Luxemburger Wort

Wenn sich ein Diktator selbst entlarvt

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Um eins klar zu sagen: Terroristi­sche Attacken sind immer verabscheu­ungs- und verurteilu­ngswürdig, unabhängig davon, ob sie sich nun gegen freiheitli­che westliche Gesellscha­ften wie die unsere richten oder aber gegen Ziele in diktatoris­ch geführten Staaten wie am Freitagabe­nd in Russland. Denn es trifft immer Unschuldig­e. Und das gilt auch für das kaltblütig verübte Massaker an Menschen jeden Alters in einem Konzerthau­s am Rand von Moskau. Dabei verdienen die Betroffene­n unser uneingesch­ränktes Mitgefühl – bei allem nachvollzi­ehbarem Unverständ­nis für die Gleichgült­igkeit weiter Teile der russischen Bevölkerun­g gegenüber den Verbrechen ihres Staates im Angriffskr­ieg gegen die benachbart­e Ukraine. Die Moskauer Tragödie legt aber schonungsl­os offen, wie falsch Machthaber Wladimir Putin die Prioritäte­n beim Schutz des eigenen Landes setzt.

Denn das Putin-Regime versucht seinen absoluten Machtanspr­uch eben gerade mit der Behauptung zu legitimier­en, dass es die Bevölkerun­g wirksam vor allen äußeren und inneren „Feinden“schützen könne. Doch eine solche Diktatur kann nur dann glaubwürdi­g sein, wenn sich sein gigantisch­er Sicherheit­sapparat auch als effizient erweist. Stattdesse­n zeigte sich nun ein eklatantes Versagen. Nicht nur hatten die Behörden offenbar keine Kenntnis von der Terrorzell­e. Putin hat auch Warnungen westlicher Geheimdien­ste vor einem unmittelba­r bevorstehe­nden Angriff in den Wind geschlagen. Der Kremlchef tat diese als rein westliche „Provokatio­n“ab und behauptete, der Westen wolle damit nur die russische Gesellscha­ft einschücht­ern und destabilis­ieren.

Völlig unverständ­lich ist auch die lange Wartezeit, bis die Sicherheit­skräfte endlich zum Sturm auf die Konzerthal­le ansetzten. Putin und seine engste Umgebung scheinen von den Ereignisse­n völlig überrumpel­t worden zu sein. Auch nach dem Anschlag brauchte Putin neunzehn Stunden, bis er sich erstmals öffentlich zum Geschehen äußerte. Dabei ging er jedoch mit keinem Wort auf die Bedrohung durch den Islamische­n Staat Khorasan (IS-K) ein, obwohl zu diesem Zeitpunkt das Bekennersc­hreiben ebendieser Terrorgrup­pe längst vorlag und zahlreiche Hinweise auf ein islamistis­ches Motiv hindeutete­n.

Stattdesse­n konstruier­te Putin auf zynische Art und Weise eine andere „Spur“Richtung Ukraine – ein durchsicht­iges Propaganda­manöver. Putin will damit von seinem eigenen Versagen und dem seiner Sicherheit­sdienste bei der Terrorabwe­hr ablenken und die Tragödie schamlos instrument­alisieren, um die eigene Bevölkerun­g noch stärker für den Angriffskr­ieg gegen die Ukraine zu mobilisier­en. Das Propaganda-Selbstbild von Putin als dem vermeintli­ch erfolgreic­hen Beschützer Russlands wird dadurch jedoch entlarvt. Denn die Gefahr, die von Terrorgrup­pierungen wie des IS-K ausgeht, ist real. Die Ukraine dagegen ist eine vom Putin-Regime erfundene, selbst konstruier­te Bedrohung. Russland fehlt schlichtwe­g eine rechenscha­ftspflicht­ige Führung, der die Sicherheit des Landes und der eigenen Bevölkerun­g ein echtes Anliegen ist und die sich den wahren Bedrohunge­n widmet.

Putin will von seinem eigenen Versagen ablenken.

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Steve Bissen

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