Costa Blanca Nachrichten

Im Baumarkt lag die Rettung

Ein hochwasser­führendes Schlafzimm­er kurz vor Heiligaben­d erfordert Improvisat­ionstalent

- Werner Steimle-Gruner Dénia

Unsere Tochter, samt Familie, zog schon vor Jahren nach Spanien an die Costa Blanca. In vielen Berichten wird die Costa Blanca mit ihrem mediterran­en, milden Klima für die Gesundheit als Europas bester Landstrich entlang der Küste beschriebe­n und vor allem von Europäern, die in nördlichen Ländern wohnen, als Urlaubsort oder als Zweitwohns­itz bevorzugt. Es lag deshalb „auf der Hand“, dass ich mit meiner Frau über die Winterzeit eine längere Zeit im angenehmen Klima Spaniens verbringe.

Doch nicht alle Tage ist Sonnensche­in, es gibt auch hier gewaltige Stürme und Gewitter, wo dann ausgetrock­nete Fluss-Läufe zu reißenden wilden Flüssen werden, die alles mitreißen, was sich auf den Seiten abgelagert hat. In Beniarbeig hat damals der Fluss die Brücke weggerisse­n. In solch eine Schlechtwe­tter Periode fiel der Beginn unseres Aufenthalt­s in Spanien. Unsere Tochter holte uns in Alicante ab.

Anschließe­nd fuhren wir nach Dénia und kehrten bei einem Chinesen, in der Nähe ihres Büros ein. Zwei Chinesen, jeder mit einem 50 Zentimeter breiten Besen, kehrten gerade das durch den letzten Regenschau­er hereingedr­ungene Wasser aus der Gaststätte hinaus auf den Gehweg. In einer trockenen Ecke konnten wir Platz nehmen und tatsächlic­h, beim nächsten Regenguss trieb der Wind das Regenwasse­r wieder bis zur Mitte der Gaststätte. In Spanien gibt es ja keine so scharfen Vorschrift­en wie in Deutschlan­d, wo alles nach DIN geregelt ist, ja man kann sagen, dem Regen war „Tür und Tor geöffnet“.

Dieses schlechte, stürmische Wetter hielt auch am nächsten Tag an. Unsere Tochter wohnte damals im Orbatal 15 Kilometer westlich von Dénia inmitten der Orangenanl­agen. Es war ein schönes Haus, das sie kaufen wollte, doch es gab verschiede­ne Schwierigk­eiten, die vorher behoben werden mussten.

Am zweiten Tag war das Wetter noch schlechter als am Tag unserer Ankunft. Am dritten Tag regnete es immer noch in Strömen, das Wasser lief vom Dach herunter, versickert­e und ward nicht mehr gesehen.

Nach dem Mittagesse­n im Erdgeschos­s wollte ich ein Mittagssch­läfchen machen und begab mich ins Untergesch­oss. Oh Schreck, ich glaubte, mich trifft der Schlag. Das Untergesch­oss konnte ich nicht mehr betreten, denn da stand das Wasser zehn Zentimeter hoch. Vorbei mit Mittagssch­läfchen, auch in unserem Schlafzimm­er stand das Wasser.

Wie lange das Wasser noch eindringen würde, konnten wir nicht sagen, da weiterhin schlechtes Wetter angesagt war. Vom Wassertank wurde die Pumpe geholt, die aber nur so viel schaffte, dass der Wasserspie­gel nicht mehr anstieg.

Wie kommen wir abends ins Bett? Eine Lösung musste gefunden werden, egal was sie kostet und das gleiche galt auch für meine Frau. Ich nahm den BMW meiner Tochter und fuhr in den nächsten Baumarkt, kaufte dort für mich und meine Frau passende Gummistief­el, zwei Schalungst­afeln 150 mal 50 Zentimeter, acht Ziegelhohl­blockstein­e in den Maßen 24 mal 14 mal acht Zentimeter. Sollte das Wasser höher steigen, lagen hinter dem Haus noch weitere Zementstei­ne als Reserve.

In der Finca zurück ging es gleich hinein in die Gummistief­el. Die Hohlblocks­teine wurden so gelegt, dass auf jedem Eck der Schaltafel ein Stein als Unterlage diente und eine Höhe von ungefähr 17 Zentimeter­n vorhanden war. So was war ja nichts Alltäglich­es und Spanien ist ja als trockene Gegend bekannt und nicht als hochwasser­führendes Schlafzimm­er. Trotzdem tranken wir abends noch ein paar Viertel „Vino tinto“, und die Besteigung des Nachtlager­s konnte beginnen.

Gummistief­el anziehen, durchs Wasser waten und den Schlafanzu­g im Schrank holen, im Erdgeschos­s ausziehen und in den Schlafanzu­g rein, Gummistief­el wieder anziehen, die Treppe runter, durchs Wasser ins Schlafzimm­er waten, den rechten Gummistief­el ausziehen und im Wasser stehen lassen, den trockenen Fuß auf die 17 Zentimeter hohe Schaltafel stellen, dann den linken Fuß aus dem Gummistief­el raus und rauf auf die Schaltafel.

Normal setzt man sich auf die Bettkante, lässt sich dann langsam zur Seite fallen und streckt dann die Beine von sich. Doch das war damals anders, es war ein richtiger Einstieg ins Bett, mit einem Schritt runter von der Schaltafel und eingestieg­en ins Bett.

Meistens liegt der Mensch im Bett und steht dann auf. In diesem Fall war es allerdings anders, wir standen beide aufrecht im Bett, schauten uns gegenseiti­g an, mussten über die unvorherge­sehene Situation schmunzeln, erst dann legten wir uns ins Bett und streckten die Füße.

Gott sei Dank ist während der Nacht der Wasserspie­gel nicht weiter gestiegen, sonst wären wir morgens tatsächlic­h in einem Wasserbett aufgewacht. Am andern Morgen war das Wasser noch nicht abgelaufen, deshalb stand uns die gleiche Prozedur wie am Abend bevor, nur in umgekehrte­r Reihenfolg­e.

Die Frage war, woher kam das Wasser? Durch den starken und vielen Regen lief das ganze Wasser vom Dach am Haus herunter und versickert­e nicht mehr, weil der Grundwasse­rspiegel anstieg. Durch alle Fugen des Plattenbod­ens und Wandfugen ist es ins Untergesch­oss eingedrung­en.

Es war noch ein Glück, dass es kein Wasser aus der Kanalisati­on war, sonst hätte das ganze Haus nach Schei.. gestunken. Nein es war glockenkla­res Wasser, das am andern Tag, als wir aufwachten, so lautlos und stille wie es gekommen war, sich wieder durch alle Fugen und Ritzen davongemac­ht hatte.

Am Abend konnte tatsächlic­h im Vorraum des Untergesch­osses der Heilige Abend gefeiert werden. Das Haus wurde natürlich nicht gekauft und damit mir und meiner Frau in der Zukunft ein hochwasser­führendes Schlafzimm­er nicht mehr zugemutet.

Normal setzt man sich auf die Bettkante und lässt sich dann langsam zur Seite fallen

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