Nach der Wahl
Ergebnis ist ähnlich wie im Dezember – Konservative Volkspartei legt zu
Der Chef der konservativen Volkspartei (PP), Mariano Rajoy, ist der Sieger der Wahl vom Sonntag. Nur seine Partei hat Sitze im Parlament dazugewonnen. Dennoch reichen die 137 Abgeordneten nicht zur absoluten Mehrheit. Wieder beginnt die Suche nach Koalitionspartnern. Beispielsweise mit den Sozialisten unter Pedro Sánchez, die mit 85 Sitzen den zweiten Platz belegen. Gescheitert ist das Überholmanöver von Unidos Podemos. Das Linksbündnis nimmt Platz drei ein. An vierter Stelle kommen Albert Riveras Ciudadanos. Nun hängt wieder alles von den Verhandlungen ab und der Bereitschaft der einzelnen Parteiführer, über ihre Schatten zu springen.
Madrid – ck. Die Umfragen haben sich bestätigt: Die konservative Volkspartei (PP) des amtierenden Regierungschefs Mariano Rajoy ist mit 137 Abgeordneten wieder die meistgewählte Partei. Die Umfragen irrten sich: Das Linksbündnis Unidos Podemos aus Podemos und Vereinigter Linken (IU) haben nur 71 Sitze und die Sozialisten (PSOE) nicht überholt.
Die PSOE unter Generalsekretär Pedro Sánchez hat das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren, das hatte sie im Dezember auch schon, aber nun hat Sánchez noch einmal fünf Abgeordnete verloren. Die PSOE kommt nur auf 85 Sitze, bleibt aber zweitstärkste Kraft.
Verlierer ist wieder Albert Rivera, der seine liberale Partei Ciudadanos (C’s) als junge und korruptionsfreie Alternative zur Volkspartei anpreist. Schon im Dezember hatte der redegewandte Rivera nur 40 Sitze erreicht, jetzt kam er im Parlament auf 32. Vermutlich setzten manche seiner Wähler am Sonntag auf das stärkere konservative Pferd PP. Die Unruhe durch den Brexit drei Tage zuvor gilt für viele Beobachter als ausschlaggebend für die Stärkung der Konservativen, die 700.000 Stimmen gegenüber der Wahl im Dezember zulegten.
Wahlberechtigt waren 36,5 Millionen Spanier. Abgestimmt haben 69,84 Prozent, 1,45 Millionen von ihnen per Briefwahl. Die spanische Post sprach von einem Rekord. Dennoch war die Wahlbeteiligung die zweitgeringste der spanischen Demokratie. Die geringste machte José María Aznar im März 2000 zum Regierungschef. Viele Spanier zeigten sich enttäuscht von der unfruchtbaren Debatte um die Regie- rungsbildung und gingen nicht zur Wahl. Dass dieser Trotz eher auf der Linken zu finden ist, während die Konservativen mit treuen Stammwählern rechnen dürfen, beeinflusste das Resultat.
Doch das Wahlergebnis erleichtert die Suche nach einer Regierung genauso wenig wie das vom Dezember. In gewisser Weise klingen die ersten Äußerungen nach einem großen Déjà-vu.
„Se nota, se siente, Mariano presidente“– Man merkt es, man fühlt es, Mariano wird Ministerpräsident – skandierten Rajoys Anhänger in der Wahlnacht. Mariano Rajoy fühlte sich mehr denn je bestätigt und verkündete, dass er die Regierung anführen will. Schließlich errang er noch 14 Sitze mehr. Jeder dritte Wähler gab ihm seine Stimme. Pedro Sánchez verlor zwar fünf Sitze, aber es hätte für seine Sozialisten noch schlimmer kommen können, wenn sich der „Sorpasso“, das Überholmanöver von Podemos, bewahrheitet hätte. So aber bleibt die PSOE stärkste Kraft im linken Lager.
Sánchez ist Rajoys erster Ansprechpartner. Der amtierende Regierungschef will den Sozialisten zu einer großen Koalition einladen, die lehnte dieser bisher stets ab. Am Montag kündigte die PSOE eine Vorstandssitzung für den 9. Juli an, um zu entscheiden, ob sie Rajoy unterstützt oder nicht. Par-
teisprecher Antonio Hernando versicherte indes: „Wir werden die Investitur nicht unterstützen und uns nicht enthalten.“
Guillermo Fernández-Vara, sozialistischer Ministerpräsident von Extremadura, vertritt dagegen einen Flügel, der konzilianter ist. „Es gefällt mir nicht, jemandem zu helfen, der dem Land so geschadet hat“, sagt er auf Mariano Rajoy gemünzt. „Aber noch schlimmer wäre es, keine Regierung zu haben.“Dass der PSOE als zweitgrößter Fraktion eine Schlüsselrolle zukommt, daran herrscht kein Zweifel. „Rajoy gewinnt, Sánchez entscheidet“, titelte die Zeitung „El Periódico“aus Barcelona.
Die große Koalition nach deutschem Vorbild scheint nicht im Gespräch zu sein, da die meisten Parteimitglieder nach der Wahlschlappe von ihrer Aufgabe in der Opposition überzeugt sind. Sánchez hatte vor der Wahl gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“zwar gesagt, er würde eine große Koalition nicht mehr grundsätzlich ausschließen, die andalusische Ministerpräsidentin und Sánchez-Kritikerin Susana Díaz nannte ein solches Bündnis allerdings „pathetisch und typisch für Verlierer“. Genauso lehnt sie einen Pakt mit Podemos ab.
Zeit der Taschenrechner
Weder eine große Koalition noch eine Minderheitsregierung haben in Spanien Tradition. Es fällt den Politikern schwer, Bündnisse zu schließen. Das Parlament soll sich am 19. Juli konstituieren. Zwei Tage später lädt der König die Parteiführer zu Gesprächen ein. Wenn ein Kandidat genügend Zustimmung als Regierungschef findet, setzt Felipe VI. den Termin für die Investitur an. Bei der ersten Sit- zung braucht der Kandidat die absolute Mehrheit, einen Tag später reicht die einfache Mehrheit. Nach der ersten Investitur-Sitzung tritt die Frist von zwei Monaten zur Regierungsbildung in Kraft. Momentan wird der 26. Juli genannt.
Die absolute Mehrheit liegt bei 176 Parlamentssitzen. Wenn sich PSOE und C’s enthalten, könnte der PP die Ablehnung durch Unidos Podemos und anderen, nationalistischen Parteien nichts anhaben. Aber auch Rivera hat Rajoy so viele Absagen erteilt, dass es unwahrscheinlich ist, dass seine Partei sich enthalten würde.
Sollte zum Wohle der Regierbarkeit C’s aber doch mit der PP eine Koalition bilden oder für die Investitur Rajoys stimmen, hätte die PP zusammen mit den Kanaren und Basken 175 Sitze. Dann hinge alles von einem 176. Abgeordneten ab und der könnte Pedro Quevedo heißen.
Der Sprecher von Nueva Canaria kandidierte auf der Liste der PSOE und wechselt in die Gruppe der Fraktionslosen, wenn sich das Parlament konstituiert. Wenn er für Rajoy stimmt oder sich enthält, würde er Sánchez’ Sozialisten erlauben, gegen Rajoy stimmen zu können und dennoch dessen Regierung nicht zu verhindern. Machiavelli lässt grüßen.
Eine andere Möglichkeit wäre ein Linkspakt zwischen Sozialisten und Unidos Podemos. Sie würden 156 Sitze vereinen und bräuchten die Enthaltung von C’s. Sánchez hatte auch mal für den Dreierpakt mit Rivera und Iglesias plädiert. Da sich Rivera und Iglesias allerdings überhaupt nicht verstehen und auch Sánchez nach den Erfahrungen mit Iglesias skeptisch ist, sind solche Absprachen unwahrscheinlich.
Großer Verlierer ist Podemos. Die Linkspartei hat die Vereinigte Linke (IU) ins Boot geholt und trotzdem 1,2 Millionen Stimmen verloren. Offensichtlich hat sich Pablo Iglesias viele Sympathien verscherzt. Zu oft kamen Selbstüberschätzung und Machthunger in seinen Forderungen zum Vorschein, das soziale Wirtschaftsprogramm blieb ohne überzeugenden Finanzierungsvorschlag. IU-Chef Alberto Garzón meinte zwar, ohne das Bündnis wäre das Ergebnis noch schlechter ausgefallen, ein Trost kann das jedoch nicht sein.
Die ersten Gespräche haben am Montag begonnen. Alle Parteien sind sich einig, eine Regierung zu bilden und eine dritte Wahl zu vermeiden. Der Ring ist frei.
Offensichtlich hatte sich Pablo Iglesias viele Sympathien verscherzt