Costa Blanca Nachrichten

Kein Opfer mehr

Marina Marroquí im CBN-Gespräch – Einst Opfer häuslicher Gewalt, heute Aktivistin dagegen

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Früher Opfer, nun Helferin: Marina Marroquí aus Elche litt jahrelang an den Schikanen ihres früheren Partners. Die Trennung von ihm war nicht leicht, doch seitdem blüht die heute 28-Jährige auf. 2014 gründete sie einen Verein für Opfer häuslicher Gewalt, 2016 machte ein TV-Talk sie in ganz Spanien bekannt. Die CBN sprach jetzt mit ihr.

Elche – sw. Jahrelang erlebte Marina Marroquí die Hölle – gedemütigt und gepeinigt durch ihren Partner. Doch das ist vorbei. 2014 gründete sie Aivig, einen Verein gegen häusliche Gewalt in Elche. Berühmthei­t verschafft­e Marroquí ein Interview in der TV-Talkshow „Salvados“Anfang des Jahres. CBN sprach zum Tag gegen häusliche Gewalt mit der 28-Jährigen.

CBN: Haben die öffentlich­en Auftritte Ihr Leben verändert?

Marroquí: Zumindest haben sie mir jede freie Minute geraubt (lacht). Sehr viele Frauen riefen seitdem an. Frauen, die Jahre gelitten hatten, und dann hunderte Kilometer zu unseren Treffen fuhren. Ich sah, wie sie glücklich wurden – das ist die beste Entschädig­ung.

Nun sind Sie eine Ikone gegen die häusliche Gewalt. War es richtig, sich so zu öffnen?

Wichtig war die Gründung des Vereins. Meine Familie hatte Angst davor. Immerhin läuft mein Peiniger, der mir den Tod angedroht hatte, frei herum. Doch in den sieben Jahren in Angst wäre ich lieber tot gewesen. Ich entschloss mich also, ohne Angst zu leben. Nicht, weil ich mutig bin – sondern sorglos. Ich denke nicht daran, was alles passieren kann. Und das mit dem Ruhm? Ich weiß, dass das bald wieder verschwind­et.

Kommt Ihnen das damalige Leiden noch real vor?

Seitdem ich Aivig gegründet habe, wirkt es wie ein Parallelle­ben. Wie ein dunkles Zimmer, das, das Licht eingeschal­tet, ganz anders ausschaut. Auch heute habe ich Albträume, aber einen in drei Monaten, und nicht wie früher: jeden Tag. Ich lebe jetzt erfüllt, mit meinem Mann und meiner Familie.

Nun als Expertin gefragt: Definieren Sie häusliche Gewalt.

Ich würde sagen, sie ist eine Gleichgewi­chtsstörun­g. Der eine Partner reißt die Macht an sich. Dabei ist die körperlich­e Gewalt der letzte Schritt. Sie geschieht, wenn die frühzeitig­e Erkennung scheitert. Gewalt beginnt schon, wenn du alles filtrieren musst, was du sagst. Wenn der Partner dich beschimpft, wenn du nicht anrufst. Auch dann, wenn er weint und beteuert, es nie wieder zu tun. Das ist Teil der Phase, die wir „Honigmond“nennen. Danach fangen wieder die Spannungen und die kleinen Schikanen an.

Ist häusliche Gewalt auf Schemen reduziert? Auf Mann gegen Frau? Oder auf bestimmte Gesellscha­ftsschicht­en?

Zu uns kommen auch vier Männer. Ähnlich wie bei Brustkrebs, können auch sie Opfer sein. Dabei jedoch darf man den Fokus nicht der Hauptgrupp­e entziehen, und das sind die Frauen. Was das Andere angeht: Mein Peiniger arbeitet in einer Hilfsorgan­isation, kümmert sich da um Großmütter.

Kommt häusliche Gewalt heute öfter als früher vor?

Klar gibt es heute nicht mehr Gewalttäte­r. Aber: Wir haben ihnen durch die Medien zusätzlich­e Kontrollmö­glichkeite­n gegeben. Und damit eine zusätzlich­e Last ge- schaffen. Weswegen die Gesellscha­ft jetzt gefragt ist, die Probleme schneller zu erkennen.

Hat auch der Konsumismu­s mit häuslicher Gewalt zu tun? Indem man den Partner behandelt wie ein Produkt?

Aber natürlich. Was man schon daran sieht, wie die Frau dazu verwendet wird, etwas zu verkaufen. Bücher wie „Drei Meter über dem Himmel“(von Federico Moccia, Anm. d. Red.), die die Bibel der heutigen Jugend sind, fördern solche Ansichten. Die gefährlich sind, nicht weil sie zu Gewalt verleiten, aber ihre Erkennung erschweren.

Berührt hat mich zu lesen, wie Ihr Vater weinte, als Sie litten. Wie wichtig sind gute Vorbilder als Mittel gegen Gewalt?

Paare, die gut funktionie­ren, sind das einzig mögliche Beispiel. Vielleicht achten Jugendlich­e nicht auf sie, aber nehmen solche Paare doch wahr. Nicht ich habe mich befreit – meine Familie tat es. Auch, weil ich dank meines Vaters oder meines Bruders immer unterschei­den konnte zwischen einem Mann und einem Peiniger.

Wie kann es jemand schaffen, aus einer höllischen Zwickmühle zu entkommen?

Diese Hölle ist zwar brutal. Aber noch schlimmer ist der Versuch, sie zu verlassen. Es tut so weh, man denkt, es wird alles noch schlimmer. Doch auch eine Chemothera­pie tut weh. Und danach kann man wieder lachen.

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Foto: Ángel García Sorglos statt in Angst: Marina Marroquí.

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