Tricks der Diebe
Kriminelle nutzen Ferienzeit für Diebstähle und Betrug – Guardia Civil betreut ausländische Urlauber in Sate-Büros
Wo Menschenmassen sind, schlagen Langfinger zu – da bildet die Costa Blanca im Sommer keine Ausnahme. Sind Touristen Opfer von Taschendieben oder Betrügern geworden, können sie in einem der Sate-Büros der Guardia Civil Anzeige erstatten. Dort kümmern sich die Beamten gezielt um Ausländer – in deren Sprache.
Die Diebesbanden sind in der Regel nicht gewalttätig
Noch immer deutlich mitgenommen schildern die beiden Seniorinnen dem Beamten, wie ihnen das Portemonnaie gestohlen wurde. So gut sie können jedenfalls, denn bemerkt haben sie den Verlust der Geldbörse erst viel später. Der Dieb war offenbar sehr geschickt, nutzte das Durcheinander auf dem Wochenmarkt in Finestrats Cala und langte unbeobachtet zu.
„Taschendiebstähle sind der häufigste Grund für Anzeigen, die wir hier aufnehmen“, sagt der Guardia-Civil-Agent (die Guardia Civil erlaubt die Nennung von Namen ihrer Beamten aus Sicherheitsgründen nicht, Anm. d. Red.) und legt das Protokoll auf den Stapel mit den anderen Anzeigen, die er an diesem Vormittag aufgenommen hat. Die Tür geht auf, eine Frau betritt das Büro der Lokalpo- lizei, auch sie will einen Taschendiebstahl anzeigen. Von Juni bis September arbeitet jeweils ein Agent der Guardia Civil in der Wache der Policía Local und betreibt die sogenannte Sate-Stelle. Bei dem Servicio de Atención al Turista Extranjero handelt es sich um eine Anlaufstelle für Touristen, allen voran für Urlauber aus dem Ausland.
Hilfe und Information
„Die Beamten, die diesen Dienst übernehmen, sprechen alle mehrere Sprachen. Sollten wir trotzdem einmal nicht weiterkommen, können wir auf Dolmetscher zurückgreifen“, sagt der Agent. Die Beamten helfen neben der Aufnahme von Anzeigen auch dabei, Konsulate oder Familienangehörige zu informieren oder beispielsweise Bankkarten zu sperren.
Sowohl Formulare als auch Informationsbroschüren liegen in mehreren Sprachen aus. Denn die wichtigste Aufgabe der Beamten ist neben der Aufnahme von Anzeigen die Vorbeugung. „Wir verteilen schon am Flughafen Flyer unter den Neuankömmlingen, in denen die wichtigsten Tipps zusammengefasst sind“, sagt der Be- amte. Dazu zählt zum Beispiel, immer ein Licht eingeschaltet zu lassen, wenn man abends das Ferienhaus verlässt. Oder Wertsachen im Hotelsafe zu verwahren und am Strand darauf zu achten, sein Hab und Gut immer im Blick zu haben.
„Dort, wo viele Urlauber sind, sind automatisch auch viele Kriminelle. Das ist leider so“, sagt der Beamte. Immerhin sind die Diebe hier meist nicht gewalttätig. Und in der Provinz Alicante ist die Zahl der Delikte im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent zurückgegangen und die zwölf Agenten in Finestrat sind stolz auf ihre hohe Aufklärungsrate. Trotzdem gehört die Provinz Alicante in GuardiaCivil-Kreisen zu den arbeitsintensivsten in ganz Spanien, nicht umsonst wird die Belegschaft seit dem 1. Juli und bis September von 40 zukünftigen Agenten verstärkt, die ihren Praxisteil in Alicante absolvieren. Sie sind vor allem in den beliebtesten Urlauberstädten wie Torrevieja, Jávea und Santa Pola
im Einsatz. Und in Altea verstärkt ein französischer Gendarme im Rahmen eines Polizei-Austauschprogramms die Kollegen.
Schließlich wissen die Diebe, wo die fetteste Beute zu machen ist. „Es handelt sich oft um gutorganisierte Banden, die den Touristen regelrecht hinterherreisen“, weiß der Beamte. Während der „Operación del Estrecho“positionieren sich die Kriminellen vorwiegend an den Autobahnen, um Nordafrikaner auszurauben, die auf dem Weg in ihre Heimatländer sind. Im Juli und August schlagen sie in den Küstenorten zu, ab September reisen sie weiter in die großen Städte. „Beliebte Opfer sind allen voran Senioren und Engländer. Wir haben das Gefühl, das letztere oft sehr gutgläubig und vertrauensvoll sind“, berichtet der Agent.
Dabei weiß die Guardia Civil längst, wie die Diebe vorgehen. Da wäre zum Beispiel die sogenannte Umarm-Technik: „Dabei fragt jemand in einer scheinbaren Notsituation nach dem Weg, zum Beispiel zur nächsten Apotheke. Hat sein Opfer erklärt, wo es lang geht, bedankt sich der Dieb mit einer überschwänglichen Umarmung und stiehlt dabei unbemerkt die Geldbörse oder die Tasche“, beschreibt der Agent.
Erinnerung an die Omi
Besonders ältere Leute werden oft mit dem Familien-Trick reingelegt. Dabei geht ein junger Mensch freudestrahlend auf eine ältere Person zu, die zum Beispiel im Rollstuhl sitzt und erklärt dieser ganz gerührt, dass sie ihn stark an seine liebe Omi erinnert. Unter scheinbar freundlichen Berührungen am Arm ist schnell beispielsweise die Uhr verschwunden.
„Immer wieder beliebt ist auch die Methode, bei der die Verbrecher Autos anhalten und sich als Polizisten ausgeben. Sie halten irgendeinen Ausweis hoch und nutzen den Vorteil, dass ausländische Touristen meist nicht wissen, wie spanische Beamten und deren Plaketten aussehen“, sagt der Agent. Der angebliche Polizist verlangt nach Fahrzeugpapieren und Führerschein, viele händigen ihm dabei gleich das ganze Portemonnaie aus, mit dem der Räuber sich dann davonmacht.
Grundsätzlich schlagen Diebe bevorzugt an belebten Orten zu, unter anderem auch in Einkaufszentren oder großen Supermärkten. Deshalb der Tipp des Beamten: „Niemals Handtaschen an den Einkaufswagen hängen und im Gedränge darauf achten, dass man nicht angerempelt wird.“Erst kürzlich konnte die Polizei in Finestrat zwei Frauen verhaften, die immer wieder in ein und demselben Supermarkt zugeschlagen hatten. „Anhand der Aufnahmen der Überwachungskameras konnten wir die Diebinnen identifizieren und überführen“, berichtet der Guardia-Civil-Agent.
Grundsätzlich erleichtern Kameras den Beamten ihre Arbeit ungemein. „An jedem Bankautomaten werden die Kunden mittlerweile gefilmt. Nutzt jemand eine gestohlene Karte, haben wir den Täter auf Band, oft handelt es sich um alte Bekannte, die wir sofort aufspüren können“, sagt der Beamte. Doch ebenso sind die neuen Technologien auch ein Fluch für die Polizeiarbeit, immer häufiger hat es die Guardia Civil – auch gerade im Tourismusbereich – mit Straftaten aus der Informatik zu tun.
„Bei der Ferienvermietung kommt es häufig vor, dass der Kunde eine Wohnung online gebucht hat und bei seiner Ankunft feststellt, dass es das Apartment entweder überhaupt nicht gibt oder dass die Beschreibung im Internet eine völlig andere war als die Realität“, sagt der Beamte.
Geld nie angekommen
Und selbst große Buchungsportale sind vor Betrügern nicht sicher: So könnten sich Hacker während des Reservierungsvorgangs einklinken und das Geld, das der Kunde angeblich dem Hotel bezahlt, abfangen und auf ein völlig anderes Konto umleiten. „Der Urlauber merkt das erst, wenn er an der Rezeption steht und das Personal ihn darauf hinweist, dass keine Bezah- lung beim Hotel eingegangen ist“, sagt der Agent.
Und dann gibt es noch ganz besonders findige Betrüger, die auf Geld von der Versicherung hoffen. Dann behauptet der Urlauber etwa steif und fest, ihm sei Schmuck im Wert von 100.000 Euro am Strand gestohlen worden. Oder die Polizeibeamten eilen zu einem Wohnungseinbruch, bei dem die Diebe die Fensterscheiben wundersamerweise von innen nach außen eingeschlagen haben.