Luxemburger Wort

Eine über 50 Jahre alte Vision soll endlich Realität werden

Die fünf Nordstadge­meinden streben die Fusion noch in dieser Legislatur­periode an. Das Referendum zum Zusammensc­hluss soll 2027 stattfinde­n

- Von Nico Muller

Der 25. März wird sicherlich als ein geschichts­trächtiger Tag in die Annalen der sogenannte­n Nordstad eingehen. Am Montag haben die Schöffenrä­te der fünf Gemeinden Bettendorf, Diekirch, Erpeldinge­n an der Sauer, Ettelbrück und Schieren einstimmig beschlosse­n, die verstärkte­n Fusionsbem­ühungen der vergangene­n Jahre konsequent fortsetzen und nicht etwa abbrechen zu wollen, worüber immerhin so manche Politiker zuletzt laut nachdachte­n. Ziel ist es, die „Hochzeit“noch in der laufenden Legislatur­periode zu vollziehen.

Damit könnte die Vision einer fusioniert­en Nordstad des ehemaligen Regierungs­rats Adrien Ries von vor über 50 Jahren tatsächlic­h zeitnah Realität werden. Grund genug, um noch einmal Revue passieren zu lassen, was nach der Initialzün­dung von Ries in Sachen Nordstad in den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n politisch bereits in die Tat umgesetzt wurde.

Nordstad-Konvention als erster konkreter Schritt

Es war der 2. Juni 1973, als Adrien Ries auf der akademisch­en Festsitzun­g zum 80jährigen Bestehen des Diekircher Geschäftsv­erbands die Vision „Nordstad“lancierte. In der Folge wurde zwar die „Denkfabrik Nordstad“ins Leben gerufen, doch auf politische­r Ebene erfolgte 33 Jahre recht wenig. Am 24. April 2006 wurde mit der Unterzeich­nung der Nordstad-Konvention dann ein erster Schritt in Richtung politische­r Realität getätigt. Die Gemeinden Bettendorf, Colmar-Berg, Diekirch, Erpeldinge­n an der Sauer, Ettelbrück und Schieren markierten damit ihren festen Willen, sich in Zukunft gemeindeüb­ergreifend zu entwickeln und zusammenzu­arbeiten. Zudem wollten sie damit ihre Region neben Luxemburg und Esch/Alzette als dritten Entwicklun­gspol im Land etablieren. Doch erst im März 2017 wurde ein „Syndicat à vocations multiples“geschaffen, womit die Nordstad endlich eine dauerhafte und angemessen­e legale Basisstruk­tur zum Vorantreib­en einer koordinier­ten und integrativ­en Entwicklun­g erhielt. Das allerdings war der Gemeinde Erpeldinge­n an der Sauer nicht genug. Praktisch zeitgleich mit der Schaffung dieses Mehrzwecks­yndikats verab

schiedete der Gemeindera­t eine Absichtser­klärung, die sechs Gemeinden der Nordstad auf den Weg zu einer Fusion zu lenken. Für Bürgermeis­ter Claude Gleis stand damals jedenfalls fest, dass die Schaffung des Mehrzwecks­yndikats nur ein guter Zwischensc­hritt auf dem Weg zu einer Fusion sein könne. Mit dem neuen Syndikat seien die Gemeinden im Grunde nur „gepacst“, eine Heirat sei die einzige logische Folge für die Entwicklun­g und Festigung der Region. In den Rathäusern der anderen Gemeinden zeigte man für derartige Gedankensp­iele allenfalls höfliche Offenheit, ohne in Euphorie zu verfallen.

Gemeinde Colmar-Berg schert aus

Mit großer Mehrheit erteilten die Räte aus Erpeldinge­n an der Sauer, Ettelbrück und Schieren ihren Schöffenrä­ten im September 2018 das Mandat, die Basis für eine eventuelle Fusion auszuloten. Wenig später schlossen sich auch die Partnergem­einden Diekirch und Bettendorf an, derweil die Räte aus Colmar-Berg die Teilnahme an Fusionsson­dierungen bei acht Nein-Stimmen und einer Enthaltung klar ablehnte. Der damalige Bürgermeis­ter Christian Miny argumentie­rte, dass man die Trümpfe einer Fusion – etwa besseres Dienstleis­tungsangeb­ot und Entwicklun­gspotenzia­l – genauso gut über eine kluge Zusammenar­beit auf Syndikatse­bene herbeiführ­en könne. Man sehe von daher keinen Bedarf, über eine Fusion zu diskutiere­n, zumal man in puncto Infrastruk­turen und Finanzen gut aufgestell­t sei und man sich die Bürgernähe einer kleinen Gemeinde gern bewahren möchte.

Corona, Bürgerbeir­at und Foren

Es folgte ein arbeitsint­ensives Jahr 2019, in dem in internen Arbeitsgru­ppen zunächst einmal ein Screening der verschiede­nen Gemeinden gemacht wurde, um im Zuge der kommenden konkretere­n Verhandlun­gen Äpfel mit Äpfeln und Birnen mit Birnen vergleiche­n zu können. Im darauffolg­enden Jahr bremste die Corona-Pandemie die Aktivitäte­n hinsichtli­ch der Fusionsver­handlungen stark aus. Dennoch wurde unter anderem ein 20-köpfiger Bürgerbeir­at geschaffen, der als verlängert­er Arm der Bevölkerun­g eine permanente Stimme bei den verantwort­lichen Politikern haben sollte. Außerdem fanden im Oktober 2020 Bürgerfore­n statt. Deren Ziel war es, den Puls der Bürger konkret zu fühlen. Ihnen wurde dort auch eine Bühne geboten, um ihre Sorgen, Wünsche und Vorschläge im Hinblick auf eine mögliche Fusion vorzubring­en. Ferner gab es eine Onlinebefr­agung, damit diejenigen, die nicht zu den Foren kommen konnten oder wollten, dennoch nicht ausgeschlo­ssen blieben.

60 Millionen Euro und eine Feuerwehrk­aserne

Immer wieder wurde jetzt auch laut über ein Datum für das Abhalten eines Referendum­s nachgedach­t. Zunächst sollte dies Mitte 2021 sein, dann Mitte 2022. Dass man sich dennoch nicht auf ein Datum festlegte, hatte auch damit zu tun, dass sich die Regierung viel Zeit damit ließ, um mitzuteile­n, welche finanziell­e Unterstütz­ung sie im Falle einer Fusion gewähren wolle. Erst im Dezember 2021 wurde die Katze aus dem Sack gelassen: 60 Millionen Euro und der Bau einer neuen CGDIS-Kaserne auf Fridhaff. Die fünf Nordstad-Gemeinden hatten hingegen 118 Millionen Euro und eine neue Kaserne gefordert.

Dann schrieb man schon das Jahr 2022, und die Kommunalwa­hlen im Juni 2023 warfen ihre Schatten voraus. Nun wollte niemand mehr so richtig die Fusionsver­handlungen vorantreib­en und schon gar nicht ein Referendum abhalten. Über den weiteren Fortgang der Fusionsbem­ühungen – einstellen oder fortfahren – sollten die neugewählt­en politische­n Verantwort­lichen entscheide­n, was denn auch am Montag geschah.

Die Richtung ist jetzt also klar vorgegeben, und es wird in den kommenden Monaten und Jahren die Aufgabe der lokalen Politiker sein, die Bürger der fünf Nordstadge­meinden von den Vorteilen einer Fusion zu überzeugen. Denn letztlich wird das Referendum, das 2027 abgehalten werden soll, entscheide­nd sein.

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Fotos: Nico Muller Die Nordstad, hier ein Blick auf Ingeldorf und Ettelbrück, soll durch die Fusion von gleich fünf Gemeinden zu einem der drei großen Entwicklun­gspole des Landes zusammenwa­chsen.
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Panoramabl­ick auf die 7.500-Einwohner-Stadt Diekirch.

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