Delbrück geht
Rudolf Delbrück beendet den Dienst im evangelischen Pfarramt
Pfarrer nimmt Abschied: Letzter Gottesdienst und flammender Appell für eine Gemeinde
Dénia/La Nucía – sk. Pfarrer Delbrück geht. Mit einem lachenden und weinenden Auge, wie Rudolf Delbrück selbst sagt. Die evangelische Kirchengemeinde kann sich am Sonntag, 21. Juni, von dem Seelsorger verabschieden, der sich unermüdlich und leidenschaftlich für die deutschsprachigen Gläubigen eingesetzt hat. Um 12 Uhr hält er seinen letzten Gottesdienst in der Seniorenresidenz Montebello in La Nucía.
CBN: Ein Blick zurück.
Delbrück: Ich habe versucht, ein modernes Pfarramt daraus zu machen. Das ist sehr viel Arbeit gewesen, es war viel und weit, von Valencia bis Orihuela Costa. In den sechs Jahren bin ich 180.000 Kilometer gefahren. Aber insgesamt haben wir uns sehr wohl gefühlt. Auch für die Zusammenarbeit mit der CBN möchte ich mich herzlich bedanken. Es war schon überwältigend, was wir hier lernen konnten, wie Menschen hier miteinander umgehen, und die kulturelle Vielfalt. Wir haben erlebt, wie es ist, Ausländer zu sein, in einer Elternbesprechung zu sitzen und nichts zu verstehen.
Sie gehen, die Gläubigen bleiben. Was raten Sie Ihnen?
Ich rate allen, geht eine Kooperation mit der EKD (Evangelische Kirche Deutschland) ein und macht juristisch klar, was ihr ohnehin schon lebt. Ihr seid Gemeinde, ihr gehört zur EKD. Man braucht etwas mehr Geld, aber soviel ist das nicht. Sobald die Leute wissen, wofür das Geld gebraucht wird, kommt es auch zusammen. Der große Fehler aber ist jetzt die Diskutiererei. Mir ist überhaupt nicht um die Gemeinde bange, weil es sehr viele Menschen hier gibt, die sich engagieren. Um die Zukunft hier mache ich mir keine Sorgen.
Die Gläubigen sind gespalten. Es gibt zwei Flügel. Einer für den Verein, einer dagegen.
Mir wäre es lieb gewesen, wir wären mit der EKD die Situation vor der Veröffentlichung durchgegangen. Was jetzt passiert, führt zu einer Enttäuschung über die Kirche. Manche Menschen fühlen sich von der Kirche verlassen. Das liegt aber maßgeblich an der schlecht geführten Kommunikation. Die Kirche zieht sich nicht aus der Verantwortung, Kirche ist dort, wo sich Menschen versammeln und gemeinsam einen Gottesdienst fei- ern. Das ist Gemeinde. Das geht bei uns Christen gar nicht anders.
Sind Sie enttäuscht?
Ich finde es sehr schade, dass wir es am Ende meiner Amtszeit nicht geschafft haben, der Kirche hier eine zukunftsfähige Struktur zu geben. Vielleicht habe ich selbst zu lange auf ein Signal der EKD gewartet. So ein Konzept, wie das des Tourismuspfarramts, war für 2010 fest versprochen gewesen. Am Anfang habe ich Fritz Delps Arbeit fortgeführt und nicht genug selbst bestimmt, wie ein Tourismuspfarramt funktioniert. Mir ist aber von vorneherein gesagt wor- den, dass Sozialarbeit nicht weiter ausgebaut werden soll. Wir haben eher durchgehalten und weitergemacht. Ich habe auch die Begrifflichkeiten nicht beachtet. Ich bin Pfarrer in einer Tourismuspfarrei und kein Gemeindepfarrer. Oberkirchenrat Michael Schneider stellt die Gläubigen vor die Wahl, sich zu entscheiden, was sie sind: Touristen oder Gemeinde.
Wie geht es weiter?
Das neue Pfarramt soll an der Stadteinfahrt von Dénia in der Nähe des McDonald’s eingerichtet werden. Es wird von Hannover verwaltet. Die Pfarrer Jacobs und Funke sollen es gemeinsam führen und das Tourismuskonzept umsetzen. Es gibt verschiedene Modelle. Etwa drei Zehnmonatspfarrer oder einen Zehnmonatspfarrer und einen Tourismuspfarrer, der zum Teil von der EKD und von einem Kirchenverein finanziert wird.
Also braucht man einen Verein.
Wir müssen uns als Kirche an landesübliche Gegebenheiten anpassen. Eine Kirche braucht eine juristische Vertretung, die dann auch Mitglied im Verband Evangelischer Kirchen in Spanien (Ferede) ist. In Madrid, Barcelona und auf Mallorca existieren auch Vereine, und das funktioniert wunderbar.
Ohne Verein geht es nicht?
Das ginge auch. Das wäre dann aber zu 100 Prozent Tourismuspfarramt. Die Gemeindearbeit, die wir gemacht haben, käme dann aber gar nicht mehr vor. Alles würde sich in Dénia und auf das Tourismuspfarramt sowie die dementsprechenden Angebote und die Gottesdienste konzentrieren.
Gut hört sich das aber nicht an.
Man kann hier nicht die gleichen Ansprüche an die Kirche stellen wie in Deutschland. Wir kriegen kaum einen Cent Kirchensteuer hierher. Manche Leute stellen sogar noch höhere Ansprüche als in Deutschland. Und diese leiten sie daraus ab, dass sie ihr Leben lang Kirchensteuer bezahlt haben. Das ist aber kein Geld, das für schlechte Zeiten aufgespart wird.
Viele Residenten sind gar nicht so arm. Muss die Kirche wirklich Sozialarbeit leisten?
Es geht um vielfältige Dinge. Ein Beispiel: Der Mann stirbt, die Frau kann kein Auto fahren und kann aber auch nicht zurück. Was macht man dann? Wenn die Bundesregierung ein wenig offener gewesen wäre und Pflegesachleistungen auch hier erstatten würde, dann wäre es möglich gewesen, ambulante Pflegedienste oder ein Seniorenheim einzurichten. Viele deutsche Rentner würden viel lieber hier bleiben, aber es geht nicht, weil sie irgendwann einmal pflegebedürftig werden könnten. Ein anderer Bereich, der mir am Herzen liegt, ist die Gefangenenseelsorge. Das sind Menschen, die sehr schnell vergessen werden, je länger sie dort sind, desto weniger erinnert man sich an sie. Diese Menschen zu besuchen ist sehr wichtig.