt mitzuwirken, ohne selbst etwas erschaffen zu können, hat mich nicht erfüllt. Mir wurde klar, dass die klassische Ingenieurskarriere nicht meine Sache war. Ich wollte eigene Ideen einbringen. Zeitgleich wollte mein Großvater seinen Betrieb mangels Nachfolger schließen.
Aber das ist doch ein ganz anderer Sektor?
Es ist nicht das Gärtnern, das mich fasziniert, sondern das Unternehmertum: Strategie, Aufbau, Weiterentwicklung. Die Vision des Gestaltens. Deshalb habe ich „Mon Jardin“übernommen.
War Ihre Familie überrascht?
Nein, die hat sich das gewünscht und mich unterstützt. Aber der emotionale Druck, das Aufgebaute erfolgreich weiterzuführen, und die Familie nicht zu enttäuschen, ist schon eine Last.
Woher nahmen Sie die Kenntnisse in Betriebsführung?
Ich bin mit der Firma aufgewachsen, habe von Kindesbeinen an viel Zeit in Großvaters Betrieb verbracht. Dies und das analytische Denken aus dem Studium haben mir genug Sicherheit gegeben. Die Betriebsleitung habe ich erst im Job erlernt. Natürlich war eine Prise Naivität dabei. Ich habe Frustrationen erlebt, aber auch daraus gelernt.
Was hat Sie denn frustriert?
Die Übernahme war abrupt und der Start komplex. Mein Großvater führte die Firma mit 83 Jahren bis Ende 2020, ich ab 2021. Zudem hatte mein Großvater endlich einen neuen Standort für die Firma gefunden: „Mon Jardin“sollte von Schifflingen nach Dippach umziehen und dort den Gartenbetrieb Krämer übernehmen. Der Betrieb musste also einen dreifachen Wechsel meistern: Neuer Chef, Umzug, Übernahme. Das war nicht ideal.
Was war im Rückblick das größte Problem dabei?
Ich habe zunächst die Betriebsabläufe beobachtet, um zu verstehen, wie die Firma funktionierte, meine Ziele geklärt und eine Umorganisation vorbereitet. Dann wollte ich alles auf einmal ändern. Ich sah klar vor mir, wohin ich den Zug steuern wollte. Aber ich musste den Weichenwechsel auch den Mitarbeitern erklären, damit dieser Zug nicht an ihnen vorbeirauschte. Zu lernen, das Team mitzunehmen, und Personal zu führen, war die größte Herausforderung.
Warum ist das, gerade in einer „Change“Situation, so herausfordernd?
Ein Angestellter ist nicht nur ein Mitarbeiter, sondern ein Mensch mit eigenen Werten, Erfahrungen und Zielen. Jeder versteht und interpretiert Änderungen anders. So ein Kulturwechsel verunsichert und braucht Zeit.
Welche Änderungen standen denn an, abgesehen vom neuen Standort?
Früher erledigte „Mon Jardin“alle Arbeiten rund ums Haus, vom Garten bis zur Garageneinfahrt. Doch wir hatten intern nicht die Expertise für alles. Ich entschied, das Angebot zu reduzieren, zu professionalisieren und den Fokus auf Pflanzen zu legen und die damit verbundenen Dienstleistungen: Pflanzenverkauf, Baumschule, Landschafts- und Gartenbau, Schnitt und Pflege.
Zudem wollte ich flache Hierarchien und organisierte die Firma in vier Teams: Baumschule, gärtnerische Dienstleistungen, Logistik, Verwaltung. Jedes Team hat nun einen eigenen Verantwortlichen und jeder Mitarbeiter seine Aufgabe. Das war ein Challenge. Mein Großvater hatte stets allein entschieden. Verkauf, Projekte, Personal, Rechnungen – alles ging über seinen Tisch. Aber dieser patriarchalische Führungsstil war nicht mehr zeitgemäß.
Wie ändert man die Arbeitskultur eines fast 50 Jahre alten Betriebs?
Wir arbeiten mit professionellen Coaches. Der Schlüssel zum Erfolg war der
Dialog. Ich habe viel Zeit in Kommunikation investiert. Wir haben nun wöchentliche Meetings mit dem ganzen Personal, insgesamt 25 Personen. Dabei teile ich Informationen und beantworte Fragen.
Zudem hatten wir Mitarbeiter der bisherigen Konkurrenzfirma übernommen. Da prallten zwei Kulturen aufeinander, und ich musste Rivalitäten managen. Es dauerte, bis ich begriff, es nicht allen recht machen zu können und mich von Mitarbeitern, die jede Änderung verweigerten, letztlich trennen musste.
Ein neuer Managementstil für Handwerksbetriebe, wo die Chefs oft noch selbst mit anpacken?
Ich bin kein Gärtner. Mein Job ist Leadership – die Firma so zu organisieren und Gärtner so zu motivieren, dass sie gute Arbeit leisten und selbst zufrieden sind. Das macht mir die größte Freude. Ich will nicht nur wirtschaftlichen Erfolg. Bei „Mon Jardin“sollen die Menschen im Mittelpunkt stehen. Sie sollen hier arbeiten, weil sie es gern tun und einen Sinn darin sehen. Bei der letzten Weihnachtsfeier hat unsere Belegschaft ein Lied auf die Firma gedichtet, das hat mich extrem gefreut.
An einem Bauprojekt mitzuwirken, ohne selbst etwas erschaffen zu können, hat mich nicht erfüllt.
Zahlt sich die Investition in Personal und Reorganisation aus?
Über zehn Prozent unseres Umsatzes gehen in Coaching, Weiterbildung, das Austesten neuer Ideen, das ist viel für eine kleine Firma. Aber es rechnet sich. Wir schreiben mittlerweile kleine schwarze Zahlen. Der nächste Schritt wird sein, weiter zu rekrutieren, und die Teams zu stärken.
Was ist mit der Investition in Weiterbildung, wenn Mitarbeiter die Firma verlassen?
Was ist, wenn sie bleiben, aber ohne Weiterbildung? Wenn ich Qualität will, muss ich ins Personal investieren. Nicht nur in technische Fähigkeiten, sondern auch in ihre persönliche Entwicklung. Wir sind hier im Garten- und nicht im Raketenbau, da braucht man keine zehn Jahre Physikstudium. Wichtig ist, Motivation mitzubringen, und unsere Werte zu teilen: Ehrlichkeit und Transparenz, Humanität, Qualität, Nachhaltigkeit. Alles andere lässt sich mit Weiterbildung lernen.
Was spürt man als Kunde von diesen Werten?
Das beginnt damit, Kunden zurückzurufen und nicht wochenlang warten zu lassen. Es kann auch heißen, ein Projekt an Partner abzugeben, wenn wir nicht die Expertise haben. Wir haben einmal aus Ehrgeiz eine riesige Terrasse gebaut und dann wegen Baufehlern abreißen müssen. Daraus haben wir gelernt. Wir drängen Kunden auch keinen Landschaftsstil auf. Ein Garten muss zu den Kundenbedürfnissen passen.
Und die Kunden sparen trotz Krise nicht am Blumenbeet? Gartenfirmen sind teuer, und der Wettbewerb ist enorm …
Unsere Kunden sind meist über 50 Jahre alt und in einer Lebensphase, wo Zeit und Budget bleiben, den Traumgarten anzulegen. Da geht es mehr um Qualität und Service als um den günstigsten Preis. Unsere Auftragsbücher sind gut gefüllt, ich bin zuversichtlich.
Und wenn jemand eine Steinwüste im Vorgarten wünscht?
Seit der Pandemie besinnen sich die Menschen wieder stärker auf den Wert grüner Natur und heimischer Pflanzen. Außerdem ist ein naturnaher Garten ohne hohen Pflegeaufwand durchaus möglich, wenn man entsprechend plant. Wer kein Unkraut jäten will, dem zeigen wir Alternativen zum Staudenbeet auf, zum Beispiel Bodendecker wie Sukkulenten.
Neben dem Pflegeaufwand spielt auch der Klimawandel eine Rolle bei der Pflanzenauswahl. Immer mehr Kunden fragen nach Blumen, die wenig Wasser brauchen.
Wie sieht denn Ihr eigener Garten zuhause aus?
Ich mag Rhododendron und Glyzinien sehr, aber mein privater Garten ist eine schlichte Wiese...
Sie sind halt noch nicht in der Traumgartenphase. Was sind dann Ihre Hobbies?
Tauchen und Reisen. Neue Kulturen zu entdecken gibt mir den nötigen Abstand zum Alltag, um zu erkennen, ob ich den richtigen Job habe.
Und – haben Sie ihn?
Das habe ich mich anfangs oft gefragt. Heute bin ich sehr zufrieden mit meiner Entscheidung, Unternehmer geworden zu sein – eben weil ich den Betrieb nach meiner Vorstellung umgestaltet habe. Für mich ist „Mon Jardin“heute eine junge, innovative Firma mit viel Geschichte. Außerdem bin ich gern in der Natur. Jetzt im Frühling gehen jede Woche neue Blüten auf. Wir verkaufen Freude und bedienen Kunden, mit denen wir eine Passion für die Natur teilen, das ist doch wunderbar.
Haben Sie einen Rat an reife Betriebschefs, die ihre Firma abgeben möchten?
Man sollte die Betriebsübergabe, ob innerhalb der Familie oder außerhalb, früh vorbereiten. Verpassen Sie den besten Moment dafür nicht. Lassen Sie sich von externen Experten beraten, die zwischen den Generationen vermitteln. Mein Großvater konnte lange Zeit nicht loslassen. Zum Glück hat er mir nach der Übernahme völlige Freiheit gelassen.
Ich musste den Weichenwechsel auch den Mitarbeitern erklären, damit dieser Zug nicht an ihnen vorbeirauschte.
Und was sagt er drei Jahre später zu „Mon Jardin“heute?
Über mein Management sprechen wir nicht, weil ihm das zu fremd ist. Aber er fachsimpelt gern über Gärtnerei mit mir und ist sehr stolz auf mich.