Ausflugstipp
Natur und Geschichte kombinieren: Ein abwechslungsreicher Tag in Garrucha, an der Küste von Almería
Flair eines Fischerdorfs: An einem sonnigen Tag in Garrucha maritime Atmosphäre tanken
Die kleinen Küstenorte entlang der Levante-Küste von Almería können einige spannende Geschichten erzählen. Das sieht man ihnen nicht immer an, aber im Falle der quirligen Hafenstadt Garrucha schon. Nur einen Katzensprung hinter der Seepromenade, die mit den weißen Balustraden zum abendlichen Flanieren einlädt, ragt eine Küstenfestung aus dem trockenen roten Steinboden, der hier die Farbe der Küste bestimmt.
Auf den ersten Blick sieht das Mauerwerk aus mächtigen Steinen etwas nichtssagend aus, doch genau das ist der Sinn dieses Bauwerks. Das Castillo de las Escobetas ist eine Küstenbatterie, die sich tarnt wie ein Chamäleon und an den sandfarbenen Untergrund anpasst. Allerdings hatte es die Festung in sich – sie war nämlich recht wehrhaft. Auf ihrer Plattform standen fünf Kanonen, mit denen herannahende feindliche Schiffe beschossen und versenkt wurden.
Der spanische König Karl III. hatte während der Kriegsfehden mit England zwischen 1759 und 1788 entlang der Küste etliche Verteidigungsburgen und Türme im Wüstenstaub von Almería oder auf den Gipfeln der Vulkanberge am Meer errichten lassen. Bis hinunter nach Adra reichte das Küstenwarnsystem, das aus runden Türmen, Festungen und eben solchen mit Kanonen bestückten Küstenbatterien wie der in Garrucha bestand. Die Piratenangriffe häuften sich im 18. Jahrhundert und Spanien musste sich als schwindende Seemacht gegen die Briten nicht nur in den neuen Kolonien in der Karibik, sondern auch zu Hause verteidigen. Die beiden Weltmächte stritten immer noch um Gibraltar und um ihre Vormachtstellung auf See.
Herausgeputzte Burg
Das viele Jahre lang vernachlässigte historische Bauwerk am Strand von Garrucha wurde vergangenes Jahr restauriert und herausgeputzt und beherbergt nun auch ein kleines Museum. Im sogenannten Nautarum erfährt man Interessantes über die Geschichte der Stadt und dieser Küstenzone, die seit Alters her im Fokus von Eroberern stand.
Seine Glanzzeit erlebte Garrucha im 19. Jahrhundert als das Fischernest zu einem wichtigen Um- schlaghafen für Mineralien aus den nahen Bergen der Sierra Filabres geworden war. Ingenieure hatten im bergigen Hinterland Eisenerz, Silberminen und Bleivorkommen entdeckt und tiefe Löcher und Gruben in die Berge gesprengt. Aus dem nur 20 Kilometer entfernten Bergdorf Bédar wurden die Gesteinsbrocken per Seilbahn und auf Schienen mit Dampflokomotiven bis hinunter ans Meer gebracht und von einer Landebrücke in Garrucha auf Frachtschiffe geschafft und in alle Welt verschifft.
Attraktion Strandpromenade
Auf alten Fotos sieht man, wie sich das Örtchen Garrucha in eine Kleinstadt verwandelte, deren großes Plus die Lage am Mittelmeer ist und war. Bis nach USA und England wurde das andalusische Erz verkauft. Die Profiteure waren vor allem britische Firmen. Reich geworden sind weder die Leute aus Bédar noch Garrucha vom Boom des Ingenieurszeitalters. Im Gegenteil, nachdem der Rohstoffmarkt im 20. Jahrhundert einbrach, verfielen die Anlagen wieder und viele arme Almerienser mussten ihr karges ausgeblutetes Land ver-
lassen, um sich anderswo Arbeit zu suchen. Immerhin wurde dem Küstenort eine richtige Attraktion geschenkt: 1869 wurde ein wunderschöner Paseo Marítimo, eine Strandpromenade, erbaut. Es ist immer noch ein erhabenes Gefühl, am Abend unter den 150 Palmen an der weißen Marmorbrüstung kilometerlang in Garrucha am Meer entlang zu flanieren.
Doch erst mit den 1960er Jahren und dem aufkommenden Tourismus entwickelte sich Garrucha zu dem Städtchen, wie es sich heute zeigt: Voller Besucher, mit langen Badestränden, netten Einkaufsstraßen, modernem Sporthafen und schicken Plätzen, wo man dem quirligen Treiben zuschauen kann. Das Schöne ist, Garrucha ist kein reiner Touristenort, sondern hat noch spanisches Alltagsleben zu bieten. Rund 7.300 Einwohner machen die Stadt zu einem lebendigen Ort, wo Märkte abgehalten werden, Fischer täglich auf das Meer hinausfahren, ständig Fiestas gefeiert werden und man sogar mehrere Fußballteams zusammen bekommt und in der zweiten Liga Andalusiens spielt. Am Abend scharwenzelt alles, was Beine hat, auf dem Paseo umher, und die Kinder dürfen nachts um 1 Uhr in der Cafeteria Erdbeereis schlecken. Ganz normales andalusisches Leben also.
Besuch in der Lonja
Doch Garrucha hat noch eine Besonderheit zu bieten. Garrucha grenzt an Vera Playa, einer der größten Nudistenkolonien am spanischen Mittelmeer, und teilt sich den Badestrand. In den Chiringuitos und sogar in Hotels laufen die Urlauber splitterfasernackt herum und niemanden stört‘s. Der lange Sandstrand El Playazo mit der Kolonie Vera Playa Nudista zieht sich bis an den Rand des Gebirges der Sierra Almagrera und zum Touristenort Vera Playa hin.
Für einen Tagesausflug nach Garrucha ist ein Freitag zu empfehlen, wenn die zwei wichtigsten Straßen der Innenstadt in einen riesigen Markt verwandelt werden und die Stadt besonders lebendig wird. Die Bauern der Umgebung bauen ihre Stände in der Calle Mayor auf und bieten von knackigen Freilandgurken über geflochtene Graskörbchen bis zum naturbelassenem Honig aus der nahen Sierra Filabres alles an, was das karge Land an Reichtum liefern kann.
Wer morgens kommt, kann den Marktausflug auch mit einem zünftigen Frühstück kombinieren. In den angrenzenden Cafés und Bars wird die typische tostada con
tomate y aceite (Toast mit Tomatenpüree und Olivenöl) serviert oder auch die leckere Kalorien- bombe churros con chocolate (Schmalzgebäck mit flüssiger Schokolade). Wer mit dem Auto kommt, sollte dies am besten im Hafen parken, wo es Parkplätze gibt, die jedoch kostenpflichtig sind. An Markttagen hat es keinen Sinn, sich durch die enge und gesperrte Innenstadt zu quälen. Es sind nur wenige Schritte zu Fuß zum Markt. Im Hafen lässt sich zudem eine weitere Attraktion begutachten: die Lonja, wo die Fischer ihren täglichen Fang dem Meistbietenden verkaufen. In der Lonja feilschen nämlich die vielen Restaurantköche des Städtchens um die besten Stücke. Es ist ein lustiges Schauspiel, den Herren in Schiebermützen zuzugucken. Sie hoffen ein gutes Geschäft zu machen unter den wachsamen Augen der Heiligen Jungfrau der Fischer, Virgen del Carmen, die als Kachelbild in der Fischhalle hängt. Auf einem Fließband rollen Rochen, Tintenfische und die berühmten Gambas Rojas (wildlebende rote Riesengarnelen) an den Händlern vorbei.
Weiter Badestrand
Nur einige Meter südlich vom Hafen beginnt der lange Stadtstrand Playa de Garrucha, der mit gelb leuchtendem Flusssand aufgeschüttet wurde und sauber ist. Im Hochsommer wird es hier richtig voll, wenn spanische Familien ihre Sonnenschirme aufspannen. Der Strand gehört nicht ohne Grund zu den ausgezeichneten Badestränden, obwohl er in Hafennähe liegt. Über Planken können auch Rollstuhlfahrer bis ans Ufer rollen und unter überdachten Pavillons Schat- ten finden. Die kleinen PalmenOasen mitten auf dem Strand sind nicht nur schön anzusehen, sondern spenden auch Schatten und kühlen etwas, wenn man sich in die Nähe legt.
Wem es in der Mittagssonne zu heiß ist, kann sich in einen der drei Chiringuitos setzen und sich zum Beispiel frischen Fisch und dazu einen erfrischenden Tinto de Verano servieren lassen. In der zunächst an eine Beachbar erinnernden Boaracay am Ende des Strandes gibt es ein vielfältiges Tapasangebot für faire Preise und ein Tagesmenü, Menu del Dia, das aus Reisgerichten und einer gelungen Fusion aus mediterraner und moderner Küche besteht. Entlang des Paseo Marítimo reihen sich die besseren Fischrestaurants, deren Köche sich über die frisch gefangenen Fische hermachen, um sie fachmännisch für die Plancha zu zerlegen.
Von der Playa ins Museum
Gleich gegenüber des Stadtstrandes befindet sich das Museum Nautarum, das im Castillo de las Escobetas eingerichtet wurde und sich der Geschichte des Meeres widmet. Hier lernt man, dass sich kurz vor der Küste Garruchas ein enormer zwei Kilometer tiefer Graben im Meer auftut, wo sich ein gewaltiger unterseeischer Canyon befindet. Kein Wunder, dass vor Garrucha so viel Fisch gefangen wird.
Das Museum besteht aus sieben Ausstellungssälen, die in den ehemaligen Kasernenräumen der Küstenfestung untergebracht sind. Im Nautarum spaziert man durch die interessante Geschichte dieser Küstenzone und begreift, wie wichtig und zugleich bedrohlich das Mittelmeer für die Menschen war. Im Saal 4 sind Netze und Gerätschaften der Seefahrt und Fischereiflotte ausgestellt. Ein altes Lateiner-Segelboot wurde ebenfalls im Raum untergebracht.
Ganz praktisch ist auch die Schautafel mit den spanischen Namen für die hier im Meer vorkommenden Fischarten. So kann man bei der nächsten Fischversteigerung in der Lonja ein bisschen mitreden oder im Restaurant endlich die Speisekarte richtig lesen und weiß, was man sich bestellt. Zum Beispiel einen Mola Mola, der bei den Spaniern als der „dümmste Fisch“der Welt gilt. Vermutlich, weil er bis zu drei Meter lang und 200 Kilogramm schwer werden kann und dabei nur ein Gehirn in der Größe einer Nuss hat, das gerade einmal vier Gramm wiegt.