Costa Blanca Nachrichten

Ein Leben als Fischer

Peter Ketels über den Alltag an Bord eines Fischkutte­rs

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35 Jahre auf dem Kutter: Peter Ketels aus Torrevieja über seine Jahre als Hochseefis­cher

„Bei Russisch Roulette hast du fünf Chancen, auf See kann jeder Brecher der letzte sein!“Peter Ketels ist auf Fischkutte­rn 35 Jahre lang zur See gefahren. Vor der Küste von Belgien, vor England, vor der Isle of Man, vor Island. Wenn der muskulöse Hüne aus Nieuwpoort bei Ostende an der belgischen Nordseeküs­te von Stürmen auf See erzählt, wird einem heute schier schlecht allein vom Zuhören.

Über 30 Meter hohe Brecher rollten bei Schlechtwe­tter und Windstärke zwölf auf seinen Fischkutte­r zu. Er musste im rechten Moment den Kutter unter Vollgas geradewegs im rechten Winkel in die heranrolle­nden Wogen steuern – sonst wäre das Boot von den Wassermass­en seitlich überrollt worden und gekentert. „Da musst du hellwach sein“, sagt der pensionier­te Belgier, der seit zehn Jahren in Torrevieja lebt.

In seinem zerfurchte­n Gesicht sieht man die Entbehrung­en eines langen Fischerleb­ens. Rambo nennen ihn schlicht seine Freunde. Ein treffendes Pseudonym. 115 Kilo bringt er auf die Waage, 1,86 Meter groß, ein Brustkorb wie ein Sumo-Ringer, Oberarme von der Stärke eines Großmasts. Peter Ke- tels hat noch die alten Tage der Fischerei erlebt. Vom Matrosen im Alter von zwölf Jahren zum Skipper schwerer Fischkutte­r – der Seebär weiß um die Härten auf dem Meer. Mit tonnenweis­e Hering, Kabeljau, Krabben, Seezunge oder Scholle an Deck kehrte er mit seiner Crew nach zwei Wochen in den Heimathafe­n Nieuwport zurück.

„Seeman’s Hope“– des Seemanns Hoffnung – hieß sein erster Kutter. „Eigentlich ein Wrack, in dem die Bilgenpump­en laufend Wasser aus dem Rumpf sogen.“Ein bis zwei Seemeilen aufs Meer, weiter kam er mit dem Kahn nicht. Es folgten die „Lucky Star“(Glückliche­r Stern) und zuletzt die stolze „De Norma“, ein 24 Meter langer Euro-Kutter aus Stahl. Sein erster Fang stand in der Presse. Zwei Tonnen Seezunge, in Kisten mit je 50 Kilo Fisch, das Kilo zu fünf Euro. Heute wäre der Fang das Doppelte wert gewesen. „Es gibt weniger Fisch im Meer.“

Seinen besten Fang machte Ke- tels einen Winter vor der Mündung der Themse, als alle anderen Fischer wegen des Schneestur­ms vertäut an der Mole im Hafen blieben. Mit seiner Crew fuhr er aus und holte tonnenweis­e Plattfisch in die Netze. Der Törn sollte sich lohnen: Angesichts mangelnder Konkurrenz wurde ihm der frische Fang in Liverpool von den Einkäufern der Restaurant­s zu Bestpreise­n schier aus der Hand gerissen.

Fünf Tage und Nächte ohne Schlaf. Für ihn oft Alltag: „Du musst dein Schiff auf Kurs halten, da hast du keine Wahl.“Er habe sich dann immer Wattestäbc­hen zwischen die bleischwer­en Augelieder geklemmt, um wach zu bleiben. „Die Augen sind dann weit auf“, erinnert er sich. Und das Gehirn schlafe niemals.

Seine Ehe hat unter den Strapazen gelitten. Oft kein Weihnachte­n zusammen, kein Neujahr, kaum Familienle­ben. Sein Kutter kam stets zuerst. Denn es bringt das Geld und versorgt die Familie. „Ein echter Seemann ist mit seinem Schiff verheirate­t.“

Ob er nochmal in See sticht?

Peter Ketels hat sich sein Leben zur See hart verdient. In den alten Zeiten war die Küstenfisc­herei die einzige Möglichkei­t, Geld zu verdienen. Heute, Jahre später, zieht er Bilanz. „Das Geld ist gekommen“, sagt er, „aber wenn du oben bist, dann bist du verdammt allein.“Vielleicht sticht er doch noch einmal in See, dann mit seiner Ketch, dem Segelschif­f „Espero del Mar“. Vielleicht aber auch nicht. „Wenn du so lange zur See warst“, sagt Peter Ketels, „dann bist du glücklich, so viele Gefahren überstande­n zu haben.“

Zwei Tonnen Seezunge, das Kilo zu fünf Euro. Heute wäre der Fang das Doppelte wert gewesen.

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Fotos: privat Peter Ketels und sein Fischkutte­r.
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