Aberkannte Rekorde und eine verfluchte Halle spornen David Wallig an
Verletzungen können den Sprinter nicht bremsen. Der 19-Jährige peilt mit Wut im Bauch einen Landesrekord an und will sein Coque-Trauma überwinden
Am 1. April wird David Wallig 20 Jahre alt, doch wenn man die dicke Krankenakte des Leichtathleten durchblättert, könnte man glaube, dass er schon viel älter ist. Denn mit Schmerzen kennt sich der CSL-Sprinter aus, musste Wallig doch wegen eines Knochenmark-Ödems im rechten Oberschenkel über ein Jahr pausieren und konnte erst im Januar 2023 wieder langsam in das Training einsteigen.
„Meine große Stärke ist es, dass ich nach Verletzungen nicht wirklich viel Zeit benötigte, um wieder in eine gute Form zu kommen“, zeigt sich der noch 19-Jährige stets optimistisch. Und in der Tat lief der Sportler im vergangenen Jahr so schnell wie noch nie zuvor. Sowohl über die 60 m (6‘‘89/Indoor), als auch über 100 und 200 m (10‘’77 und 21‘‘28/Outdoor) stellte Wallig neue persönliche Bestzeiten auf, mit der 100-m-Staffel gelang ihm bei Team-EM im polnischen Chorzow mit einer Gesamtzeit von 40‘’98 sogar ein neuer Landesrekord.
Zumindest ist es der einzige von Walligs aufgestellten Landesrekorden im Jahr 2023, der ihm im Nachhinein nicht wieder aberkannt wurde. Denn bereits 18 Tage vor dem Staffel-Rennen in Polen knackte Wallig am 3. Juni bei den JPEE in Malta mit seiner Bestzeit über 200 m einen vermeintlichen U23-Rekord. Und das unter Schmerzen. „Vor dem Rennen hatte ich Probleme an den Adduktoren. Dass es im 200-m-Lauf trotzdem so gut funktioniert und ich die Silbermedaille gewinne, konnte ich nicht erwarten.“
Die Freude über Silber und über den Landesrekord überlagerte zunächst die Schmerzen der Verletzung, die Wallig im Anschluss zu einer weiteren Trainingspause zwangen. Der Staffelrekord in Polen kurz darauf ist allerdings Beweis genug dafür, dass Wallig, wie von ihm behauptet, selbst in wenigen Tagen und mit kaum Training schnell wieder zu einer sehr guten Form finden kann.
Einen anderen Schmerz als den körperlichen, nämlich den Schmerz der Enttäuschung, ereilte David Wallig rund vier Monate nach den JPEE in Malta, als er einen unerwarteten Anruf erhielt. „Ein Verantwortlicher von der FLA (Fédération Luxembourgeoise d‘Athlétisme) sagte mir, dass der Verband nochmals alle Rekorde aktualisiert hat. Dabei sei ihnen aufgefallen, dass Roland Bombardella der wahre Rekordhalter ist.“Bombardella lief 1978 als 21-Jähriger die 200 m in 20‘’77, was nicht nur U23-, sondern noch immer der allgemeine Landesrekord ist.
Wallig kann zwar nicht ganz nachvollziehen, warum es den FLA-Verantwortlichen erst so spät aufgefallen ist, dass er keinen „echten“Rekord in Malta gelaufen ist, doch sein Blick richtete sich direkt wieder nach vorn. „Mein Ziel ist es, in diesem Jahr selbst unter 21 Sekunden zu bleiben, und dieses Mal wirklich den Rekord zu knacken“, nämlich den der Senioren. Doch zunächst stand die Hallensaison an.
Auf Kriegsfuß mit der Coque
Trotz einer guten Vorbereitung verpasste der junge Sportler wegen einer Corona-Infektion gleich das erste Regio-Meeting in der Coque, nur um eine Woche später an Ort und Stelle einen neuen U23-Rekord über die 60 m aufzustellen. Wieder war die Freude groß, erneut dauerte sie nicht allzu lange. „Im Januar hat mich dann die FLA wieder angerufen und gemeint, dass auch hier ein Fehler vorliegt. Ich war ziemlich wütend und enttäuscht, als der Verband mir schon wieder einen Rekord wegnahm. Ich kann es nicht wirklich verstehen, wenn doch kurz zuvor alle Tabellen aktualisiert wurden.“Laurent Kemp stellte den aktuellen U23-Rekord (6‘’83) 1991 in Dortmund auf.
Doch Wallig wurde in der Coque nicht nur ein weiterer Rekord entzogen, es ist auch die Halle, wo er sich beim nächsten Wettkampf die nächste Verletzung (linker Oberschenkel) zuzog. „Ich weiß nicht, was das mit der Coque ist, aber die Halle liegt mir nicht. Die Kurven sind sehr eng und bei meinem Laufstil schwingt das Bein immer etwas nach außen. Das passt noch nicht so richtig zusammen“, sagt Wallig. Er hofft, auch durch die Unterstützung des LIHPS (Luxembourg Institute for High Performance in Sports), in Zukunft mit der Leichtathletikhalle in Luxemburgs größtem Sportkomplex nicht länger auf Kriegsfuß zu stehen.
Denn seit Anfang des Jahres ist der Leichtathlet Mitglied im Promotionskader des COSL und kann nun auf eine erweiterte Infrastruktur zurückgreifen. „Beim LIHPS wird bei mir jetzt eine komplette Körperanalyse durchgeführt. Ich hoffe, dass ich dann ein paar Fehler korrigieren kann, mich weniger verletzte und endlich konstant trainieren kann“, sagt Wallig. Der Schüler wird in diesem Jahr zwar wegen seines anstehenden Abiturs einige Wettkämpfe verpassen, den Senioren-Landesrekord über seine Paradestrecke (200 m) hat er aber fest im Blick – am besten ohne weitere Verletzungen.
Ich war ziemlich wütend und enttäuscht, als der Verband mir schon wieder einen Rekord wegnahm. Ich kann es nicht wirklich verstehen, wenn doch kurz zuvor alle Tabellen aktualisiert wurden. David Wallig