Das Wasser kommt näher
Am Strand Vera Playa haben zwei Schutzdämme höchst unterschiedliche Auswirkungen – Eine Seite gewinnt, die andere verliert
Eine 50 Meter lange Buhne wirkt sich auf zwei Kilometer Küste aus
Vera – sg. „Früher war mein Haus rund 100 Meter vom Meeresufer entfernt, heute sind es nur noch 25 Meter“, sagt Jan van Stuyvesant. Der Holländer lebt seit 30 Jahren an der Küste von Almería und betreibt die Feriensiedlung Natsun am FKK-Strand in Vera Playa. 30 Jahre lang beobachtet er, wie das Meer immer näher rückt. „Der Wachposten für die Rettungsschwimmer musste bereits drei Mal versetzt werden, weil er immer wieder im Wasser stand.“
Als ein Grund für den Sandverlust gilt der Stausee, der 1986 in Cuevas del Almanzora gebaut wurde. Das nötige Sediment aus den Trockenflüssen, mit dem die Strände versorgt werden, landet nicht mehr an der Küste, sondern im Staubecken. Darüber hinaus hat Jan van Stuyvesant eine Wetteränderung im Laufe der Jahre bemerkt. „Der Wind aus Nordosten weht häufiger und stärker“, sagt der 60-Jährige, „und verstärkt die Strömung, die auf den Strand drückt und die Küste quasi abschleift.“
Die Erosion an der Küste zwischen Vera und Cuevas del Almanzora schritt so weit voran, dass große Teile der Strände in Vera und Palomares verloren gingen und die Küstenschutzbehörde, die dem Ministerium für Umwelt in Madrid untersteht, im Jahr 2007 zu handeln beschloss. Das Projekt zur Instandsetzung der Strände zwischen dem Hafen von Garrucha und dem Flussdelta des Río Almanzora beinhaltete den Bau zweier Steinwälle zwischen Vera und Cuevas del Almanzora, die jeweils gut 45 bis 50 Meter ins Wasser hineinragen.
Schlechtes Beispiel
Dem rund zwei Kilometer langen Küstenabschnitt zwischen den beiden Buhnen sei dadurch ein neuer Strand beschert worden, der so aussieht wie vor 30 Jahren, sagt Jan van Stuyvesant. Am benachbarten Strand vor seiner Feriensiedlung trat jedoch der gegensätzliche Effekt ein. „Wir verlieren Sand.“
Nach Meinung des 60-Jährigen ist Vera Playa ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. „Die Basis für das Projekt zur Rettung der Strände wäre der Bau eines 268 Meter langen Schutzwalles im Hafen von Garrucha gewesen, so wie es auch in den Plänen stand.“Die Mauer hätte den ganzen Strand von Vera vor Sandverlust bewahrt. Doch der Bau wurde nicht ausgeführt. Das Küstenamt konstruierte im Mai 2007 zuerst die von Vera aus gesehenen nördliche Buhne.
„Ein Fehler“, wie der Holländer sagt. „Die Meeresströmung, die den Sand transportiert, kommt aus nordöstlicher Richtung und wurde an der Buhne aufgehalten, so dass sich auf der einen Seite Sand anhäufte und die andere Seite immer mehr verlor.“
Ein leichter Sturm im August 2007 verstärkte den Effekt noch. „Das Wasser wogte bis zum FKKHotel Vera Club und untergrub das Gebäude bereits, so dass das Küstenamt im September rasch die südliche Buhne baute und sich der Strand regenerieren konnte.“Jan van Stuyvesant schüttelt den Kopf. „Die südliche Buhne hätte zuerst gebaut werden müssen. Das ist wie beim Hausbau.“Man lege erst das Fundament und beginne nicht mit dem Dach.
„Ich hole mal schnell ein paar Dokumente“, sagt der Holländer und kehrt mit einer Kiste voller Ordner zurück. Das erste Papier stammt aus dem Jahr 2007, als der Nordwall gebaut wurde.
Jan van Stuyvesant zeigte das Vorgehen der Küstenbehörde an und schaltete einen Anwalt ein. „Der Staatsanwalt für Umweltvergehen nahm den Fall zwar an, aber danach ist nichts mehr passiert. Die Angelegenheit wurde zu den Akten gelegt“, sagt Jan van Stuyvesant, der insgesamt drei Prozesse führte, deren Akten in der Kiste stecken.
„Einen 50-Meter-Steinwall zu bauen ist einfach, hat aber immense Auswirkungen auf zwei Kilometer Strand“, sagt van Struyvesant. „Die beiden Wälle wirken sich negativ auf den südlichen Teil des Strands aus, der keinen Sand mehr bekommt. Laut Schätzungen soll die Menge an gewonnenem Sand zwischen den Mauern noch nicht einmal der Hälfte der Menge entsprechen, die auf der anderen Seite verloren geht.“
Der Holländer fürchtet um sein Haus und die Ferienanlage. Aber nicht nur das Wasser ist ein Problem. Wenn das Meer immer näher rückt und die Küstenbehörde die Abgrenzungen neu ansetzt, könnte sein Besitz plötzlich auf öffentlichem Boden stehen und ihm eine Enteignung drohen.