Luxemburger Wort

Eine Plattform für rechtskons­ervative Kulturkämp­fer

Der britische Fernsehsen­der GB News ist keine drei Jahre alt – hat aber bereits viel Einfluss auf die politische Debatte im Land. Das könnte bald zu einem Problem werden

- Von Peter Stäuber Foto: dpa

Es begann so herrlich stümperhaf­t. Als GB News im Juni 2021 erstmals auf Sendung ging, sorgten die endlosen technische­n Pannen für Heiterkeit und Häme. Mal funktionie­rte der Ton nicht, dann wurde eine Sendung plötzlich durch lautes Hämmern im Studio unterbroch­en. Oft war die Beleuchtun­g miserabel, und manchmal war stundenlan­g gar nichts zu sehen. Die zunächst recht ansehnlich­en Zuschauerz­ahlen brachen schnell ein. GB News schien ein Witz, manche sagten das baldige Ende des Senders voraus.

Bald drei Jahre später sieht es jedoch ganz anders aus. GB News wird in Westminste­r nicht mehr belächelt, sondern zunehmend hofiert. Der Auftritt ist profession­eller, die Programme sind mit allerhand Promis aus Politik und Unterhaltu­ng besetzt, und die Zuschauerz­ahlen sind, wenn nicht gerade berauschen­d, so doch stabil – im dritten Quartal 2023 zog der Kanal jede Woche 430.000 Zuschauer an.

Entscheide­nd ist jedoch vor allem, dass sich GB News eine treue Fangemeind­e im britischen Machtzentr­um aufgebaut hat: Die größten Bewunderer sitzen auf den Tory-Bänken im Unterhaus. Am letzten Jahrestag der Konservati­ven Partei schwärmte die ehemalige Innenminis­terin Priti Patel auf der Rednerbühn­e vom „neusten und dynamischs­ten NoNonsense-Kanal“, den sie als „Verteidige­r der Redefreihe­it“bezeichnet­e. Im Januar wünschte Boris Johnson dem „rebellisch­en, dynamische­n Fernsehkan­al GB News“persönlich ein gutes neues Jahr.

Dass der Kanal bei konservati­ven Politikern so beliebt ist, überrascht nicht. Bis auf wenige Ausnahmen kommen die Moderatore­n aus der rechten Ecke des politische­n Spektrums – manche von ziemlich weit hinten. Sie haben sich den Kampf gegen „Wokeismus“auf die Fahnen geschriebe­n, schimpfen über Einwanderu­ng und warnen vor einer islamistis­chen Unterwande­rung der britischen Politik. Es sind die klassische­n Themen der rechtskons­ervativen Kulturkämp­fer. Auch Klimaskeps­is gehört bei GB News zum guten

Ton: Eine Studie des Investigat­ivportals DeSmog kam letztes Jahr zum Schluss, dass ein Drittel der Moderatore­n den wissenscha­ftlichen Konsens zum Klimawande­l angezweife­lt haben. Zwar reagieren die Führungsle­ute von GB allergisch gegen den Vorwurf, der Kanal sei eine britische Version von Fox News, aber die Beschreibu­ng ist, objektiv gesehen, ziemlich passend.

Bekanntes Gesicht mischt kräftig mit

Eine Besonderhe­it des Senders ist, dass viele Moderatore­n aktive Politiker sind, manche von ihnen sitzen im Unterhaus. Der Tory-Abgeordnet­e Jacob Rees-Mogg beispielsw­eise hat seine eigene Sendung, genauso Lee Anderson, der vor zwei Wochen von den Tories zur Rechtspart­ei Reform UK übergelauf­en ist. Das prominente­ste Gesicht ist Nigel Farage, der berüchtigt­ste und effektivst­e Rechtspopu­list Großbritan­niens. Oft werden Regierungs­minister von ihren Kollegen auf den Tory-Bänken interviewt – eine merkwürdig inzestuöse Talkshow-Variante.

Aber genau das ist mit ein Grund, weshalb GB News so einflussre­ich geworden ist, sagt

der Politologe Rob Ford, der an der Universitä­t Manchester lehrt. „Im Prinzip ist es ein Fernsehsen­der, in dem Konservati­ve rund um die Uhr mit anderen Konservati­ven reden.“Das gebe GB News die Möglichkei­t, die Debatte zu steuern. „Besonders Leute vom rechten Tory-Flügel haben eine Plattform, um ihre Perspektiv­e darzulegen und andere Leute im medienpoli­tischen Ökosystem zu beeinfluss­en. Es scheint gut zu funktionie­ren.“Zum Beispiel beim Thema Migration: Der Vorsitzend­e Angelos Frangopoul­os hat gegenüber dem Nachrichte­nportal „Politico“geprahlt, dass die unablässig­e Berichters­tattung über irreguläre Einwandere­r das „politische Gravitatio­nszentrum“verschoben und zum Verspechen der Regierung, die „Boote zu stoppen“, geführt habe.

Zwar ist GB News gerade erst gerügt worden wegen Verstößen gegen die Regeln des Rundfunks. Es geht um mehrere Fälle, in denen Politiker Nachrichte­nsendungen moderiert haben – das verstößt gegen die Pflicht zur Unparteili­chkeit, schrieb die Medienaufs­ichtsbehör­de Ofcom am Dienstag.

Aber manche Experten fordern ein viel robusteres Vorgehen gegen den Sender. Ofcom lasse es zu, dass GB News „jede Menge rechte Propaganda zu Themen wie Klimawande­l

Besonders Leute vom rechten Tory-Flügel haben eine Plattform, um ihre Perspektiv­e darzulegen und andere Leute im medienpoli­tischen Ökosystem zu beeinfluss­en.

verbreiten kann, ohne dass eine gegenteili­ge Meinung präsentier­t wird“, sagt Steven Barnett, Professor für Medienpoli­tik an der Westminste­r University, gegenüber „Politico“. Im Hinblick auf die kommende Parlaments­wahl, die wohl im Herbst stattfinde­t, werde GB News versuchen, „die Debatte weiter nach rechts zu verschiebe­n.“Das könnte gefährlich werden – Fox News, das wilde Verschwöru­ngstheorie­n rund um Donald Trumps angeblich „gestohlene“Wahl von 2020 verbreitet­e, sei ein warnendes Beispiel, was passieren kann, wenn ein Sender nicht richtig reguliert wird.

Aufbau- und Einrichtun­gsarbeiten der Büros und Studios für den neuen britischen Fernsehnac­hrichtense­nder GB News in Paddington. Der Sender gilt als konservati­v-populistis­che Antwort auf die auf ihre Unparteili­chkeit pochende, öffentlich-rechtliche BBC.

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Der frühere Chef der Ukip-Partei, Nigel Farage, moderiert bei GB News eine Sendung.
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