Brexit – und jetzt?
Britische Residenten verunsichert über die Folgen des bevorstehenden EU-Austritts
Seit dem Ja zum Brexit laufen die Telefone britischer Stadträte an der Costa Blanca heiß. Viele Engländer hat der Ausgang des Referendums gar nicht amused, sondern verunsichert. Das Pfund fällt, das Leben wird teuer, die Zukunft unklarer. Nur bedingt kann ihr Botschafter beruhigen, dass sich für sie erstmal nichts in Spanien ändert.
Enttäuscht reagiert Lucy Grande vom Bed Center Calpe an der Küstenstraße nach Moraira auf den Brexit. Die Unternehmerin aus dem Süden Englands sorgt sich um ihre Krankenversicherung, das Pfund und die britischen Kunden. „Wenn die hier keine Immobilien mehr erwerben, verkaufen wir auch keine Betten mehr.“Sie erzählt von einem bekannten Immobilienmakler, dem nach dem Brexit am 23. Juni schon zwei britische Kunden abgesprungen sind. Es macht sie so wütend, dass ausgerechnet die im Ausland lebenden Expats nicht einmal abstimmen durften. „Ich fühle mich europäisch, mein Heimatland ist es auch, wir sollten zur EU gehören.“
Die Briten wollen raus aus der EU. 52 Prozent beschließen das bei dem Referendum am vergangenen Freitag und schlagen alle Stimmen der Vernunft in den Wind, die vor den schwerwiegenden Folgen nicht für die EU und Großbritannien, sondern auch für Spanien und die im Land lebenden Briten warnen.
Am Tag des Referendums kommen 100 Flugzeuge aus Großbritannien in Alicante an oder fliegen von dort Richtung UK ab. Etwa 45 Prozent der rund zehn, dieses Jahr vielleicht sogar zwölf Millionen Passagiere sind Briten. Die Touristen lassen rund 1,4 Milliarden Euro im Jahr in der Provinz.
2015 kaufen Briten etwa 3.000 Immobilien in Alicante und geben Barbesitzer rechnen mit weniger Kunden und höheren Lebenskosten nach Angaben des Instituts für Wirtschaftsstudien in Alicante Ineca rund 375 Millionen Euro für Häuser aus.
Die Handelsbeziehungen mit Großbritannien machen sieben Prozent des Bruttosozialprodukts (PIB) der Provinz Alicante aus. Die Landwirtschaft, die Schuhindustrie, der Einzelhandel und sogar die Automobilindustrie in Valencia fürchten die Folgen eines schwachen Pfunds.
Aber nicht nur die Wirtschaft bangt um britischen Investoren. Auch an der Costa Blanca dämmert es den rund 87.000 hier ge- meldeten Briten langsam, was auf sie zukommen könnte. Das Pfund verliert an Wert, und das Leben hier wird für sie teuer. Hält der Trend an, werden das die hier lebenden britischen Rentner bald schmerzlich zu spüren bekommen.
„Die Menschen hier haben Angst, das öffentliche Gesundheitssystem nicht mehr nutzen zu können. Die Briten hier sind nun einmal vor allem Rentner, viele haben schon einige Gesundheitsprobleme. Eine private Versicherung können sich viele nicht leisten, der späte Einstieg ist meist sehr teuer, oder sie würden wegen ihrer Gesundheitsprobleme gar nicht genommen. Außerdem wird der Wert ihrer Häuser voraussichtlich sinken. Viele wollen einfach nur verkaufen und zurück,“sagt Suzanna Mc Allister, Stadträtin für Residenten in Llíber.
Und die Angst bekommen auch alle zu spüren, die von den britischen Rentnern leben. Die 37-jährige Barbesitzerin Sharlin Smith vom Triangle Pub in Benidorm rechnet mit höheren Lebenshaltungskosten, Schwierigkeiten beim Reisen und Arbeiten und vor allem mit weniger Bargästen.
Kneipengast Danny Wilson fällt es schwer, seinen Zorn herunterzuschlucken. „Das ist wirklich dumm gelaufen. Die Leute denken, dass sie Probleme wie Immigration und Finanzierung so stoppen können und machen alles eigentlich nur noch schlimmer. Großbritannien wird bestimmt nie wieder britischer werden, so wie die das wollen. Ich will mich mit dem Thema eigentlich gar nicht mehr auseinander setzen, weil die Politiker alles Gangster sind.“
Wut, Frust und Verunsicherung bekommt die Vorsitzende der Ausländerpartei PIPN von San Fulgencio, Samantha Hull, zu spüren. „Mein Telefon hört von den Morgenstunden des Freitags nicht auf zu klingeln und zu summen“, berichtet sie. Die PIPN steht in ständigem Austausch mit dem britischen Konsulat, um aktuelle Informationen für Residenten einholen und die Sorgen der Residenten dem Konsul unmittelbar mitteilen zu können. Auch spanische Behörden will die PIPN anregen, einmal die Vorzüge britischer Firmen, Arbeiter, Touristen und Residenten für die spanische Gesellschaft herauszustellen.
Während die Brexit-Befürworter sich im Heimatland auffallend bedeckt über ihre eigentlichen Ziele halten, plagen Residenten hier Zukunftssorgen, was ihr Rechte hier zu leben, hier Eigentum zu erwerben, hier zu arbeiten oder hier Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem zu finden betrifft. Bob Houliston von der Partei Claro aus Orihuela Costa stellt nach dem Brexit große Ungewissheit unter seinen hier residierenden Landsleuten fest. „All diese Privilegien hängen mit der Mitgliedschaft der EU zusammen. Bis der Austritt verhandelt ist, werden wir nicht wissen, ob wir sie weiterhin genießen werden“, meint Houliston, der auf bilaterale Abkommen hofft.
Botschafter beruhigt Briten
Der um sich greifenden Unsicherheit tritt der britische Botschafter Simon Manley in Madrid mit einer Ansprache an seine Landsleute entgegentreten, in der er den Austritt aus der EU als einen graduellen Prozess ohne unmittelbare Veränderungen bezeichnet. „Sie haben