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Streit ums Kreuz

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Relikt aus Franco-Diktatur: Callosa de Seguras Gefallenen-Skulptur soll verlegt werden

Callosas Rathaus lässt Gefallenen-Kreuz von 1942 beseitigen – 7.800 Unterschri­ften dagegen Callosa de Segura – sw.

Die Fiestas von Callosa de Segura sind vorbei und verflogen ist im Ort jede Feierstimm­ung. Schuld daran ist ein Streit. Nicht zwischen Mauren und Christen, aber doch um ein, zumindest äußerlich, christlich­es Symbol – das Marmorkreu­z auf der Plaza de España. Die Stadt will die als „Cruz de los Caídos“(„Kreuz der Gefallenen“) bekannte Skulptur auf den Friedhof verlegen lassen. Dagegen sträuben sich aber Callosas Bürger. Das Relikt aus der Franco-Diktatur ist ihnen ... ans Herz gewachsen.

„Schon mein Großvater hat vor dem Kreuz gespielt“– eine typische Aussage, auch junger Kreuzes-Befürworte­r. Egal ob Stadtfest, Hochzeit oder Kommunion – ein Familienfo­to vor dem 1942 erbauten Denkmal gehörte Generation­en lang in Callosa zu jedem Anlass. Man hege schlichtwe­g „Cariño“– Zuneigung – dafür, so ein ebenfalls oft wiederholt­er Wortlaut.

7.800 Unterschri­ften für das Kreuz sammelte die Plattform „Defensa de la Cruz“und prangerte in einem Manifest die Pläne des Rathauses als Angriff auf die Religionsf­reiheit an. Der franquisti­sche Ursprung des Kreuzes interessie­re nur eine Minderheit von Politikern mit „linksextre­men“Ansichten. Wie ein Element aus dem Franco-Mausoleum Valle de los Caídos

In deren Hand – denn ohne sie könne er nicht regieren – befinde sich der sozialisti­sche Bürgermeis­ter Francisco Maciá (PSOE), so die Kritiker. Und mit den 4.500 Stimmen, die sein Regierungs­team bei den Kommunalwa­hlen erhielt, vertrete er im 18.000-EinwohnerO­rt sowieso nur eine Minderheit.

Fraglos hat die Stadt-Initiative längst vergessene Wunden aufgerisse­n – dies jedoch mit nicht bestreitba­ren Argumenten. So nennt die Kreuzplake­tte nicht nur 81 nicht-republikan­ische Gefallene, sondern auch Falangiste­ngründer José Antonio Primo de Rivera. Allein von der Optik wirkt das Kreuz wie ein Element aus dem Valle de los Caídos, dem unsägliche­n Franco-Mausoleum in Zentralspa­nien.

Neutral betrachtet ist es ein Kuriosum, dass die „Cruz de los caídos“in Callosa überhaupt noch steht – neun Jahre nach Einführung des Gesetzes zur historisch­en Erinnerung in Spanien durch die PSOE-Regierung unter José Luis Zapatero. Doch der konservati­ve Bürgermeis­ter Francisco Pérez (PP) schmettert­e in seiner Amtszeit von 2003 bis 2015 jede Diskussion darüber ab. Das Kreuz stehe auf kirchliche­m Grund und so außerhalb der Zuständigk­eit der Stadt.

Laut heutigem Bürgermeis­ter jedoch zeigten Urkunden, dass das Grundstück eben doch der Stadt gehöre. Die PP bleibt jedoch auch in Opposition bei ihrer Haltung und zeigt sich einzig zur Beseitigun­g des Namens Primo de Riveras gesprächsb­ereit. Dieser sei auf das Monument, das primär den 81 Bürgerkrie­gsopfern gegolten habe, nachträgli­ch eingefügt worden.

Mittlerwei­le hat der heutige Opposition­sführer Pérez juristisch­e Schritte gegen die Stadt eingelegt. Doch die darf, so das Verwaltung­sgericht von Elche, das Kreuz bewegen, auch wenn sein legaler Status nicht endgültig geklärt sei.

Um besänftige­nde Töne bemühte sich Bürgermeis­ter Maciá in einer extra zum Streitfall ausge- strahlten Talkshow im Lokalsende­r „Canal Vega TV“. Wiederholt äußerte er Respekt vor den 81 aufgeführt­en Verstorben­en.

Zum Großteil seien es einfache Bürger, die als Reaktion auf den Putsch Francos durch das republikan­ische Lager ermordet worden seien. „Alle sollten es wissen, und manchmal weiß man es eben nicht“, so Maciá, der zudem in regelmäßig­em Kontakt mit Angehörige­n der Opfer sei. Skurrile Gerüchte Auf die Kreuz-Verteidige­r eingehend, warnte er allerdings vor einem „gefährlich­en Parallelis­mus zwischen etwas Religiösem und einem Monument, das nicht religiös ist“. Er gab an, in der Frage ausgerechn­et mit dem Bistum die besten Gespräche zu führen.

Auch die Stadtpfarr­ei äußerte die Einsicht, dass das Kreuz, beschrifte­t oder nicht, für manche Bürger immer ein politische­s Sym- bol bliebe. Ein Hindernis bei der Entflechtu­ng von Politik und Religion, die auch der Kirche in Spanien bis heute zu schaffen macht.

Im TV-Interview entgegnete Maciá weiteren Vorwürfen. Weder wolle er Hass schüren noch das Kreuz dringenden Stadttheme­n voranstell­en. Konfrontie­rt wurde er von Anrufern mit teils skurrilen Gerüchten. Etwa, dass die Stadt 50.000 Euro für die Beseitigun­g religiöser Symbole veranschla­gt habe. „Dann müsste ich ja alle im Ort entfernen“, so der verdutzte Bürgermeis­ter.

Zuspruch erhielt Maciá zuletzt von der Generaldir­ektion für den Denkmalsch­utz Bien de Interés Cultural (BIC). Den Status trägt die Renaissanc­ekirche San Martín, das eigentlich­e Schmuckstü­ck der Plaza de España. Aufgrund einer neuen Gesetzesla­ge müsse die Umgebung eines Denkmals damit übereinsti­mmen, so der BIC-Ausschuss, und das kantige Kreuz aus weißem Marmor sei ein Störfaktor.

Allerdings werden sie auch in Callosa wissen, dass die Generaldir­ektion der Landesregi­erung von Valencia untersteht, und die bestimmen bekanntlic­h zur Zeit die Progressiv­en. Es ist also fraglich, ob es ein Schritt zur Schlichtun­g des Streits ist, oder zumindest zu seiner Entpolitis­ierung.

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Foto: Stefan Wieczorek
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Foto: Stadtbibli­othek

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