Im Baumarkt lag die Rettung
Ein hochwasserführendes Schlafzimmer kurz vor Heiligabend erfordert Improvisationstalent
Unsere Tochter, samt Familie, zog schon vor Jahren nach Spanien an die Costa Blanca. In vielen Berichten wird die Costa Blanca mit ihrem mediterranen, milden Klima für die Gesundheit als Europas bester Landstrich entlang der Küste beschrieben und vor allem von Europäern, die in nördlichen Ländern wohnen, als Urlaubsort oder als Zweitwohnsitz bevorzugt. Es lag deshalb „auf der Hand“, dass ich mit meiner Frau über die Winterzeit eine längere Zeit im angenehmen Klima Spaniens verbringe.
Doch nicht alle Tage ist Sonnenschein, es gibt auch hier gewaltige Stürme und Gewitter, wo dann ausgetrocknete Fluss-Läufe zu reißenden wilden Flüssen werden, die alles mitreißen, was sich auf den Seiten abgelagert hat. In Beniarbeig hat damals der Fluss die Brücke weggerissen. In solch eine Schlechtwetter Periode fiel der Beginn unseres Aufenthalts in Spanien. Unsere Tochter holte uns in Alicante ab.
Anschließend fuhren wir nach Dénia und kehrten bei einem Chinesen, in der Nähe ihres Büros ein. Zwei Chinesen, jeder mit einem 50 Zentimeter breiten Besen, kehrten gerade das durch den letzten Regenschauer hereingedrungene Wasser aus der Gaststätte hinaus auf den Gehweg. In einer trockenen Ecke konnten wir Platz nehmen und tatsächlich, beim nächsten Regenguss trieb der Wind das Regenwasser wieder bis zur Mitte der Gaststätte. In Spanien gibt es ja keine so scharfen Vorschriften wie in Deutschland, wo alles nach DIN geregelt ist, ja man kann sagen, dem Regen war „Tür und Tor geöffnet“.
Dieses schlechte, stürmische Wetter hielt auch am nächsten Tag an. Unsere Tochter wohnte damals im Orbatal 15 Kilometer westlich von Dénia inmitten der Orangenanlagen. Es war ein schönes Haus, das sie kaufen wollte, doch es gab verschiedene Schwierigkeiten, die vorher behoben werden mussten.
Am zweiten Tag war das Wetter noch schlechter als am Tag unserer Ankunft. Am dritten Tag regnete es immer noch in Strömen, das Wasser lief vom Dach herunter, versickerte und ward nicht mehr gesehen.
Nach dem Mittagessen im Erdgeschoss wollte ich ein Mittagsschläfchen machen und begab mich ins Untergeschoss. Oh Schreck, ich glaubte, mich trifft der Schlag. Das Untergeschoss konnte ich nicht mehr betreten, denn da stand das Wasser zehn Zentimeter hoch. Vorbei mit Mittagsschläfchen, auch in unserem Schlafzimmer stand das Wasser.
Wie lange das Wasser noch eindringen würde, konnten wir nicht sagen, da weiterhin schlechtes Wetter angesagt war. Vom Wassertank wurde die Pumpe geholt, die aber nur so viel schaffte, dass der Wasserspiegel nicht mehr anstieg.
Wie kommen wir abends ins Bett? Eine Lösung musste gefunden werden, egal was sie kostet und das gleiche galt auch für meine Frau. Ich nahm den BMW meiner Tochter und fuhr in den nächsten Baumarkt, kaufte dort für mich und meine Frau passende Gummistiefel, zwei Schalungstafeln 150 mal 50 Zentimeter, acht Ziegelhohlblocksteine in den Maßen 24 mal 14 mal acht Zentimeter. Sollte das Wasser höher steigen, lagen hinter dem Haus noch weitere Zementsteine als Reserve.
In der Finca zurück ging es gleich hinein in die Gummistiefel. Die Hohlblocksteine wurden so gelegt, dass auf jedem Eck der Schaltafel ein Stein als Unterlage diente und eine Höhe von ungefähr 17 Zentimetern vorhanden war. So was war ja nichts Alltägliches und Spanien ist ja als trockene Gegend bekannt und nicht als hochwasserführendes Schlafzimmer. Trotzdem tranken wir abends noch ein paar Viertel „Vino tinto“, und die Besteigung des Nachtlagers konnte beginnen.
Gummistiefel anziehen, durchs Wasser waten und den Schlafanzug im Schrank holen, im Erdgeschoss ausziehen und in den Schlafanzug rein, Gummistiefel wieder anziehen, die Treppe runter, durchs Wasser ins Schlafzimmer waten, den rechten Gummistiefel ausziehen und im Wasser stehen lassen, den trockenen Fuß auf die 17 Zentimeter hohe Schaltafel stellen, dann den linken Fuß aus dem Gummistiefel raus und rauf auf die Schaltafel.
Normal setzt man sich auf die Bettkante, lässt sich dann langsam zur Seite fallen und streckt dann die Beine von sich. Doch das war damals anders, es war ein richtiger Einstieg ins Bett, mit einem Schritt runter von der Schaltafel und eingestiegen ins Bett.
Meistens liegt der Mensch im Bett und steht dann auf. In diesem Fall war es allerdings anders, wir standen beide aufrecht im Bett, schauten uns gegenseitig an, mussten über die unvorhergesehene Situation schmunzeln, erst dann legten wir uns ins Bett und streckten die Füße.
Gott sei Dank ist während der Nacht der Wasserspiegel nicht weiter gestiegen, sonst wären wir morgens tatsächlich in einem Wasserbett aufgewacht. Am andern Morgen war das Wasser noch nicht abgelaufen, deshalb stand uns die gleiche Prozedur wie am Abend bevor, nur in umgekehrter Reihenfolge.
Die Frage war, woher kam das Wasser? Durch den starken und vielen Regen lief das ganze Wasser vom Dach am Haus herunter und versickerte nicht mehr, weil der Grundwasserspiegel anstieg. Durch alle Fugen des Plattenbodens und Wandfugen ist es ins Untergeschoss eingedrungen.
Es war noch ein Glück, dass es kein Wasser aus der Kanalisation war, sonst hätte das ganze Haus nach Schei.. gestunken. Nein es war glockenklares Wasser, das am andern Tag, als wir aufwachten, so lautlos und stille wie es gekommen war, sich wieder durch alle Fugen und Ritzen davongemacht hatte.
Am Abend konnte tatsächlich im Vorraum des Untergeschosses der Heilige Abend gefeiert werden. Das Haus wurde natürlich nicht gekauft und damit mir und meiner Frau in der Zukunft ein hochwasserführendes Schlafzimmer nicht mehr zugemutet.
Normal setzt man sich auf die Bettkante und lässt sich dann langsam zur Seite fallen