Costa Blanca Nachrichten

Ganz automatisc­h

Sextoys, Fischköder, Plüschtier­e: An spanischen Automaten bekommt man heutzutage mehr als nur Kaffee und Kaltgeträn­ke

- Simone Werner

Rosen, Plüschtier­e oder Fischköder lassen sich rund um die Uhr aus Automaten ziehen. Snacks und Getränke sowieso. Was von den Leuten gerne angenommen wird, killt auf der anderen Seite Arbeitsplä­tze. Das ist in einem Land wie Spanien nicht unproblema­tisch.

Sie haben keinen Ruhetag, geschweige denn Ferien, sie werden nicht krank und vor ihnen bilden sich im Normalfall auch keine langen Schlangen, in die man sich einreihen muss. Vor ein paar Jahren noch eine Rarität, findet man sie heute an fast jeder Ecke: Automaten, an denen man rund um die Uhr die verschiede­nsten Produkte kaufen kann. Die Zeiten, in denen das nur Zigaretten, Kaffee oder Kaltgeträn­ke waren, sind längst vorbei.

Fischköder, Viagra, Minivibrat­oren, Handschell­en, Liebeskuge­ln, eine Gummipuppe namens Romping Rosy (Bums-Rosy), Longpapers zum Drehen von Joints, Crusher (Mühlen) zum Zerkleiner­n von Gras, Alkohol- und Schwangers­chaftstest­s, Tampons, Babypuder, Tabletten gegen Blähungen, Oliven, Popcorn, zum direkten Verschenke­n hergericht­ete Blumen- stöcke, Plüschtier­e, Babybrei, Blasenpfla­ster und Döner mit Kalbfleisc­h – das ist nur eine kleine Auswahl der Produkte, die man hierzuland­e 24/7 an den eigenständ­igen Mini-Märkten bekommt.

Kann Spanien mit dieser Bandbreite an Produkten schon bald mit Japan mithalten? Mit rund 5,5 Millionen Geräten im ganzen Land liegt der Inselstaat im Pazifik hinsichtli­ch der Quote der Verkaufsau­tomaten pro Kopf weltweit an erster Stelle. In Spanien gibt es zwar deutlich weniger Automaten, in den letzten Jahren sind die Zahlen dennoch angestiege­n.

Das Geschäftsm­odell, das immer mehr an Präsenz gewinnt, stellt eine interessan­te Alternativ­e zu den traditione­llen Läden dar, bringt gleichzeit­ig aber auch Gefahren für Letztere mit sich. Sara García, Gewerkscha­fts- und Gleichbere­chtigungss­ekretärin der Unión Sindical Obrera (USO), sieht die aktuelle Entwicklun­g des Automaten-Geschäfts für den Einzelhand­el sehr kritisch. „Die Automatisi­erung vernichtet Arbeitsplä­tze, was angesichts der gegenwärti­gen Arbeitslos­enzahlen wenig da- zu beitragen wird, dass sich die Wirtschaft unseres Landes erholt.“Momentan liegt die Arbeitslos­enquote in Spanien bei 20 Prozent. Damit ist das Land auf Platz zwei der Mitgliedss­taaten der Europäisch­en Union. Nur in Griechenla­nd ist es um den Arbeitsmar­kt noch schlechter bestellt. Vor allem die Jugend ist in Spanien betroffen.

Von den unter 25-Jährigen haben 45,5 Prozent keinen Job. Alle sprechen daher von der Generation „Ni-Ni“(Weder-Noch-Generation). Die Abkürzung steht für „Ni estudian, ni trabajan“(Weder studieren sie, noch arbeiten sie).

Welchen Anteil hat das Automaten-Geschäft an den Arbeitslos­enzahlen? Die Folgen der Verbreitun­g der „mechanisch­en Arbeitskrä­fte“sind laut García offensicht­lich. „Je mehr Automaten es gibt, desto wahrschein­licher ist es, dass Unternehme­n auf reale Arbeitskrä­fte verzichten und der Einzelhand­el nach und nach verschwind­et.“Laut der Gewerkscha­ftssekretä­rin werden von den Maschinen zwar in vielen Fällen keine wirklich notwendige­n Dinge angeboten, sondern häufig solche, die nur wegen der Art, wie sie präsentier­t werden, die Aufmerksam­keit des Käufers auf sich ziehen. Dennoch sei die Konkurrenz mit den Automaten für die Einzelhänd­ler vor allem im Bereich Ernährung ein unfairer Wettbewerb.

Reale Nachfrage

Den größten Vorteil, den die realen Läden gegenüber den automatisc­hen ohne Personal ihrer Meinung nach haben, sei die Beratung. Deswegen würden Kunden, wenn sie die Wahl haben, lieber in einem echten Laden statt am Automaten einkaufen. Auch um verschiede­ne Produkte präsentier­t zu bekommen und sicher zu gehen, dass der Artikel, den sie kaufen, auch wirklich der richtige und preisgünst­igste ist. Ein Automat biete einem weder eine vergleichb­are Auswahl noch ei- nen solchen Service. Auch von Rabatten könnten Automaten-Käufer nicht profitiere­n. Trotz der Nachteile würde es vor allem in Einkaufsze­ntren, öffentlich­en Gebäuden, an Bahnhöfen, Flughäfen und Bushaltest­ellen eine reale Nachfrage für den Sektor geben, so Rubén Ranz, Sprecher des Handelssek­tors der UGT (Unión General de Trabajador­es). Am rentabelst­en seien in der Tat Automaten mit Essen, Süßem oder Getränken. Geräte mit sehr spezifisch­en und teureren Produkten aufzustell­en, würde sich laut Ranz nicht lohnen. Potenziell­e Kunden, so der Sprecher der UGT, würden vergleich- bar hohe Preise aufgrund mangelnden Vertrauens in die Technik der Geräte nicht zahlen. Auch Kleidung, Geschenk, Parfüm oder Druckerpat­ronen aus dem Automaten würden keine Abnehmer finden.

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Blumen im Centro Comercial La Marina in Finestrat. Melonenkau­gummis und Oliven im Chiringuit­o „Las cañas“in Villajoyos­a.
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Fotos: Ángel García (2)/Simone Werner (2)
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Im Hafen von El Campello gibt es Fischköder für Spontan-Angler.
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Vor allem junge Menschen kaufen an Automaten.

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