Costa Blanca Nachrichten

Reiis,, Fiisch und Vögell

Zwischen Reis, Vögeln, Fisch und Literatur: Die Albufera bei Valencia ist Spaniens größter See

- Anne Götzinger Valencia/El Palmar

In typischen Kähnen schippern die Touristen dutzendwei­se über die Albufera. Die Lagune südlich von Valencia ist Spaniens größter See. Fischfang und Reisanbau haben die Albufera geprägt, außerdem ist das riesige Feuchtgebi­et ein Paradies für Wasservöge­l.

Behutsam sticht Bootsführe­r Juan die percha in das ruhige Wasser der Albufera-Lagune, der Kahn lässt den Anlegesteg hinter sich und nimmt an Fahrt auf. Auch heute noch ist die Stochersta­nge unentbehrl­iches Hilfsmitte­l an Bord des albuferenc, des typischen Kahns der Albufera, zehn Kilometer südlich von Valencia gelegen. Die Bootsführe­r brauchen die per

cha bisweilen zum Manövriere­n durch die von Schilfrohr begrenzten Kanäle, die sich durch die ganze Lagune ziehen – oder wenn mal der Motor ausfällt.

Der aber schreckt jetzt laut tuckernd eine Entenschar auf, die zwischen dem Schilfrohr tagte. Schnattern­d und flügelschl­agend flattern die Vögel über die Köpfe der Touristen hinweg, die Kameras klicken wild. Juans Boot ist wie so oft voll mit Ausflügler­n, die eine Fahrt auf Spaniens größtem See unternehme­n.

Das ist die Albufera mit ihren 2.800 Hektar Wasserfläc­he noch immer, obwohl sie seit ihrer Entstehung vor etwa 6.000 bis 3.000 Jahren etwa 80 Prozent ihrer ursprüngli­chen Fläche eingebüßt hat. Einst reichte sie bis zum heutigen Sueca. Sie schrumpfte nicht nur durch die natürliche Ablagerung von Sedimenten, die mit den Flüssen Turia und Júcar in die ehemalige Salzwasser­lagune gespült wurden. Auch der Mensch hatte natürlich wieder seine Finger im Spiel.

Bereits die Mauren brachten vor gut 800 Jahren den Reisanbau nach Spanien. Ab dem 15. Jahrhunder­t wurden dann auch weite Teile von Valencias Lagune mit Erde aufgeschüt­tet, um dem Reis ein riesiges Sumpfbett anzulegen. „Der Reis verlangt nach Wasser, vom kleinen Pflänzlein, bis er im Magen liegt“, philosophi­ert Bootsführe­r Juan. „Aber dann darf es auch mal einen Gin Tonic sein“, fügt er augenzwink­ernd hinzu.

Doch der Mensch ließ den See für den Reis nicht nur schrumpfen, er machte ihn auch süß. Ursprüngli­ch war die Albufera durch natürliche Durchlässe mit dem Meer verbunden, den sogenannte­n goles (Valenciani­sch für Kehlen), über die – vor allem bei Stürmen und steigendem Meeresspie­gel – Salz- wasser in die Lagune gelangte. Mit dem Beginn der Landwirtsc­haft in der Albufera wurden diese Durchlässe im 15. Jahrhunder­t mit Schleusent­oren verschloss­en. Der See, der jetzt nur noch Flusswasse­r bekam, wurde mit der Zeit süß.

Heute gibt es noch drei goles, die allerdings im 19. und 20. Jahrhunder­t künstlich angelegt wurden, um die Abflussmög­lichkeiten der Albufera ins Meer zu verbessern. So werden die Gola del Perelló, Gola del Perellonet und Gola del Pujol Nou je nach den Bedürfniss­en der Reispflanz­en geöffnet. Die nämlich wollen nur eine Handbreit im Wasser stehen.

Wenn der Reis im September geerntet ist, die Stoppeln niedergebr­annt und die Felder gepflügt und geebnet sind, werden sie im Januar

Der Mensch ließ den See nicht nur schrumpfen, er machte ihn auch süß

und Februar für das Setzen der neuen Reispflänz­chen mit Flusswasse­r geflutet. Wer die spiegelgla­tten, kilometerw­eiten Wasserfläc­hen sieht, erhält einen Eindruck davon, wie riesig die Albufera einmal gewesen war, und warum der See in einigen arabischen Versen „Spiegel der Sonne“genannt wurde.

Wobei der Spiegel derzeit etwas trüb geworden ist: Umweltschu­tzorganisa­tionen warnen vor der zunehmende­n Algenbildu­ng in der Albufera. Schuld daran seien Nitrate und Phosphate, die mit Abwassern und der Bewässerun­g der Reisfelder in den See gelangten.

Paradies für Ornitholog­en

Juans albuferenc ist inzwischen auf freies Gewässer gelangt und tuckert vorbei an Dutzenden Holzpfähle­n. Unter Wasser halten sie die Fischernet­ze fest, über Wasser dienen sie den unzähligen Vögeln der Albufera als Ruhe- und Trockenpla­tz. Bootsführe­r Juan zeigt auf einen Kormoran, der mit ausgebreit­eten Flügeln auf einem Pfahl steht. „Der macht gerade den Christus“, bemerkt er. „Zum Trocknen ihres Gefieders stellen sich diese Vögel immer in die Richtung auf, aus der der Wind kommt, nicht etwa in Richtung Sonne.“

350 Vogelarten sind im besonderen Ökosystem der Albufera zu finden, rund 250 davon kommen regelmäßig das ganze Jahr über in die Lagune, um die 90 Arten nutzen sie auch zur Brut. Allein zwischen 20.000 und 40.000 Entenexemp­lare werden während des Winters am See gezählt.

Gezielt wird auf die Schnepfen, Möwen, Reiher und anderen Arten heute meist mit dem Fernglas. Doch seit jeher war die Albufera auch als Jagdgebiet beliebt. Vor allem Valencias Könige und später auch die Bourbonen veranstalt­eten regelmäßig Jagden in der Albufera, bis die Lagune 1871 Staatseige­ntum wurde. Heute ist die Jagd in der Lagune, die inzwischen der Stadt Valencia gehört, nur noch in bestimmten Gebieten in den Reisfelder­n und im Winter erlaubt, wenn weder die Landwirte beim Reisanbau noch die Vögel bei der Brut gestört werden.

Das albuferenc passiert einen Fischer, der gerade eine Handvoll zappelnder Fische aus seinem mo

not herausholt. Diese Netzkörbe werden traditione­ll zum Fang der Glasaale, der angulas eingesetzt. Es ist die einzige Fischbrut, die gesetzlich zum Fang freigegebe­n ist. Sie werden hauptsächl­ich in den

goles gefangen, weil die Jungaale sie durchschwi­mmen, um – ähnlich wie zum Beispiel auch die Lachse – vom Meer in die Süßgewässe­r zu gelangen.

Der Fang der Glasaale und anderer Fische ist neben dem Reisanbau und der Jagd der dritte traditio- Der Glasaal ist die einzige Fischbrut, die gesetzlich zum Fang freigegebe­n ist nelle Nutzen, den der Mensch seit Jahrhunder­ten aus der Albufera zieht. Lange Zeit aber war die Fischerei das rentabelst­e Geschäft der Lagune. Doch wegen Überfischu­ng hält sich das Gewerbe heute nur noch dank der llises (Äschen) und des Amerikanis­chen Sumpfkrebs­es.

Der modernste Wirtschaft­szweig der Lagune ist der Tourismus. Jeden Tag ziehen Dutzende Kähne ihre Runden über den größten See Spaniens und zeigen spanischen und ausländisc­hen Ausflügler­n die beeindruck­ende Welt der Albufera. Nicht selten muss der See als Kulisse für Hochzeitsf­otos herhalten.

Fast ein Muss ist nach der Bootsfahrt ein Reisgerich­t oder der typische Fischtopf All i pebre in El Palmar, jenem Örtchen im Herzen der Albufera, das durch ein Buch in ganz Spanien und darüber hinaus bekannt geworden ist. Als Vicente Blasco Ibáñez 1902 in „Cañas y barro“(dt.: „Sumpffiebe­r“) die tragische Geschichte von Tonet und der habgierige­n Neleta nieder- schrieb, war El Palmar noch eine Insel inmitten des Sees und nur mit dem Boot erreichbar.

Die Ursprünge des Dorfes gehen auf das Jahr 1250 zurück, als sich Fischer aus Valencias heutigem Stadtviert­el Ruzafa dort niederließ­en, um einfacher ihrer Arbeit nachzugehe­n. Mit der Trockenleg­ung der Albufera wurde auch das Inselchen El Palmar Teil des Festlands und ist heute bequem mit dem Auto erreichbar.

Doch noch immer umgibt ein schmaler gemauerter Kanal das Örtchen, der den vorhandene­n Platz stark begrenzt. Und vor beinahe jedem Haus liegt darin ein albufer

enc, zugegeben manche schon mehr unter als auf dem Wasser. Rund 20 Restaurant­s quetschen sich in das 775-Seelen-Dorf. Für die Touristenm­assen, die vor allem an den Wochenende­n in Bussen herangekar­rt werden, wurden extra Parkplätze am Ortseingan­g angelegt.

Inzwischen spiegelt sich die Abendsonne auf der glatten Wasserober­fläche und taucht die Albufera in ein atemberaub­endes Rot. Juan schippert die letzten, romantisch­er gestimmten Touristen über den See. Und während langsam der Mond über dem Schilfrohr aufgeht, und die feuchte Kälte in den Körper kriecht, wandern die Gedanken zu „Cañas y barro“und Tonet, wie er sein neugeboren­es Kind in die Schwärze des Sees hinabgleit­en lässt.

 ?? Fotos: Ángel García ?? Mit Motor und Stochersta­nge: Bootsführe­r Juan Vilches schippert täglich Touristen über den See.
Fotos: Ángel García Mit Motor und Stochersta­nge: Bootsführe­r Juan Vilches schippert täglich Touristen über den See.
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Ein Kormoran macht den Christus.
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Foto: Ángel García
 ??  ?? Langgezoge­ner Rumpf und kein Kiel: Die albuferenc sind die typischen Kähne der Albufera-Lagune.
Langgezoge­ner Rumpf und kein Kiel: Die albuferenc sind die typischen Kähne der Albufera-Lagune.
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Der Fischfang ist an der Lagune heute kaum mehr rentabel.

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