Einfach ein paar Küchenabfälle tanken
Klimafreundlicher Sprit aus Speiseölresten soll nun auch in Deutschland an die Tankstellen kommen, vor allem für gewerbliche Kunden. Luxemburg ist schon etwas weiter
Biosprit kann man bereits in den Niederlanden, Schweden, Litauen und vielen anderen Ländern tanken. Auch in Luxemburg. Der Treibstoff HVO100, der aus Speiseresten sowie aus Pflanzenölen hergestellt wird, ist bereits an über 600 Tankstellen in Europa frei erhältlich.
In Luxemburg wurden 2021 im Centre Routier Sécurisé (CRS) in Bettemburg bereits HVO100-Pumpen errichtet. Um Emissionen zu reduzieren, gingen Arthur Welter Transports und Bolloré Logistics diesen Schritt. Nach Anregung durch seinen Kunden Bolloré hatte das Luxemburger Transportunternehmen Arthur Welter TotalEnergies in Luxemburg beauftragt, HVO100-Pumpen am intermodalen Terminal und Logistikpark Eurohub Süd zu installieren, damit man hier Biokraftstoff tanken kann. Dieser kommt nicht von extra dazu angeboten Pflanzen wie etwa Raps, sondern stammt vor allem auch von Speiseölresten.
Den Weg für erdölfreien Diesel im Autotank hat nach langer Hängepartie nun auch Deutschland freigemacht. Wenn alle politischen Instanzen zustimmen, könnten auch dort Dieselfahrzeuge ab Mitte April klimafreundlichen Sprit aus Abfallstoffen tanken. Im Moment erlaubt der Gesetzgeber in Deutschland im Diesel nur Biokraftstoff-Beimischungen von sieben Prozent. Künftig sollen die Tankstellen auch 100-prozentigen Biodiesel aus zertifizierten, nachhaltigen Rest- und Abfallstoffen verkaufen dürfen.
Das Kürzel HVO bedeutet Hydrotreated Vegetable Oils: Mit Wasserstoff behandelte Pflanzenöle. Die Vorteile von HVO100 sind neben dem Klimaaspekt laut TotalEnergies Luxembourg ein reduziertes Verbrennungsgeräusch dank einer erhöhten Cetanzahl, ein geringer Schwefelgehalt, eine geringe Partikelemission am Motorausgang, weil aromatische Verbindungen fehlen.
In Deutschland sind laut Kraftfahrt-Bundesamt heute mehr als 14 Millionen Autos, Lastwagen und andere Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterwegs. Das Land ist die Drehscheibe für den Straßengüterverkehr in Europa. Der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte: „Mit HVO100 können wir die CO2-Emissionen im Verkehr kurzfristig senken.“Die Einsparung betrage bis zu 95 Prozent im Vergleich zu herkömmlichem Diesel.
Wie groß ist die wirtschaftliche Bedeutung von HVO100?
Wie der deutsche Bundesverband freier Tankstellen (BfT) mitteilte, wird der Biodiesel heute ausschließlich im öffentlichen Nahverkehr, von Logistikbetreibern und in der Landwirtschaft verwendet; an Tankstellen ist er noch nicht frei verfügbar. Aber das Potenzial in der Speditions- und Logistikbranche sei groß: „Wir schätzen, dass 80 Prozent der HVO-Nutzung gewerblich sein wird.“Laut VDB wird die globale HVO-Produktion bis 2025 voraussichtlich 30 Millionen Tonnen überschreiten. Der finnische HVO-Hersteller Neste rechnet damit, dass biogene Kraftstoffe bis 2040 etwa eine Milliarde Tonne Rohöl ersetzen können, was etwa 40 Prozent des weltweiten Bedarfs im Transport ausmacht.
Ist der Biodiesel teurer als Diesel aus Erdöl?
Ja, weil die Produktionskosten höher sind. Nach den Erfahrungen in anderen europäischen Ländern, in denen HVO schon längst getankt werden kann, ist er 15 bis 20 Cent pro Liter teurer als fossiler Diesel. Der deutsche Bundesverband Energie-Mittelstand (Uniti), bei dem 40 Prozent der Straßentankstellen organisiert sind, erwartet, „dass in der ersten Anlaufphase HVO100 für Flottenbetreiber besonders interessant sein wird“: Sie können so CO2-Vorgaben auch mit bestehenden Fahrzeugen leichter erreichen. Wenn HVO-100-Diesel bei der Energiesteuer gegenüber fossilem Diesel entlastet würde, hülfe das der Wirtschaft und dem Klima zusätzlich.
Schadet HVO100 dem Motor?
Moderne Dieselmotoren sind grundsätzlich dafür geeignet, es bedarf keiner technischen Anpassungen oder Umrüstungen der Fahrzeuge oder des flächendeckenden Tankstellennetzes, heißt es in einer Erklärung von ADAC, Logistikverbänden und einigen Lkw-Herstellern. Der ADAC weist allerdings darauf hin, dass die Freigabe von Kraftstoff für einen Motor grundsätzlich beim Fahrzeughersteller liege. „Aktuell liegen solche Freigaben nur für wenige Modelle der Marken Audi, BMW, Citroën/Peugeot/Opel, Nissan, Renault/Dacia, Seat/Cupra, Škoda, Toyota, Volvo und VW vor.“Man brauche „dringend weitere umfassende Herstellerfreigaben für bisherige PkwModelle“, damit HVO100 von den Verbrauchern angenommen werde. dpa