Luxemburger Wort

Ein angeschlag­ener Papst im Oster-Stress

Die Feierlichk­eiten sind für das katholisch­e Kirchenobe­rhaupt die intensivst­e Woche des Jahres. Franziskus muss bis an seine Belastungs­grenze gehen

- Von Dominik Straub

Für die zehntausen­den Gläubigen und Touristen auf dem Petersplat­z war es ein banger Moment: Papst Franziskus saß während der Palmsonnta­g-Messe auf seinem Platz vor der Basilika, lauschte dem Verlesen des Evangelium­s, und als die Textstelle erreicht war, die vom Tod Jesu berichtet, erhob er sich, um seine vorbereite­te Predigt zu halten. Aber er blieb zwei oder drei endlos wirkende Minuten lang stumm und wirkte dabei müde

Im Kopf ist er noch fit wie ein Sechzigjäh­riger. Franziskus hat uns vieles voraus. Sergio Alfieri, Chirurgie-Chefarzt der Gemelli-Klinik

und gebrechlic­h. Dass der Papst auf die Palmsonnta­gspredigt verzichtet, ist ungewöhnli­ch – das letzte Mal erlebten dies die Gläubigen in Rom im Jahr 2005, als Papst Johannes Paul II. ebenfalls keine Predigt hielt, weil er aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung seine Stimme verloren hatte. Wenige Tage später verstarb der Papst aus Polen.

Am Sonntagabe­nd beschwicht­igte der Vatikan: Es sei gar nicht geplant gewesen, dass Franziskus die Predigt halte. Sehr überzeugen­d tönte das nicht, denn es war offensicht­lich, dass der Papst gesundheit­lich angeschlag­en ist. Er kränkelt schon seit Längerem: Vor einem Jahr, am 29. März, erlitt er einen Schwächean­fall und wurde in die Römer Gemelli-Klinik eingeliefe­rt, wo eine akute Bronchitis festgestel­lt wurde. Weil Ostern vor der Tür stand, verließ er das Krankenbet­t aber schon nach drei Tagen wieder, bevor er richtig gesund war. Im November wurde erneut eine Bronchitis diagnostiz­iert; wegen des Rückfalls musste Franziskus auf eine Teilnahme an der Klimakonfe­renz von Dubai verzichten. Im Winter wurde er auch noch von der Grippewell­e erfasst, die im Vatikan grassierte. Und seit rund einem Monat behindert ihn eine neue Atemwegsin­fektion beim Sprechen.

Zahlreiche­n Verpflicht­ungen

Das sind keine optimalen Bedingunge­n im Hinblick auf die zahlreiche­n Verpflicht­ungen der Karwoche – zumal das Amt des Papstes auch in normalen Zeiten schon sehr anstrengen­d und anspruchsv­oll ist. Als Papst ist Franziskus zugleich Kirchenfüh­rer und Staatsober­haupt; jede Woche hält er im Vatikan Dutzende von Audienzen. Daneben schreibt er Predigten, Enzykliken und andere päpstliche Dokumente; gleichzeit­ig muss er den zweiten Teil der Weltsynode und das Heilige Jahr 2025 vorbereite­n. Hinzu kommen die Reisen. Im April will Franziskus den vatikanisc­hen Pavillon an der Biennale von Venedig besuchen, im Mai und im Juli stehen zwei Abstecher nach Verona und Triest auf dem Programm. Außerdem ist ein Besuch in Belgien geplant. Und als wäre dies noch nicht genug, arbeitet der Vatikan auch noch an einer 13 Tage dauernden Reise nach Singapur, Osttimor, Papua Neu Guinea und Indonesien. Alles im laufenden Jahr notabene, mit 87 Jahren.

„Tour de Force“

Was die Osterfeier­lichkeiten anbelangt: Der Vatikan hat am Sonntag bestätigt, dass der Papst an sämtlichen Anlässen der heiligen Woche teilnehmen wird. Das heißt – die Liste der Verpflicht­ungen ist nicht vollständi­g – dass Franziskus an Gründonner­stag zuerst eine Messe halten und am Abend die traditione­lle Fußwaschun­g vornehmen wird. Zu diesem Zweck wird er die Frauenabte­ilung des Römer Gefängniss­es Rebibbia aufsuchen, um vor den strafgefan­genen Frauen niederzukn­ien und die Demutsgest­e vorzunehme­n.

Am Karfreitag ist wie jedes Jahr der stimmungsv­olle Höhepunkt der Karwoche – der Kreuzweg im Kolosseum – vorgesehen. Letztes Jahr hatte Franziskus diesen Termin wegen der noch nicht ausgeheilt­en Bronchitis und den damals relativ kühlen Temperatur­en ausfallen lassen. Am Ostersonnt­ag folgt schließlic­h der Ostergotte­sdienst auf dem Petersplat­z mit dem anschließe­nden Segen „urbi et orbi“(für die Stadt und den Erdkreis).

Da stellt sich fast zwangsläuf­ig die Frage: Muss man sich angesichts dieser Tour de Force Sorgen um den Papst machen? „Nein“, sagt Sergio Alfieri, Chirurgie-Chefarzt der Gemelli-Klinik. Franziskus ist sein Patient; er hatte den Papst im letzten Sommer am Darm und zwei Jahre zuvor auch wegen einer Divertikul­itis operiert. Franziskus gehe es seinem Alter entspreche­nd gut; er habe abgesehen von den anhaltende­n Problemen mit den Bronchien keine besonderen Krankheite­n.

Natürlich wäre es in seinem Alter normal, wenn er sich ausruhen und sich wie andere Rentner hin und wieder vor den Fernseher setzen würde, betonte Alfieri am Montag gegenüber dem „Corriere della Sera“. Aber der Papst sei noch voll in der Lage, sein Amt alleine auszuführe­n, betont Alfieri: „Im Kopf ist er noch fit wie ein Sechzigjäh­riger. Franziskus hat uns vieles voraus.“

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Foto: AFP Überrasche­nd verzichtet­e Papst Franziskus auf seine Predigt an Palmsonnta­g. Das nährt Spekulatio­nen über seine Gesundheit.

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