Ausstieg aus dem Hamsterleben
Neulich in Alicante. Die Ampel springt auf Rot, alle halten. Beziehungsweise quetschen sich zwei, drei, nee, sogar vier Autos durch die in spanischen Fahrschulen so gelehrte Sehr-Dunkel-Gelbe-Phase. Zwei Wagen vor mir kommt der Verkehr doch zum Stehen. So ein Ärger, dauert das Warten an dieser Ampel immer ewig.
Ausgerechnet jetzt – denn wir sind zu spät dran zur Verabredung. Immer diese Hetze, dabei ist doch Wochenende. Dieses Leben: ein Hamsterkäfig, und wir: im Laufrad. Kein Entkommen, kein Durchschnaufen. Keine Zeit zum Musiklauschen, ein Glas Wein trinken, ohne Unruhe, wieder fünf Sachen nicht erledigt zu haben.
Plaff!! Was macht die denn? Im Kleinwagen in der ersten Wartereihe, schräg rechts vor uns, hat die Fahrertür geknallt. Ausgestiegen ist eine Frau, die geradewegs Richtung Hafen verschwindet. Eine Tasche in der Hand, kein Blick zurück.
Wir schauen uns an, die ersten Fahrer toben. Ist die durchgedreht? Oder etwa: War das die Flucht aus dem Hamsterkäfig? Das Nein zu diesem sinnlosen ständigen Strampeln? Zur hängenden Karotte vor dem Maul? Ich werde neidisch – und unsicher. Soll ich dasselbe tun? Alle Ampeln und Hupen hinter mir lassen? Aber: Was wird aus meinen Lieben?
Oha, da sitzt ja jemand auf dem Beifahrersitz. Regungslos. Ein kalter Schauer läuft meinen Rücken herab. Sie hat ihn umgebracht. Verdächtig ruhig entfernte sie sich vom Wagen. Das macht niemand, der sich gerade von allen Zwängen befreit hat. Kaltblütig hat sie ihn erstochen – oder erschossen. Da war doch etwas Komisches in ihrer Tasche. Welche Nummer hat nochmal die Guardia Civil?
Dann doch, der Beifahrer dreht den Kopf. Quicklebendig, als sei er aus einer Trance erwacht, schaut er hoch zur Ampel, die gleich umspringen wird. Was wird er wohl tun – etwa auch einen Brexit wagen? Apropos, das ist ja ein britisches Kennzeichen. Wohl englischer Humor, was? Grün! Der Wagen fährt los. Oh, stimmt ja, die Briten lenken auf der anderen Seite.