Costa Blanca Nachrichten

Die Ponys sind los

Eine fast wahre Geschichte von Alois Veith zwischen Emotion und Realität

- Alois Veith Xeraco

Da – ich hörte es sofort, da waren sie wieder, die Ponys aus den Orangenpla­ntagen. Und es war wie immer, genau 8 Uhr morgens. Die große, runde Sonne war gerade leuchtend rot über dem Meer aufgegange­n.

Ihr wisst ja, ich habe da ein Penthouse in Spanien am Meer, Costa del Azahar heißt dieser fantastisc­he Küstenabsc­hnitt. Ein Penthouse ist so eine Wohnung ganz oben, mit einem riesigen Dachgarten, so richtig mit Blumen, Bäumen und Rasen, oben auf dem Dach des Hauses.

Und diese Wohnung liegt direkt am Meer, am kilometerl­angen Sandstrand, nur die Dünen liegen zwischen dem Penthouse und dem Meer. Da stand ich also, oben auf dem Dachgarten, und konnte rechts die dunklen, riesigen Berge des Safor-Gebirges sehen, die wie eine Kette aussahen, deshalb sagt man wohl auch Bergkette dazu. Und links war dann das weite Meer, „Mar Mediterrán­eo“, das ist Spanisch und heißt Mittelmeer, weil es mitten zwischen Afrika, Asien und Europa liegt.

Manchmal sind die Wellen des Meeres meterhoch und brechen mit riesigem Getöse, wenn sie aufs Land klatschen und den ganzen Strand überschwem­men. Meistens aber ist das Meer ganz ruhig und ganz flach, dann kann man auch weit ins Wasser hineinlauf­en und es geht einem immer noch nur bis ans Knie. Natürlich kann man dann auch toll schwimmen, Boot fahren, schnorchel­n oder auch einfach faul am Strand liegen und sich die Sonne auf den Pelz scheinen lassen.

Das Pferdegetr­appel kommt jetzt näher. „Hüha, hüha“, höre ich schon den Alten mit dem großen Sombrero rufen. Sombrero – das ist ein Hut mit einem riesigen Rand, der schützt vor der Sonne und ist meistens aus Stroh. Er wird vor allem in Spanien und Südamerika getragen, deshalb sieht man ihn auch in Deutschlan­d seltener. Das Gesicht von dem Alten ist sonnenverb­rannt und sieht immer ein wenig schmutzig aus, fast so wie wenn wir uns bei der Arbeit dreckig machen, aber das kann man ja wieder abwaschen. Bei dem Mann aber nicht, der sieht im- mer so aus.

Aha – da sind sie ja, die Ponys. Zwei ziehen jeweils einen großen zweirädrig­en Holzkarren und hinten angebunden sind nochmals zwei Ponys. Also zusammen vier Pferde. Ich sehe die großen braunen, ein wenig traurigen Augen der Ponys, und das eine wiehert jetzt ziemlich ängstlich, denn die Ponys wissen, jetzt geht es in die Sanddünen mit dem schweren Karren, dem Alten und noch drei dicken Lkw-Reifen, die hinten am Karren festgemach­t sind und durch den Sand schleifen. Und das alles sollen die Ponys nun ziehen, die Dünen hoch, durch den Sand. Ist doch gemein, oder?

Jetzt nehmen die Ponys Anlauf, um die Dünen hochzukomm­en. Der Alte brüllt wieder – hüha, hüha – und schwingt einen großen Stock wie eine Peitsche. Doch sie schaffen es nicht. Wild brüllt der Alte, und dann schlägt er mit dem großen Stock auf das Hinterteil der Ponys und die bäumen sich auf und ziehen wie verrückt, dabei wiehern sie ganz laut, so als ob sie weinen. Jetzt knickt ein Pony sogar mit den Vorderbein­en ein und es sieht aus, als ob es richtig auf die Schnauze fällt, ich glaube, beim Pferd heißt das Maul.

Mir reicht’s. Oben von meinem Dachgarten aus brülle ich: „Hey! Wenn du alter Sack nochmal die Pferde schlägst, komme ich runter und dann kriegst du von mir was auf den Arsch!“Hat der natürlich nicht verstanden, das mit dem Hintern heißt ja auf Spanisch auch ganz anders – „culo“oder so.

War mir auch egal. Wie gesagt, der Alte verstand mich nicht, also sauste ich runter, holte schon von weitem aus und trat ihm mit aller Kraft in den Hintern, dass es nur so krachte. Aber das Krachen kam von meinen Zehen, denn ich hatte in der Eile und meiner Wut vergessen, Schuhe anzuziehen. Das tat natürlich höllisch weh, aber was soll’s, der Alte hatte jedenfalls sein Fett weg. Und bevor der so richtig merkte, was los war, habe ich alle Ponys von den Lederrieme­n losgebunde­n, bei den Pferden heißt das Geschirr, ihnen einen Klaps auf das Hinterteil gegeben, so das sie ganz leicht ohne Karren und Reifen über die Dünen ans Meer galoppiere­n konnten.

War das eine Freude, die Ponys wieherten fröhlich, die Leute am Strand staunten, klatschten in die Hände und freuten sich. Die Ponys trabten bis ins Meer, dass es nur so spritzte, wieherten, badeten und spielten wie verrückt im Wasser. Dabei neckten sie die Kinder, die vor Freude laut kreischten.

Ganz zutraulich waren sie und die großen Augen der Ponys und auch der Kinder leuchteten und alle waren glücklich. Doch jetzt kam der Alte wild fluchend angehumpel­t und brüllte mich an, was ich mir einbildete, das sind meine Ponys, ich hole die Polizei, Gefängnis und noch viele andere schlimme Worte. Ich lachte ihn nur an, denn ich hatte prima Laune, genauso wie die Ponys und die vielen Menschen am Strand.

Mittlerwei­le hatte sich der Alte auch beruhigt und fing seine Pferde wieder ein. Die Ponys waren jetzt ganz brav und zutraulich. Der Alte streichelt­e sie und sprach mit ihnen. Ich war ganz platt und erstaunt und dachte: „Na so was – das gibt es doch nicht, eben schlägt er die Ponys noch und jetzt streichelt er sie!“Und die Ponys mögen ihn, das konnte man sehen, denn sie schauten ihn ganz lieb an und kuschelten sich ganz nahe an ihn.

Viel später, als der Alte nicht mehr so wütend auf mich war, erzählte er mir, dass die Ponys lernen mussten zu ziehen, und dass sie durch diese Übung am Strand ganz starke Muskeln bekämen, wenn sie dann groß sind. Der Alte hatte sie also nicht gequält, sondern nur trainiert – fast so, wie beim Fußball, Tennis oder 100Meter-Lauf, dafür muss man ja auch trainieren. Na ja, es ist nicht ganz dasselbe, denn da ist es Spaß, meistens jedenfalls, für die Ponys aber ist es harte Arbeit, denke ich.

Ich entschuldi­gte mich dann auch beim Alten. Ihr wisst ja, wegen des Trittes in den Hintern, und der Alte war auch nicht mehr böse, und ich durfte beim nächsten Mal mit auf die Karre. Machte mir aber keine große Freude, zu sehen, wie die Pferde ackern mussten. Doch jetzt wusste ich, das war Training für die Ponys, damit sie groß und stark werden konnten, für die harte Arbeit in den Orangenpla­ntagen.

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