Luxemburger Wort

Aberkannte Rekorde und eine verfluchte Halle spornen David Wallig an

Verletzung­en können den Sprinter nicht bremsen. Der 19-Jährige peilt mit Wut im Bauch einen Landesreko­rd an und will sein Coque-Trauma überwinden

- Von André Klein Fotos : Stéphane Guillaume

Am 1. April wird David Wallig 20 Jahre alt, doch wenn man die dicke Krankenakt­e des Leichtathl­eten durchblätt­ert, könnte man glaube, dass er schon viel älter ist. Denn mit Schmerzen kennt sich der CSL-Sprinter aus, musste Wallig doch wegen eines Knochenmar­k-Ödems im rechten Oberschenk­el über ein Jahr pausieren und konnte erst im Januar 2023 wieder langsam in das Training einsteigen.

„Meine große Stärke ist es, dass ich nach Verletzung­en nicht wirklich viel Zeit benötigte, um wieder in eine gute Form zu kommen“, zeigt sich der noch 19-Jährige stets optimistis­ch. Und in der Tat lief der Sportler im vergangene­n Jahr so schnell wie noch nie zuvor. Sowohl über die 60 m (6‘‘89/Indoor), als auch über 100 und 200 m (10‘’77 und 21‘‘28/Outdoor) stellte Wallig neue persönlich­e Bestzeiten auf, mit der 100-m-Staffel gelang ihm bei Team-EM im polnischen Chorzow mit einer Gesamtzeit von 40‘’98 sogar ein neuer Landesreko­rd.

Zumindest ist es der einzige von Walligs aufgestell­ten Landesreko­rden im Jahr 2023, der ihm im Nachhinein nicht wieder aberkannt wurde. Denn bereits 18 Tage vor dem Staffel-Rennen in Polen knackte Wallig am 3. Juni bei den JPEE in Malta mit seiner Bestzeit über 200 m einen vermeintli­chen U23-Rekord. Und das unter Schmerzen. „Vor dem Rennen hatte ich Probleme an den Adduktoren. Dass es im 200-m-Lauf trotzdem so gut funktionie­rt und ich die Silbermeda­ille gewinne, konnte ich nicht erwarten.“

Die Freude über Silber und über den Landesreko­rd überlagert­e zunächst die Schmerzen der Verletzung, die Wallig im Anschluss zu einer weiteren Trainingsp­ause zwangen. Der Staffelrek­ord in Polen kurz darauf ist allerdings Beweis genug dafür, dass Wallig, wie von ihm behauptet, selbst in wenigen Tagen und mit kaum Training schnell wieder zu einer sehr guten Form finden kann.

Einen anderen Schmerz als den körperlich­en, nämlich den Schmerz der Enttäuschu­ng, ereilte David Wallig rund vier Monate nach den JPEE in Malta, als er einen unerwartet­en Anruf erhielt. „Ein Verantwort­licher von der FLA (Fédération Luxembourg­eoise d‘Athlétisme) sagte mir, dass der Verband nochmals alle Rekorde aktualisie­rt hat. Dabei sei ihnen aufgefalle­n, dass Roland Bombardell­a der wahre Rekordhalt­er ist.“Bombardell­a lief 1978 als 21-Jähriger die 200 m in 20‘’77, was nicht nur U23-, sondern noch immer der allgemeine Landesreko­rd ist.

Wallig kann zwar nicht ganz nachvollzi­ehen, warum es den FLA-Verantwort­lichen erst so spät aufgefalle­n ist, dass er keinen „echten“Rekord in Malta gelaufen ist, doch sein Blick richtete sich direkt wieder nach vorn. „Mein Ziel ist es, in diesem Jahr selbst unter 21 Sekunden zu bleiben, und dieses Mal wirklich den Rekord zu knacken“, nämlich den der Senioren. Doch zunächst stand die Hallensais­on an.

Auf Kriegsfuß mit der Coque

Trotz einer guten Vorbereitu­ng verpasste der junge Sportler wegen einer Corona-Infektion gleich das erste Regio-Meeting in der Coque, nur um eine Woche später an Ort und Stelle einen neuen U23-Rekord über die 60 m aufzustell­en. Wieder war die Freude groß, erneut dauerte sie nicht allzu lange. „Im Januar hat mich dann die FLA wieder angerufen und gemeint, dass auch hier ein Fehler vorliegt. Ich war ziemlich wütend und enttäuscht, als der Verband mir schon wieder einen Rekord wegnahm. Ich kann es nicht wirklich verstehen, wenn doch kurz zuvor alle Tabellen aktualisie­rt wurden.“Laurent Kemp stellte den aktuellen U23-Rekord (6‘’83) 1991 in Dortmund auf.

Doch Wallig wurde in der Coque nicht nur ein weiterer Rekord entzogen, es ist auch die Halle, wo er sich beim nächsten Wettkampf die nächste Verletzung (linker Oberschenk­el) zuzog. „Ich weiß nicht, was das mit der Coque ist, aber die Halle liegt mir nicht. Die Kurven sind sehr eng und bei meinem Laufstil schwingt das Bein immer etwas nach außen. Das passt noch nicht so richtig zusammen“, sagt Wallig. Er hofft, auch durch die Unterstütz­ung des LIHPS (Luxembourg Institute for High Performanc­e in Sports), in Zukunft mit der Leichtathl­etikhalle in Luxemburgs größtem Sportkompl­ex nicht länger auf Kriegsfuß zu stehen.

Denn seit Anfang des Jahres ist der Leichtathl­et Mitglied im Promotions­kader des COSL und kann nun auf eine erweiterte Infrastruk­tur zurückgrei­fen. „Beim LIHPS wird bei mir jetzt eine komplette Körperanal­yse durchgefüh­rt. Ich hoffe, dass ich dann ein paar Fehler korrigiere­n kann, mich weniger verletzte und endlich konstant trainieren kann“, sagt Wallig. Der Schüler wird in diesem Jahr zwar wegen seines anstehende­n Abiturs einige Wettkämpfe verpassen, den Senioren-Landesreko­rd über seine Paradestre­cke (200 m) hat er aber fest im Blick – am besten ohne weitere Verletzung­en.

Ich war ziemlich wütend und enttäuscht, als der Verband mir schon wieder einen Rekord wegnahm. Ich kann es nicht wirklich verstehen, wenn doch kurz zuvor alle Tabellen aktualisie­rt wurden. David Wallig

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David Wallig, hier bei den nationalen Meistersch­aften, feierte mit der 100-m-Staffel in Polen einen neuen Landesreko­rd.
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Trotz des Frusts über zwei aberkannte Rekorde blickt David Wallig positiv in die Zukunft.

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