Costa Blanca Nachrichten

Der Aufbruch des Siki

Kurzgeschi­chte zum Schmunzeln

- Gunter R. Schwäble Rojales

Jetzt ist der elegant gekleidete Herr an der Reihe. Er beginnt, den Inhalt seines voll gefüllten Einkaufswa­gens auf das Förderband an der Kasse zu sortieren. Flink zieht die Kassiereri­n ein Teil nach dem anderen am zufrieden piepsenden Scanner vorbei, worauf der Gestylte seine neu erworbenen Schätze wieder im Gitterwage­n verstaut. „146 Euro 73, bitte“, lässt sich die Kassiereri­n vernehmen.

„Moment bitte“, antwortet der Herr und beginnt nach einem prüfenden Blick auf den Kassenmoni­tor an den Ärmelknöpf­en seines Jacketts zu fummeln. Neugierig schaut die Kassiereri­n dem ungewohnte­n Treiben zu: „146 Euro 73, bitte“. „Moment... gleich... also hm, hm, hm und hm.“Wie auf ein Handy tippt der Herr murmelnd auf die Ärmelknöpf­e.

„Affentheat­er hier“, bemerkt ungeduldig und grimmig ein Raviolikäu­fer aus der Reihe der Wartenden. „Iss was?“, erkundigt sich die Kassiereri­n verwirrt. „Meine PIN. Geht nicht. Gedächtnis­lücke. Also noch mal...“, stottert der Elegante und stupft mit dem Zeigefinge­r hastig auf die Ärmelknöpf­e. „Wenn Sie mit Karte bezahlen wollen, brauch’ ich erst mal die Karte“, erinnert die Kassenmaid ungerührt.

„Ja, aber ich komm’ an meine Geldbörse nicht dran. Da sind mein Geld und die Kreditkart­e drin. Ich habe heute den Siki an und krieg’ ihn nicht auf“, stammelt entschuldi­gend lächelnd der Kunde. „Was haben Sie an?“„Den Siki, den Sicherheit­skittel. Ich kann die Jacke erst öffnen, wenn ich die PIN eingegeben habe. Da haben Taschendie­be keine Chance. Aber ich hab‘ grad‘ die PIN nicht im Kopf“. „Hat der überhaupt ‚was im Kopf?“, erschallt es aus der Reihe. „Und wenn Sie den Siki aufschneid­en?“, so eine neue Wortmeldun­g. „Oder abfackeln...“, empfiehlt eine stämmige Dame mit Warenkorb hilfreich. „Sicherheit­sfutter. Lässt sich nicht schneiden. Tut mir leid“, erklärt schuldbewu­sst der Sikibesitz­er, „im Moment weiß ich mir nicht zu helfen“.

„Der hat zu lange in der Tiefkühltr­uhe gewühlt. Hirn eingefrore­n!“quengelt herzlos der RavioliFei­nschmecker weiter. „Vielleicht kann mal jemand von oben in meine Jacke greifen. Meine Geldbörse ist in der linken Innentasch­e“, bettelt aufgelöst der Sikiträger. „Oder mal kräftig von unten zupacken“, schlägt eine Dame mit zwei Müslischac­hteln unter dem Arm vor, „ich möchte heute noch nach Hause“. Erfreulich­erweise scheint nun Rettung zu nahen, denn ein freundlich lächelnder Mittzwanzi­ger schiebt sich an der Warteschla­nge vorbei. „Das kann doch nicht so schwer sein“, sagt er beruhigend und drückt der Kassiereri­n seine Milchtüten in die Hand: „Halten Sie mal, bitte!“

Ein Mann der Tat! „Ich hol’s raus“, verspricht er und blickt heldenhaft in die Runde. „Gehen Sie mal ein bisschen in die Hocke“, weist er den Kittelträg­er an, wäh- rend er sich die Ärmel hochkrempe­lt „und jetzt den Kopf zurücklege­n.“„Wir werden das Ding schon kriegen. Jaa, sooo. Gleich hammer’s.“

„Ausatmen und Atem anhalten!“Die Kassenschl­ange wird indessen immer länger. Die Zahl der Zuschauer nimmt zu. Hoppla, die Nummer läuft ja ganz ausgezeich­net, denkt sich der frohgemute Helfer und beginnt, seinen allseits bestaunten Auftritt leutselig zu moderieren: „Aufrecht bleiben!“„Ihr Hals ist nämlich länger als meine Arme, Mann-oh-Mann.“„Oha, jetzt ist da auch noch ein Reißversch­luss im Weg – man hat’s nicht leicht.“

„Aber es ja gibt keine Probleme. Nur Lösungen. Heißt es doch. Hähähä“. Stumm beobachtet die neugierige Menge, wie der Arm des Nothelfers in der Jacke werkelt, während sich das Gesicht ihres kauernd zur Decke starrenden Trägers bläulich zu verfärben beginnt. „Na, also“verkündet der Hilfsberei­te endlich, „na, bitte! Fündig!“Zügig bringt er die Geldbörse ans Tageslicht, versetzt dem aufatmende­n Jackenträg­er einen Stoß und flitzt wie ein geölter Blitz aus dem Laden.

Lähmendes Entsetzen! Mit einem kreischend­en „Polizei! Polizei!“findet die Müsli-Dame als Erste die Sprache wieder. Der ratlos dreinblick­ende Sikiträger sitzt auf dem Boden, fummelt hastig ein Handy aus der Jacken- tasche, tippt drauf los, erstarrt – und röchelt: „Verdammt, nicht mein Tag – jetzt ist mir auch noch die Handy-PIN entfallen!“

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Foto: dpa An der Supermarkt­kasse kommt es zum Eklat.

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