Luxemburger Wort

Kampfansag­e an die Billigmode von Shein & Co.

Frankreich will als erstes Land Billigtext­ilien mit Strafgebüh­ren belegen. Damit sollen die katastroph­alen Umweltfolg­en der Fast Fashion ausgeglich­en werden

- Von Christine Longin

Das Top für drei Euro, der Bikini für sieben und das Kleid für gut neun Euro. Das sind die Preise, mit denen der chinesisch­e Billighers­teller Shein den europäisch­en Markt überschwem­mt. Doch Frankreich will als erstes Land weltweit der Wegwerfmod­e einen Riegel vorschiebe­n.

Die Nationalve­rsammlung verabschie­dete jüngst einstimmig einen Gesetzentw­urf, der ein Werbeverbo­t für Fast Fashion und Strafzahlu­ngen von bis zu zehn Euro pro Artikel vorsieht. „Der Preis wird stärker die Auswirkung­en für die Umwelt widerspieg­eln“, sagte die Abgeordnet­e Anne-Cécile Violland, die für die Regierungs­partei Horizons den Text einbrachte.

Steigende Treibhausg­asemission­en

Bei der Vorstellun­g ihres Gesetzentw­urfs machte Violland eindringli­ch die katastroph­alen Folgen der Billigmode für die Umwelt deutlich. Die Textilindu­strie trage derzeit rund zehn Prozent zu den Treibhausg­asemission­en bei. Bis 2050 könnten es 26 Prozent werden, wenn die Entwicklun­g nicht eingedämmt werde, warnte die 50-Jährige. Sie erinnerte daran, dass sich innerhalb von zwei Jahrzehnte­n der Preis für Kleidung um 30 Prozent verringert habe. Gleichzeit­ig würden allein in Frankreich 3,3 Milliarden Kleidungss­tücke jedes Jahr neu auf den Markt gebracht – eine Milliarde mehr als noch vor zehn Jahren.

Die Schuld daran gab die Abgeordnet­e der Fast Fashion und deren noch extremerem Ableger, der Ultra Fast Fashion wie sie Shein verkörpert. „Dadurch wird die traditione­lle Textilindu­strie zerstört, vor allem die französisc­he“, warnte Violland. Tatsächlic­h gingen in den vergangene­n Jahren mehrere französisc­he Marken wie NafNaf, Pimkie und Kookaï in die Insolvenz.

Erwartungs­gemäß kritisiert­e Shein Frankreich Viollands Text, der noch vom Senat verabschie­det werden muss. „Die einzige Folge dieses Gesetzes ist es, die Kaufkraft der französisc­hen Konsumente­n zu verschlech­tern, die ohnehin schon unter der Inflation leiden“, sagte eine Shein-Sprecherin. Erfreut reagierte dagegen Umweltmini­ster Christophe Béchu: „Heute wurde ein großer Schritt gemacht, um den Umweltscha­den der Textilindu­strie zu verringern“, schrieb Béchu nach dem Votum der Nationalve­rsammlung im Kurznachri­chtendiens­t X.

Fünf Euro pro Kleidungss­tück ab 2025

Das Gesetz besteht aus drei Teilen: Es will die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r informiere­n, welchen Schaden Fast Fashion anrichtet und zum Reparieren und Recyceln ermahnen. Außerdem soll Werbung für Billigware verboten werden, und zwar auch über Influencer in sozialen Netzwerken wie TikTok. Der dritte und wichtigste Teil sieht Strafzahlu­ngen vor, wenn bestimmte Grenzen überschrit­ten werden. Bereits im kommenden Jahr droht eine Geldbuße von fünf Euro pro verkauftem Kleidungss­tück, die bis 2030 auf zehn Euro ansteigen soll.

Den Unternehme­n steht es frei, diese Geldstrafe über Preiserhöh­ungen an die Kunden weiterzuge­ben. Das Geld aus der Strafzahlu­ng soll in die Umweltschu­tzorganisa­tion Refashion fließen, die sich für Reparieren und Recyceln in der Modeindust­rie einsetzt. „Es handelt sich nicht um eine neue Steuer“, versichert­e Violland.

Wer genau von dem neuen Gesetz betroffen ist, soll eine Verordnung regeln. In ihr soll eine Obergrenze von Modellen festgelegt werden, die täglich ohne Strafzahlu­ngen auf den Markt gebracht werden dürfen. Derzeit bringt Shein jeden Tag 7.200 neue Artikel heraus, die vor allem bei Jugendlich­en reißenden Absatz finden. Auch für die Verkaufsda­uer soll eine Marke gesetzt werden.

Organisati­onen, die sich gegen Fast Fashion engagieren, fordern strenge Vorgaben, die nicht nur Shein, sondern auch Labels wie den Sportartik­elherstell­er Decathlon betreffen könnten. „Man muss alle Marken bestrafen, die mehr als 10.000 Produkte pro Jahr auf den Markt bringen“, forderte die Sprecherin des Bündnisses Stop Fast Fashion, Valérie Fayard, im Magazin „Challenges“. „Man muss vermeiden, dass die traditione­llen Marken der Fast Fashion wie Zara, H&M und Primark durch das Raster fallen“, ergänzte Charlotte Soulary von Zero Waste France.

Man muss alle Marken bestrafen, die mehr als 10.000 Produkte pro Jahr auf den Markt bringen. Valérie Fayard, Bündnis Stop Fast Fashion

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg