So haben sich Deutsche Bahn und GDL nach wochenlangem Streit geeinigt
Für die Lokführerinnen und Zugbegleiter im Schichtdienst gilt ab 2029 die 35-Stunden-Woche – aber nur im Wahlmodell
Die frohe Botschaft kommt morgens halb neun: Die Deutsche Bahn AG (DB) und die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) haben sich geeinigt; die Zeit der Streiks ist für die Bahnreisenden erst mal vorbei.
Am Vormittag dann weiß man: Viertel nach fünf in der Früh waren die Unterschriften auf den Verträgen über Arbeitszeit und Gehälter. Und am Mittag ist klar: Martin Seiler, DB-Personalvorstand, hat sich entschieden, das Ergebnis als Erfolg zu verkaufen – Claus Weselsky, Vorsitzender der GDL, lieber dafür, der Bahn und der weitaus größeren Konkurrenz Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) wie gewohnt ein paar Unfreundlichkeiten zu servieren. „Guter Tag“, sagt Seiler, hauchzart heiter intoniert, und „intelligenter Kompromiss“. „Bin gespannt“, sagt Weselsky, für seine Verhältnisse gebremst aggressiv, „ob die Bahn es später der anderen Gewerkschaft, die nie ’ne Arbeitszeitabsenkung gefordert hat, schenkt.“
Der Teufel steckt im Detail
Es ist das Ergebnis, das im Kern besagt: Die von der GDL geforderte 35-Stunden-Woche kommt ab 2029. Aber nicht, wie von Weselsky gewollt, automatisch. Nur im ersten Schritt reduziert sich die sogenannte Referenzarbeitszeit 2026 generell für alle Mitarbeitenden im Schichtdienst von 38 auf 37 Stunden. Die folgenden Absenkungen – 2027 eine weitere Stunde, 2028 und 2029 je eine halbe – müssen die Beschäftigten beantragen. Wer nicht weniger arbeiten will oder sogar mehr, erhält pro Stunde 2,7 Prozent mehr Gehalt. Lokführer oder Zugbegleiterinnen hätten dann mit 40 Stunden pro Woche etwa 14 Prozent mehr Verdienst als mit 35.
Ganz grundsätzlich steigen die Gehälter um 420 Euro in zwei Schritten von 210 Euro am 1. August 2024 und am 1. April 2025. Außerdem gibt es ab März in ebenfalls zwei Schritten eine Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2850 Euro. Der Tarifvertrag für die Arbeitszeit läuft bis 2029, der für die Gehälter bis Ende 2025.
So lange mindestens müssen die Fahrgäste der Bahn AG keine neuen Streiks von Seiten der GDL fürchten. Mit der EVG allerdings wird das als Aktiengesellschaft organisierte Staatsunternehmen schon im kommenden Jahr am Verhandlungstisch sitzen. Vorher will die Bahn laut Seiler keine Angleichung an den GDL-Abschluss anbieten.
„Froh und erleichtert“
„Schon sehr intensiv“beschreibt Seiler die Verhandlungen. Weselsky, der auch jetzt der DB das „Ziel“unterstellt, „die GDL in die Knie zu zwingen“, erklärt, diese Tarifrunde sei „die härteste“seiner Karriere gewesen. Die als GDL-Chef endet in einigen Monaten; ob das auch das Ende seines Kampfs mit der DB sein wird, ist nicht heraus. Im Sommer 2023 hat Weselsky mit anderen die Genossenschaft Fair Train gegründet, die fortan Lokführer verleihen will – auch an die DB. Die wiederum möchte das für einen Trick halten, um noch höhere Gehälter durchzusetzen, und hat deshalb vor dem Landesarbeitsgericht Hessen geklagt.
In der Mitarbeiterklemme nämlich steckt die DB längst – und tief. Daran wird auch die von Seiler verkündete Rekordzahl von 6.000 Azubis für 2024 so schnell nichts ändern. Und falls sie Fair Train-Leihpersonal deutlich mehr zahlen müsste als ihrem eigenen – würde die GDL dagegen Front machen und die EVG wohl auch.
Nicht nur wegen dieser Idee werden Weselsky und Seiler keine Freunde mehr. Der DB-Vorstand findet, „alle können froh und erleichtert sein über das Ergebnis.“Weselsky schießt lieber gegen die Bahn, die diese Tarifrunde „so lang gemacht“habe und „so provokant“. Und gegen jene Politiker, die – wie CDU-Chef Friedrich Merz – Eingriffe ins Streikrecht anregen. Weselsky hat dafür ein Wort: „Unanständig.“