Raubtiere einmal ganz nah
Neue Führungen mit Fütterungen von Löwen und Krokodilen im Río Safari Elche – Grünes Licht zur Aufzucht von Orang-Utans
Mit einem tiefen Grollen kündigen sich die Löwen an. Metalltüren klappern, die Pforte öffnet sich, da traben vier weiße Löwen mit erhobenem Haupt in den Käfig und stürzen sich auf kiloweise Fleisch. Als Besucher steht man auf Armeslänge von den Raubkatzen entfernt, nur getrennt durch ein Gitter. Man hört das Splittern der Knochen, als die muskulösen Tiere ihre Tagesportion verschlingen.
Es ist ein neues Programm, dass der deutschsprachige Tiertrainer Germán Alonso im Safaripark Río Safari von Elche anbietet. „Wer will, kann mir bei den Fütterungen der Löwen, der Krokodile und von Raubvögel wie Falken, Uhus und Bussarde über die Schulter gucken“, sagt Alonso, während er einen Hühnerschenkel an einer langen Zange über seinem Kopf an den Käfig hält. Einer der Löwen richtet sich übermannshoch auf, stützt seine riesigen Pranken an das Gitter, reißt sein Maul auf und verschlingt die Keule in einem Happen.
Weiße Löwen gibt es in Spanien nur in Elche zu bestaunen. „Wir haben die Löwen von klein auf großgezogen“, erklärt Alonso. Doch die Zeiten seien vorbei, als er im Käfig mit den Jungtieren toben konnte. Noch hören sie auf seine Stimme: Als zwei Löwen wild um die Rangordnung kämpfen und sich fauchend und grollend verknäulen, trennen sich die Raubkatzen auf seinen Ruf. „Aber wenn sie dir einen spielerischen Prankenpatzer verpassen, das würde dir den Kopf wegreißen“, weiß der Trainer. „Die würden dich kaputtspielen.“
Szenenwechsel. Bei den Raubvögeln ist die abendliche Fütterung angesagt. Besucher der individuellen Route „Behind the scenes“(Hinter den Kulissen) erhalten einen Lederhandschuh mit weiter Krempe über ihre linke Hand gestülpt. Germán Alonso legt einen Streifen Hühnerfleisch auf den Handschuh. „Streck deinen Arm ausgestreckt hoch“, weist er den Besucher an. Dann lässt der Tiertrainer einen Bussard fliegen.
Mit gellendem Schrei stürzt sich der Vogel im Sturzflug auf seine Beute. Prompt sitzt der kiloschwere Raubvogel auf dem Handschuh, verschlingt seinen Fleischhappen und schaut den Menschen mit wachen, durchdringendem Blick an. Auge in Auge mit dem Bussard – man könnte Gänsehaut kriegen, wenn da nicht schon der nächste Vogel, ein junger Uhu, anflattern würde.
Bei den Krokodilen geht es schwerfälliger zu. Die Riesenechsen treiben träge im Pool. Alonso hält ein ganzes Huhn an einer Stange ins Wasser. Langsam wälzt sich das Krokodil heran, öffnet sein Maul und klappt es zu – weg ist das Fleisch. „Krokodile können, einmal voll gefressen, Wochen ohne Nahrung auskommen“, erklärt Alonso. Im Río Safari Elche würden die Tiere etwa 30 Kilo Fleisch portionsweise verteilt über den ganzen Monat erhalten. „Im Winter kommen die Reptilien oft tagelang nicht aus ihrer Höhle.“
Es sind auch diese individuellen Führungen in Kleingruppen sowie das Schwimmen mit Seelöwen, die den Río Safari Elche auszeichnen. Nirgendwo sonst in Spanien und selten anderswo in Europa werden Besucher so eingebunden wie hier.
Abel Ibañez ist Geschäftsführer und Leiter des Tierparks, den seine Eltern vor über 30 Jahren gegründet haben. Der Tierliebhaber freut sich über neue Pläne. „Wir haben als einziger Tierpark in Europa grünes Licht erhalten, uns um die Aufzucht von Orang Utans aus Borneo zu kümmern“, sagt Ibáñez, der gerade Vater von Zwillingstöchtern geworden ist.
Im Rahmen des europäischen Programms für den Erhalt gefährdeter Arten (European Endangered Programm, EEP) werden noch dieses Jahr zwei Männchen und ein Weibchen in einem völlig neu gestalteten Gehege auf 350 Quadratmetern Fläche und 2.800 Kubikmetern Raum einziehen. Bis auf acht Meter Höhe hat der Park mittels Stämmen, Lianen und Plattformen das Gehege ausgebaut.