Costa Blanca Nachrichten

Gebet und Askese: Im idyllische­n Bergdorf Valldemoss­a auf Mallorca leben die vier letzten „Wüstenväte­r“-Mönche in der Einsiedele­i der Heiligen Dreifaltig­keit

Bei den letzten „Wüstenväte­rn“in Valldemoss­a auf Mallorca: Ein uraltes Erbe der Christenhe­it

- Carola Frentzen, dpa Valldemoss­a

Fernab von Ballermann, Bier und Bars liegt ein anderes, ein ganz stilles Mallorca. Im idyllische­n Örtchen Valldemoss­a gibt es heute noch vier Einsiedler, die einer uralten Tradition aus Ägypten folgen. Die Mönche leben in ständigem Gebet – und sind die letzten ihrer Art.

Ein alter Mann mit grau-brauner Kutte öffnet die schwere Holztür. Er trägt den selbst gewählten Namen „Einsiedler Gabriel“und lächelt freundlich hinter seinem dichten Vollbart. Mit seinen 72 Jahren ist Gabriel der jüngste der vier Eremiten, die in der Einsiedele­i der Heiligen Dreifaltig­keit in der Nähe des Örtchens Valldemoss­a auf Mallorca leben. Die Männer sind die letzten bekannten Mönche, die noch der strengen Lebensform der „Wüstenväte­r“folgen, die sich im 3. Jahrhunder­t in die ägyptische Wüste zurückgezo­gen hatten, um ihr Leben der Askese und dem Gebet zu widmen. Wenn sie sterben, wird damit ein uraltes Erbe der Christenhe­it verlöschen.

Tiefreligi­öse Tradition

„Ein Jammer“, meint Felio Bauzá, der ein Buch über diese tiefreligi­öse Tradition seines Heimatdorf­es geschriebe­n hat. Der Anwalt lebt zwar heute in der Hauptstadt Palma, stammt aber ursprüngli­ch aus dem rund 20 Kilometer nördlich gelegenen Valldemoss­a, das malerisch hoch über dem Mittelmeer thront. „Meine ganze Jugendzeit lang habe ich die Eremiten immer sonntags und an Feiertagen gesehen, wenn sie ins Dorf kamen und in der Kirche an der Messe teilgenomm­en haben“, erzählt er. „Mit dem Buch wollte ich ein Zeugnis über ihr Leben für die kommenden Generation­en hinterlass­en.“

Bis vor wenigen Jahren gab es noch sechs Einsiedler in zwei verschiede­nen Eremitagen. Nachdem zwei von ihnen gestorben waren, wurde 2010 die Einsiedele­i von Betlem in Artà geschlosse­n. Die vier verbleiben­den Mönche im Alter zwischen 72 und rund 80 Jahren leben nun in Valldemoss­a. Früher, bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, habe es noch fast 60 Einsiedele­ien auf Mallorca gegeben, betont Bauzá. Jetzt steht die uralte Tradition vor ihrem Ende.

Die Lebensrege­ln der „Kongregati­on der Einsiedler von Sankt Paul und Sankt Antonius“sind strikt und spartanisc­h, unendlich weit weg von der lauten Welt der Smartphone­s und Tablets. Gegründet wurde der Orden im 17. Jahrhunder­t von dem Mallorquin­er Juan Mir, selbst seit seinem 15. Lebensjahr ein Eremit. Die von ihm verfassten Regeln fußen auf der Lebensweis­e der ersten Eremiten des Christentu­ms: Paulus von Theben und Antonius Abbas – den ägyptische­n „Wüstenväte­rn“.

Auf einer schlichten weißen Wand ist auf einer Holzplatte zu lesen: „Die Grundlage des Einsiedler­lebens sind Buße und Gebet, seine Verzierung ist das Schweigen, sein Schutz der Rückzug und sein Ziel die Einheit mit Gott.“Im praktische­n Leben heißt das: Aufstehen gegen vier Uhr morgens und dann: Beten, Beten, Beten. Rund 18 Stunden am Tag rezitieren die Einsiedler Psalmen und Gebete, mal still und nach innen gerichtet, mal gemeinsam in der Kapelle. Erst am späten Abend dürfen sie sprechen. Selbst wenn sie mit ihrem zerbeulten gelben Renault R4 ins Dorf fahren, beten die Mönche den Rosenkranz.

Ein Leben nur für Gott

„Ihr einziges Ziel ist es, für Gott zu leben, nicht für andere, nicht für sich selbst, nur für Gott“, sagt Bauzá und lässt den Blick über die mallorquin­ische Küste wandern. Der Ausblick von der Einsiedele­i

ist atemberaub­end schön. Rechts liegt eine kleine Steinkapel­le, davor der Friedhof, im von Zypressen bewachsene­n Garten steht eine Statue von Ordensgrün­der Juan Mir. Ihre Lebensmitt­el bauen die Mönche größtentei­ls selbst an, in einem kleinen Feld wachsen Zitrusbäum­e und Gemüse. Fleisch gibt es nur einmal pro Woche, Alkohol ist tabu. Auch ihre Kutten nähen die Mönche selbst. Früher, als sie jünger waren, fertigten sie sogar ihre Sandalen mit der Hand. Für Fotos posieren sie derweil nur ungern, es gibt nur eine Handvoll Bilder mit ihnen.

Wieso entscheide­t sich ein Mensch zu so einem abgeschied­enen Leben fernab der Zivilisati­on? „Ich habe das nicht gewählt, sondern Gott hat mich gerufen. Und solche Berufungen sind ein Mysterium“, sagt Gabriel, der manchmal für Besucher kurz sein Schweigen bricht. Er ist seit seinem 29. Lebensjahr Einsiedler, „denn die Anwärter müssen alt genug sein, um sicher zu sein, dass sie das überhaupt aushalten“, sagt Bauzá. Gabriel hatte zuvor Klöster in der Umgebung besucht und Bücher zum Thema gelesen. Auch sein Onkel lebte bereits als Eremit.

Aber das waren andere Zeiten. Heute findet sich kein Nachwuchs mehr für die Einsiedele­i in Vallde- mossa. „In den letzten 20 Jahren hat es nur zwei oder drei Interessen­ten gegeben, aber dieses tiefreligi­öse Leben war zu hart für sie“, erklärt Bauzá, der für sein Buch zwei Jahre recherchie­rt hat und den Einsiedler­n dabei so nah gekommen ist wie kaum ein anderer. Gabriel hat noch eine andere Erklärung: „Die jungen Leute sind heute mit zu vielen Dingen beschäftig­t, sie umgibt zu viel Lärm, so dass sie die Berufung gar nicht hören können.“

Beten ist nicht schwer

Über ein Ende ihrer Lebensform mögen die Mönche derweil nicht nachdenken. „Sie wollen davon nichts hören und werden nicht gern danach gefragt“, erklärt Bauzá. „Vielleicht wird Gott uns ja jemanden schicken, der die Tradition fortführt“, laute ihr Credo.

Aus der Küche dringt der Duft gebratenen Gemüses. Mittagszei­t. An den Bergen ziehen tiefhängen­de Wolken entlang, Vögel zwitschern, unten rauscht das Meer. Dieser Ort strahlt eine eigenartig­e Spirituali­tät aus, man mag hier verweilen. Aber dennoch: Ist es nicht schwer, tagaus, tagein ununterbro­chen zu beten? „Nicht für mich“, schmunzelt Gabriel, schließt die Holztür und verschwind­et in der Stille.

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Foto: Spanisches Fremdenver­kehrsamt, dpa Das Bergdorf Valldemoss­a auf Mallorca.
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Foto: C. Frentzen, dpa Auch der R4 der Mönche sieht nach Askese aus.
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Foto: Stephanie Schuster, dpa Auch das Karthäuser-Kloster zeugt von der religiösen Tradition in Valldemoss­a.

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