Runden drehen im Kreisel
Kreisverkehre sind nützliche Helfer im Straßenverkehr und gleichzeitig perfekte Ausstellungsorte für Kunstwerke
Spanien – Land der Kreisverkehre. Um das zu bemerken, muss man nicht erst Google Earth öffnen. Egal, in welche Richtung man sich bewegt, selbst in den abgelegensten Winkeln findet sich ein Kreisverkehr. Mehr als 23.000 Stück wurden spanienweit schon errichtet. Dank der fließenden Straßenführung sollen unnötige Wartezeiten entfallen. Der Verkehr reguliert sich selbst und fließt stetig, sodass weniger Unfälle passieren. Außerdem fällt die technische Instandhaltung weg – so die Theorie.
Bei so manchem Exemplar muss man aber doch am Nutzen zweifeln: Der Kreisverkehr in Dénia an der Kreuzung der Avenida Joan Fuster/Carrer de Dénia zum Beispiel hätte die Bezeichnung eigentlich gar nicht verdient, bei seiner Größe. Lediglich vier, Rücken an Rücken aufgestellte, Schilder, deuten darauf hin, dass es sich hier um einen solchen handelt. Die im Durchmesser nur eineinhalb Meter große Rotonda wurde lieblos mit roten Plastikpfosten markiert. Häufig kommt es zu gefährlichen Verkehrssituationen und Staus.
Die Kreisverkehre von Benidorm Richtung La Nucía sind dagegen zwar gepflegt und fein säuberlich nummeriert, aber vielleicht etwas überdimensioniert. Über eine Strecke von dreieinhalb Kilometern, muss man sage und schreibe sechs Kreisel passieren, bevor man den Ortseingang erreicht.
Immerhin wird das geduldige Rundendrehen am Ende belohnt – der letzte Kreisverkehr vor La Nucía ist mit viel Farbe, Pinseln und Skulpturen gestaltet und wirklich sehenswert. Trotzdem ist das immer noch weitaus entspannter als das Fahren in Valencia, wo es Kreisverkehre mit bis zu sieben Spuren gibt, die man allerdings erahnen muss. Auf den Straßen sind diese nämlich nicht eingezeichnet. Also heißt es dort einfach: Augen zu und durch.
Im Optimalfall leiten Kreisverkehre nicht nur den Verkehr, sondern sind auch wichtiger Bestandteil der städtischen Grünflächen. Beim Umrunden der Verkehrsinseln bekommt man daher oft auch etwas fürs Auge geboten. Das für jeden Verkehrsteilnehmer gut sichtbare Innere eines Kreisels ist schließlich ein perfekter Ort für künstlerische Verewigungen.
Mehr als Gras und Palmen
In der Region findet man längst nicht nur Gras, Palmen und Olivenbäume oder Ortsnamen mitten auf den Rotondas, sondern oft hübsche Skulpturen, die den jeweiligen Ort charakterisieren, eine Hommage an bekannte Persönlichkeiten sind oder aufwendige Was- seranlagen beherbergen. Wie die Kreisverkehre an der Costa Blanca gestaltet sind, welche Besonderheiten es gibt und wer dahintersteckt, zeigen eine Auswahl besonderer Exemplare und ein Gespräch mit dem Kreisverkehr-Künstler Toni Marí.
Spritztour durch die Mitte
Im Brunnen des Kreisverkehrs am Eingang zum Stadtzentrum von El Campello aus Richtung Alicante, wo die Carrer de Sant Ramon und die Avenida Ausiàs March sich kreuzen, ist schon öfter mal ein Auto gelandet. Zuletzt traf es einen alkoholisierten Fahrer im vergangenen Mai. Das Video einer Sicherheitskamera sorgt für reichlich Schadenfreude und ist hier zu sehen: https://www.youtube.com/ watch?v=C-ts3sHJOEk
Vier Elemente
Auch die vier Elemente wurden künstlerisch auf Kreisverkehren verewigt. Auf dem Weg vorbei am Freizeitpark Terra Mítica in Benidorm fährt man auf der CV-7673 von Osten nach Westen der Reihe nach an Feuer, Wasser, Erde und Luft vorbei. Das Wasser wird durch einen imposanten Springbrunnen symbolisiert, bei der Erde ziert eine abstrakte Kugel die Mitte des Kreisverkehrs und die Luft wird durch große weiße Segel dargestellt. Einzig das Element Feuer hinkt etwas hinterher. Ein einzelner dünner Metallstab mit einer kleinen Flamme auf der Spitze, der auf der großen Grünfläche fast untergeht, steht für das mächtige Element.
Bunte Häuser
Einsam und verlassen stehen fünf bunte Häuschen auf einem Kreisverkehr in Villajoyosas La Cala. An der Avinguda dels Mariners de la Vila Joiosa wurde das schöne
Stadtbild durch die charakteristisch bunten Häuser von Villajoyosa rekonstruiert. Leider wirkt die Reihe der fünf Miniaturhäuser auf dem großen Betonklotz eher etwas verlassen und fast schon gespenstisch.
Die Insel der Straße
Der Kreisverkehr an der Tramhaltestelle La Isleta in Alicante sorgt immer wieder für Gesprächsstoff. Früher thronte dort mitten auf der Straße eine Cafeteria. Nachdem diese 2007 gegen den Willen namenhafter Architekten abgerissen wurde, folgte eine kinetische Skulptur in Form einer Pyramide vom Künstler Eusebio Sempere.
R für Raphael
Die Stadt Benidorm widmet Schlagersänger Raphael seit dem vergangenen Jahr einen Kreisverkehr, ebenfalls nahe des Themenparks Terra Mítica. Bei einem internationalen Gesangswettbewerb in der Stadt hatte die Erfolgsstory des Schnulzensängers vor über 50 Jahren nämlich begonnen. Für 3.700 Euro wurde das überdimensionale „R“, das 2011 bereits auf der FiturMesse als Werbelogo der Stadt posierte, zum Raphael-R.
Dama de Elche
Was Raphael für Benidorm ist, ist die Dama de Elche eben für die Palmenstadt. Elche ist besonders stolz auf die Büste mit dem komplexen Haarschmuck. Das Original befindet sich aber im archäologischen Museum von Madrid, trotz aller Versuche der Stadt Elche, es zurückzuholen. Zu diesem Zweck gibt es sogar einen eigenen Verein. In Elche kann man daher nur Reproduktionen sehen, auch als Schmuck für die vielen Kreisverkehre. In der ganzen Stadt und in den Vororten sind künstlerische Nachbauten der Elche-Dame mitten auf den Straßen verteilt. Auch Reisende können sie nicht verfehlen, denn am Flughafen-Kreisel ist ebenfalls eine aufgestellt.
Stilvolles Recycling
Lange hat die Verkehrssituation an dem provisorischen Kreisel im Arenal an der Carretera del Plá in Jávea für Verwirrung gesorgt. Mittlerweile wurden der Pfostendschungel, der die Fahrbahnen kennzeichnete, entfernt, das Innere des Kreisverkehrs mit glitzerndem blauen Altglas bestreut und die Li- nien nachgezogen. So einfach kann Recycling sein. Endlich ist das Chaos beseitigt und auch Touristen finden sich wieder zurecht – immerhin hat der Kreisverkehr sieben Aus- beziehungsweise Einfahrten.
Entstehung der Kreiselkunst
Der Künstler Toni Marí ist einer von denen, die bei Kreisverkehren kreativ werden dürfen. Seine Skulpturen zieren Kreisel in Jávea, Teulada-Moraira, Calp, Dénia, Jalón, Ondara, Orba und Llíber. Dabei handelt es sich um Kunstwerke, die das Stadtbild und die Ge- sellschaft im jeweiligen Ort charakterisieren. Seinem Stil bleibt der Künstler aber treu. Die Figuren und abstrakten Kunstwerke aus Blech stehen nicht nur auf Kreisverkehren, sondern sind bis nach Valencia überall in der Gegend verteilt.
Trotzdem bleibt die KreiselKunst für ihn etwas besonderes. „Es ist eine Kunstform, die alle sehen. Wie eine Dauerausstellung. Sie verbindet Nutzen und Verschönerung der Stadt“, erzählt Marí. Zum Ablauf sagt er: „Das Rathaus entscheidet, wann und wo ein neuer Kreisverkehr gebaut werden soll und welcher Künstler beauf- tragt wird. Außerdem schlagen sie das Thema der Gestaltung vor, nach dem ich Skizzen anfertige.“Das Budget ist dabei entscheidend. Die Größe und der Aufwand für die Kunstwerke werden daran angepasst. Deshalb gibt es schon lange vor dem Bau Skizzen und Absprachen zwischen der Stadt und dem Künstler.
Jede Figur passt der Künstler an den jeweiligen Kreisverkehr an. Welches seiner Werke ihm am besten gefällt, ist für Marí ganz einfach zu beantworten: „Grundsätzlich immer das letzte, das ich gemacht habe.“