Der Bau der Nanofabrik in Differdingen verzögert sich
Der Ukraine-Krieg, Sanktionen und Gegensanktionen machen Ocsial zu schaffen
Am 11. März wurde das Insolvenzverfahren eröffnet für Rusnano S.A., der Luxemburger Einheit der russischen staatlichen Beteiligungsgesellschaft für die High-Tech-Industrie. Das Unternehmen Ocsial, das sich selbst als weltgrößter Hersteller von Graphen-Nanoröhrchen bezeichnet und vor geraumer Zeit angekündigt hat, bei Differdingen eine Fabrik bauen zu wollen, wurde im Geschäftsjahr 2019 noch zu 17,3 Prozent von Rusnano gehalten. Durch den Verkauf von 0,5 Prozent der Ocsial-Anteile für rund fünf Millionen US-Dollar im Jahr 2019 wurde Ocsial mit einer Milliarde US-Dollar bewertet.
Obwohl das Unternehmen 2022 auf seiner Webseite mitteilte, Ocsial habe die Genehmigung für den Betrieb einer Fabrik in Luxemburg erhalten, bestätigte die Gemeinde Differdingen, dass die Baugenehmigung noch nicht erteilt worden ist. Seit 2018 habe die Gemeinde auch nichts mehr von dem Unternehmen gehört.
„Der Verhandlungsprozess für den Grundstückspachtvertrag hat sich im Vergleich zu unseren ursprünglichen Erwartungen erheblich verzögert“, teilt Ocsial auf Nachfrage mit. „Wir planen jedoch nach wie vor, eine Einrichtung in Differdingen zu eröffnen.“In der Zwischenzeit habe das Unternehmen begonnen, eine Anlage und ein Laborzentrum im Nicht-EU-Land Serbien zu bauen, die noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden sollen.
„Wir sind zuversichtlich, dass wir den Pachtvertrag für das Grundstück in Differdingen noch in diesem Jahr erhalten werden, so dass wir mit den weiteren Schritten fortfahren können“, so Ocsial weiter. Für etwa 320 bis 340 Millionen Euro will der Hersteller von Kohlestoffröhrchen in Differdingen ein Werk errichten, das 320 Mitarbeiter beschäftigen soll.
Ocsial wurde 2010 in Luxemburg gegründet, wo das Unternehmen auch seinen Hauptsitz hat. Die Gruppe, die eigenen Angaben nach einen Anteil von 97 Prozent an der Weltproduktion der
Graphen-Nanoröhren hat, beschäftigt weltweit mehr als 200 Mitarbeiter in den USA, China, Indien, Japan, Malaysia, Südkorea, Deutschland, Australien, Taiwan, Mexiko, Kanada und Serbien.
Graphen-Nanoröhren-Lösungen werden in Elektrochemie, Farben und Beschichtungen, Verbundwerkstoffe und Kunststoffen eingesetzt. Nach Angaben von Ocsial entwickeln die zehn weltweit größten Hersteller von Li-Ionen-Batterien für die Automobilbranche diese Zellen mit Ocsial-Nanoröhren.
Trennung von Russland
Inzwischen kappte Ocsial seine Verbindungen zu Russland. Laut der im letzten August veröffentlichten Jahresbilanz 2022 konnte die Gruppe ihren Umsatz von 14,2 Millionen US-Dollar im Jahr 2021 auf 14,5 Millionen im Jahr 2022 steigern; der Verlust wurde von 62 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 11,4 Millionen 2022 eingedämmt.
Der Russland-Ukraine-Konflikt – Sanktionen, verstärkte Prüfung von Produkten aus Russland und die allgemeine makroökonomische Volatilität und hohe Inflation – hatte erhebliche Auswirkungen auf das Geschäft der Gruppe. „Obwohl keiner der Führungskräfte, Direktoren oder Anteilseigner der Gruppe von Sanktionen betroffen war, wurde die Gruppe dennoch durch die Tatsache beeinträchtigt, dass die Produkte der Gruppe im Jahr 2022 fast ausschließlich in Russland hergestellt wurden“, heißt es im letzten Geschäftsbericht.
Das Forschungszentrum in Russland hat das Nanotechnologieunternehmen aufgegeben, die drei Geschäftseinheiten in Russland wurden verkauft. Zuletzt wurden auch personelle Veränderungen im Management vorgenommen: Die russischen Vorstände Dmitri Malow und Juri Zelwentskij wurden durch einen in Luxemburg lebenden Esten und zwei in Russland geborene, jetzt aber auf Zypern und in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebende Manager ersetzt. Zuletzt hat das Nanotechnologieunternehmen vor wenigen Wochen auch den Namen von Ocsial SA in Long Life Technologies SA geändert.