Zähne des Neandertalers
Archäologen finden in Torre Pacheco Teile eines Neandertaler-Gebisses – Die Fundstücke sind 65.000 bis 90.000 Jahre alt
Torre Pacheco – sg. Jeden Sommer graben sich die Archäologen tiefer in den Schacht der Ausgrabungsstätte Sima de las Palomas am Cabezo Gordo bei Torre Pacheco hinein. Diesmal legte eine Gruppe von 20 Forschern in einer Tiefe von fast fünf Metern zwei Zähne frei, die aus dem Gebiss eines Neandertalers stammen und zwischen 65.000 bis 90.000 Jahre alt sind.
An gleicher felsiger Stelle fanden die Wissenschaftler eine Vielzahl an tierischen Überresten von Schildkröten, Hasen, Pferden und Hirschen. Tausende von kleinen zerteilten Stücken sowie Werkzeuge aus Feuerstein, Marmor und Quarz, darunter Spitzen und Schaber, deuten auf eine Feuerstelle hin, an der die Neandertaler Fleisch zubereiteten. Auch Gemüse stand auf ihrem Speisezettel, wie verschiedene Fossilien belegen.
Die Sima de las Palomas gilt als eine der wichtigsten Fund stellen von Überresten des Neandertaler s anders panischen Mittelmeerküste. Die Ausgrabungs stätte wurde 1991 zufällig von einem Höhlenforscher aus TorrePac he coentdeckt .1992 übernahm der renommierte englische Professor für Anthropologie und Archäologie an der Universität von Murcia, Michael Walker, die Leitung der Ausgrabungen.
Elf Neandertaler gefunden
Jedes Jahr schließen sich seinem Team Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern an, um weitere Details aus dem Leben der Neandertaler ans Licht zu bringen. In den vergangenen 24 Jahren wurden über 300 Knochenreste gefunden, die 50.000 Jahre alt sind und elf Neandertalern zugeordnet wer- den können, darunter Männer, Frauen und Kinder.
Hervorzuheben ist unter anderem der Fund dreier Skelette im Jahr 2010. Die gut erhaltenen Knochenreste eines Mannes, einer Frau und eines Kindes waren in einer Gruppe arrangiert worden. Laut Walker deutet das auf eine bestimmte Zeremonie bei der Beerdigung hin. Zudem wurde das Skelett einer weiteren Frau gefunden, das als außergewöhnlich gut erhalten gilt, besonders das Becken. Die Neandertalerin wurde auf den Namen Paloma getauft und 2011 aus- führlich in dem US-amerikanischen Wissenschaftsmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“vorgestellt. 2013 wurde sie im Museum für Archäologie in Murcia ausgestellt.
Die Geschichte des ausgestorbenen Verwandten des Menschen stößt auf reges Interesse. Jedes Jahr nach den Ausgrabungsarbeiten im Sommer wird die Fundstelle für das Publikum geöffnet und es werden geführte Besichtigungen angeboten. Zu dem Tag der offenen Tür Anfang August kamen 2.000 Besucher, so viele wie noch nie. Bei diesem einen Tag im Jahr soll es nicht bleiben. Das Rathaus will die Heimatstätte der Neandertaler öfter für Besucher öffnen und als Sehenswürdigkeit vermarkten.
Bereits 2006 hatten sich die Landesregierung von Murcia und das Rathaus von Torre Pacheco viel vorgenommen, um die Sima de las Palomas in Szene zu setzen. Für 6,5 Millionen Euro sollte neben der Ausgrabungsstätte ein Museum für Paläontologie und die Entwicklung des Menschen entstehen. Auf 2.500 Quadratmetern sollten die fossilen Funde aller archäologischen Stätten in der Regi- on ausgestellt werden. Zusätzlich war der Bau als Zentrum für Forschung, Restaurierung und Katalogisierung geplant.
Die Landesregierung stellte acht Millionen Euro bereit und die Arbeiten begannen im Jahr 2010 am Fuß des Cabezo Gordo. Von einer chamäleonartigen Anpassung der Fassade des fünfstöckigen Gebäudes an die Umgebung war seinerzeit die Rede.
Heute, sechs Jahre später, steht ein Rohbau zwischen Gewächshäusern da, der nur zu 60 Prozent fertig gestellt ist. Das Bauunternehmen Intersa ist längst pleite, die Arbeiten wurden 2013 gestoppt. Die Zukunft des Koloss ist unklar. Nach Aussagen des Bürgermeisters von Torre Pacheco, Antonio León Garre (Unabhängige Partei, PITP), soll die vorherige konservative Landesregierung (Volkspartei, PP) zugesichert haben, das Museum zu übernehmen, die aktuelle Regierung (ebenfalls PP) wies je- doch das Rathaus an, das Museum zu betreiben. Dafür sei allerdings kein Geld da, sagte León, der die Baustelle kürzlich mit Vertretern der Opposition (Sozialisten, PSOE) besuchte.
PSOE-Sprecherin Isabel Casalduero kritisierte die Größenordnung und die Kosten des Projektes. Angesichts der Wichtigkeit der Ausgrabungsstätte in Torre Pacheco und der Dimension des Baus könne die Verantwortung nicht dem Rathaus übertragen werden. Das Museum sei Aufgabe der Landesregierung, meinte Casalduero und kündigte an, den Fall in der Regionalversammlung zur Sprache zu bringen.
Derweil analysiert eine Spezialkommission das ehemalige Vorzeigeprojekt der Region Murcia und stellt sich die Frage, wo die acht Millionen Euro geblieben sind. Nicht nur die ungeklärte finanzielle Situation bereitet der Kommission Sorgen, auch der Zustand des Gebäudes, das auf ein 12.000 Quadratmeter großes Grundstück in einer Neigung gesetzt wurde: Jedes Mal, wenn es regnet, steht das unfertige Museum unter Wasser.
Geplantes acht Millionen Euro teures Museum steht als Rohbau da