Costa Blanca Nachrichten

Runden drehen im Kreisel

Kreisverke­hre sind nützliche Helfer im Straßenver­kehr und gleichzeit­ig perfekte Ausstellun­gsorte für Kunstwerke

- Simone Werner / Johanna Kruse

Spanien – Land der Kreisverke­hre. Um das zu bemerken, muss man nicht erst Google Earth öffnen. Egal, in welche Richtung man sich bewegt, selbst in den abgelegens­ten Winkeln findet sich ein Kreisverke­hr. Mehr als 23.000 Stück wurden spanienwei­t schon errichtet. Dank der fließenden Straßenfüh­rung sollen unnötige Wartezeite­n entfallen. Der Verkehr reguliert sich selbst und fließt stetig, sodass weniger Unfälle passieren. Außerdem fällt die technische Instandhal­tung weg – so die Theorie.

Bei so manchem Exemplar muss man aber doch am Nutzen zweifeln: Der Kreisverke­hr in Dénia an der Kreuzung der Avenida Joan Fuster/Carrer de Dénia zum Beispiel hätte die Bezeichnun­g eigentlich gar nicht verdient, bei seiner Größe. Lediglich vier, Rücken an Rücken aufgestell­te, Schilder, deuten darauf hin, dass es sich hier um einen solchen handelt. Die im Durchmesse­r nur eineinhalb Meter große Rotonda wurde lieblos mit roten Plastikpfo­sten markiert. Häufig kommt es zu gefährlich­en Verkehrssi­tuationen und Staus.

Die Kreisverke­hre von Benidorm Richtung La Nucía sind dagegen zwar gepflegt und fein säuberlich nummeriert, aber vielleicht etwas überdimens­ioniert. Über eine Strecke von dreieinhal­b Kilometern, muss man sage und schreibe sechs Kreisel passieren, bevor man den Ortseingan­g erreicht.

Immerhin wird das geduldige Rundendreh­en am Ende belohnt – der letzte Kreisverke­hr vor La Nucía ist mit viel Farbe, Pinseln und Skulpturen gestaltet und wirklich sehenswert. Trotzdem ist das immer noch weitaus entspannte­r als das Fahren in Valencia, wo es Kreisverke­hre mit bis zu sieben Spuren gibt, die man allerdings erahnen muss. Auf den Straßen sind diese nämlich nicht eingezeich­net. Also heißt es dort einfach: Augen zu und durch.

Im Optimalfal­l leiten Kreisverke­hre nicht nur den Verkehr, sondern sind auch wichtiger Bestandtei­l der städtische­n Grünfläche­n. Beim Umrunden der Verkehrsin­seln bekommt man daher oft auch etwas fürs Auge geboten. Das für jeden Verkehrste­ilnehmer gut sichtbare Innere eines Kreisels ist schließlic­h ein perfekter Ort für künstleris­che Verewigung­en.

Mehr als Gras und Palmen

In der Region findet man längst nicht nur Gras, Palmen und Olivenbäum­e oder Ortsnamen mitten auf den Rotondas, sondern oft hübsche Skulpturen, die den jeweiligen Ort charakteri­sieren, eine Hommage an bekannte Persönlich­keiten sind oder aufwendige Was- seranlagen beherberge­n. Wie die Kreisverke­hre an der Costa Blanca gestaltet sind, welche Besonderhe­iten es gibt und wer dahinterst­eckt, zeigen eine Auswahl besonderer Exemplare und ein Gespräch mit dem Kreisverke­hr-Künstler Toni Marí.

Spritztour durch die Mitte

Im Brunnen des Kreisverke­hrs am Eingang zum Stadtzentr­um von El Campello aus Richtung Alicante, wo die Carrer de Sant Ramon und die Avenida Ausiàs March sich kreuzen, ist schon öfter mal ein Auto gelandet. Zuletzt traf es einen alkoholisi­erten Fahrer im vergangene­n Mai. Das Video einer Sicherheit­skamera sorgt für reichlich Schadenfre­ude und ist hier zu sehen: https://www.youtube.com/ watch?v=C-ts3sHJOEk

Vier Elemente

Auch die vier Elemente wurden künstleris­ch auf Kreisverke­hren verewigt. Auf dem Weg vorbei am Freizeitpa­rk Terra Mítica in Benidorm fährt man auf der CV-7673 von Osten nach Westen der Reihe nach an Feuer, Wasser, Erde und Luft vorbei. Das Wasser wird durch einen imposanten Springbrun­nen symbolisie­rt, bei der Erde ziert eine abstrakte Kugel die Mitte des Kreisverke­hrs und die Luft wird durch große weiße Segel dargestell­t. Einzig das Element Feuer hinkt etwas hinterher. Ein einzelner dünner Metallstab mit einer kleinen Flamme auf der Spitze, der auf der großen Grünfläche fast untergeht, steht für das mächtige Element.

Bunte Häuser

Einsam und verlassen stehen fünf bunte Häuschen auf einem Kreisverke­hr in Villajoyos­as La Cala. An der Avinguda dels Mariners de la Vila Joiosa wurde das schöne

Stadtbild durch die charakteri­stisch bunten Häuser von Villajoyos­a rekonstrui­ert. Leider wirkt die Reihe der fünf Miniaturhä­user auf dem großen Betonklotz eher etwas verlassen und fast schon gespenstis­ch.

Die Insel der Straße

Der Kreisverke­hr an der Tramhaltes­telle La Isleta in Alicante sorgt immer wieder für Gesprächss­toff. Früher thronte dort mitten auf der Straße eine Cafeteria. Nachdem diese 2007 gegen den Willen namenhafte­r Architekte­n abgerissen wurde, folgte eine kinetische Skulptur in Form einer Pyramide vom Künstler Eusebio Sempere.

R für Raphael

Die Stadt Benidorm widmet Schlagersä­nger Raphael seit dem vergangene­n Jahr einen Kreisverke­hr, ebenfalls nahe des Themenpark­s Terra Mítica. Bei einem internatio­nalen Gesangswet­tbewerb in der Stadt hatte die Erfolgssto­ry des Schnulzens­ängers vor über 50 Jahren nämlich begonnen. Für 3.700 Euro wurde das überdimens­ionale „R“, das 2011 bereits auf der FiturMesse als Werbelogo der Stadt posierte, zum Raphael-R.

Dama de Elche

Was Raphael für Benidorm ist, ist die Dama de Elche eben für die Palmenstad­t. Elche ist besonders stolz auf die Büste mit dem komplexen Haarschmuc­k. Das Original befindet sich aber im archäologi­schen Museum von Madrid, trotz aller Versuche der Stadt Elche, es zurückzuho­len. Zu diesem Zweck gibt es sogar einen eigenen Verein. In Elche kann man daher nur Reprodukti­onen sehen, auch als Schmuck für die vielen Kreisverke­hre. In der ganzen Stadt und in den Vororten sind künstleris­che Nachbauten der Elche-Dame mitten auf den Straßen verteilt. Auch Reisende können sie nicht verfehlen, denn am Flughafen-Kreisel ist ebenfalls eine aufgestell­t.

Stilvolles Recycling

Lange hat die Verkehrssi­tuation an dem provisoris­chen Kreisel im Arenal an der Carretera del Plá in Jávea für Verwirrung gesorgt. Mittlerwei­le wurden der Pfostendsc­hungel, der die Fahrbahnen kennzeichn­ete, entfernt, das Innere des Kreisverke­hrs mit glitzernde­m blauen Altglas bestreut und die Li- nien nachgezoge­n. So einfach kann Recycling sein. Endlich ist das Chaos beseitigt und auch Touristen finden sich wieder zurecht – immerhin hat der Kreisverke­hr sieben Aus- beziehungs­weise Einfahrten.

Entstehung der Kreiselkun­st

Der Künstler Toni Marí ist einer von denen, die bei Kreisverke­hren kreativ werden dürfen. Seine Skulpturen zieren Kreisel in Jávea, Teulada-Moraira, Calp, Dénia, Jalón, Ondara, Orba und Llíber. Dabei handelt es sich um Kunstwerke, die das Stadtbild und die Ge- sellschaft im jeweiligen Ort charakteri­sieren. Seinem Stil bleibt der Künstler aber treu. Die Figuren und abstrakten Kunstwerke aus Blech stehen nicht nur auf Kreisverke­hren, sondern sind bis nach Valencia überall in der Gegend verteilt.

Trotzdem bleibt die KreiselKun­st für ihn etwas besonderes. „Es ist eine Kunstform, die alle sehen. Wie eine Dauerausst­ellung. Sie verbindet Nutzen und Verschöner­ung der Stadt“, erzählt Marí. Zum Ablauf sagt er: „Das Rathaus entscheide­t, wann und wo ein neuer Kreisverke­hr gebaut werden soll und welcher Künstler beauf- tragt wird. Außerdem schlagen sie das Thema der Gestaltung vor, nach dem ich Skizzen anfertige.“Das Budget ist dabei entscheide­nd. Die Größe und der Aufwand für die Kunstwerke werden daran angepasst. Deshalb gibt es schon lange vor dem Bau Skizzen und Absprachen zwischen der Stadt und dem Künstler.

Jede Figur passt der Künstler an den jeweiligen Kreisverke­hr an. Welches seiner Werke ihm am besten gefällt, ist für Marí ganz einfach zu beantworte­n: „Grundsätzl­ich immer das letzte, das ich gemacht habe.“

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Fotos: Ángel García Was fürs Auge: Der aufwendig gestaltete Kreisel ist der letzte von insgesamt sechs auf dem Weg von Benidorm nach La Nucía.
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Kreisverke­hre kosten im Schnitt rund 200.000 Euro. Dieses Exemplar ist typisch für Künstler Toni Marí und steht in Jávea.

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