Ausflugstipp
Ein Dorf voller Überraschungen: Historische Hydraulik, kuriose Architektur, Rosinenproduktion und schöne Aussichten in Jalón
Dorf voller Überraschungen: Jalón bietet kuriose Architektur, Rosinen und schöne Aussichten
Jalón – at. Irgendwie hat es Jalón richtig gemacht. Der Tourismus in dem 3.000-EinwohnerDorf funktioniert. Da ist zum einen der berühmte samstägliche Flohmarkt, der die Menschenmassen Woche für Woche an das Flussufer des kleinen Vall-de-Pop-Ortes in der Marina Alta zieht. Und da sind die beliebten Bodegas Xaló, die sich täglich mit zum Teil weit angereisten Besuchern füllen.
Aber Jalón ist, wenn auch erst auf den zweiten Blick, viel mehr als Weinverkostung und Rastro. Jalón ist Geschichte und Archäologie, Natur und Landwirtschaft. Sehenswertes aus diesen Bereichen lässt sich perfekt bei einem Spaziergang durch den Ort und seine Umgebung erkunden. Am besten lässt man das Auto auf dem Parkplatz vor dem Tourismusbüro stehen, überquert die Durchgangsstraße, geht nach links Richtung Ja- lóns Ortszentrum und direkt hinter dem kleinen roten Einkaufszentrum „La Teulera“rechts den geteerten Weg hoch. Nach wenigen Metern weist ein Schild den Weg Richtung „Parc Botanic Natural del Tossalet“. Hier führt auch der Kreuzweg hoch, immer wieder begegnen einem verschiedene Stationen des Leidensweges. Was einem ansonsten begegnet, sind zum Beispiel die typischen Terrassen-Anbauflächen mit ihren Trockensteinmauern und eine wunderbare Aussicht.
Spazieren im Park der Reichen
Der anfangs geteerte und dann steinige Weg führt übrigens nicht nur zum botanischen Garten, sondern ist auch Teil der „Ruta dels Pous“(Brunnenroute). „Im 17. und 18. Jahrhundert, als das Wasser hier noch nicht aus den Leitungen floss, gab es im ganzen Dorf verteilt Brunnen für die Trinkwasserversorgung von Menschen und Tieren“, erklärt der Archäologe und Leiter des Heimatmuseums, Rubén Vidal. Die insgesamt fünf jüngst restaurierten Brunnen, die sich aus unterirdischen Wasserquellen speisten, waren bis Mitte des 20. Jahrhunderts im Einsatz. An jedem wurde eine dreisprachige Infotafel (Valenciano, Castellano und Englisch) angebracht. Die meisten Brunnen trifft man allerdings erst im Ortszentrum an.
Also erst einmal weiter den leicht zu bewältigenden Weg hoch zum Tossalet, so der Name dieses Gebiets. Es lohnt sich – nicht nur wegen der Sicht aufs Tal, auf die Weinfelder, auf den Fluss Girona und aufs Dorf – , sondern auch wegen der kleinen Parkanlage, die hier mit heimischen Gewächsen angelegt wurde und zum Spazieren einlädt. „Der Tossalet gehörte früher der reichsten Familie Jalóns und wurde nach und nach unter verschiedenen Familien aufgeteilt. Es gibt aber eine Vereinbarung mit dem Rathaus für die Nutzung. Die Dorfbewohner kamen seit jeher fürs Osterpicknick hierher, zum Spielen und zum Erholen“, erzählt Vidal.
Oben angekommen folgt man weiter der Beschilderung „Ruta dels Pous“und trifft rechterhand auf einen restaurierten Kalkofen. Über 200 Jahre sei er alt, sagt Vidal. Errichtet wurde der Ofen aus einer runden TrockensteinmauerStruktur, innen wurden die Steine mit Ton befestigt. „Auf dem Grund wurde Holz angezündet, darauf wurden die Kalksteine gelegt, dann wieder eine Schicht Brennholz und ganz oben Erde. So wurden die Steine mehrere Tage lang gebrannt.“Der Branntkalk wurde unter anderem als Baumaterial und für Anstrichfarbe genutzt.
Nach wenigen Metern geht Rubén Vidal, statt dem offiziellen Weg zu folgen, rechts ein paar Steinstufen hoch, dann links durch
Weinfelder und über Felsen, bis wieder links eine Steintreppe hinunterführt in einen Hof, der von zwei der Rosinenherstellung dienenden Bögengängen, sogenannten Riuraus, und einem kleinen Wohnhaus begrenzt ist. Heute stehen die heruntergekommenen Gebäude leer, „aber es ist geplant, das alles für Besucher herzurichten“, sagt Vidal und steigt die Treppe wieder hoch, hinter der es links, an der Rückseite des Riurau, weitergeht zu einem weiteren Kuriosum, das noch darauf wartet, für Besucher hergerichtet zu werden.
Es anzuschauen, lohnt sich aber schon jetzt, allerdings sollte man genau gucken, um es überhaupt zu erkennen: Vor mehreren flachen Trockensteinmauern senkt sich jeweils eine für das Abfließen von Regenwasser schräg gebaute Plattform, auf der die Trauben in der Sonne zu Rosinen trockneten. Die sogenannten „Sequers“seien architektonische Elemente, die es nur in der Marina Alta gebe, und auch hier nur höchstselten, sagt Vidal. Nach diesem kleinen Abstecher geht es zurück in Richtung Riurau, die Treppen wieder hinunter auf den Hof und auf einen Pfad nach links, der wieder auf den offiziellen Weg trifft und zwischen Weinfeldern Richtung Dorf führt.
Von Brunnen zu Brunnen
Unterwegs gibt es das erste Element der Brunnenroute, die kleine Zisterne „Pou del Tossalet“. Auf den nächsten Brunnen trifft man, im Dorf angekommen, kurz vor dem Rathaus in der Carrer de Santa Barbara. Erste Hinweise auf diesen Pou de la Basseta stammen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. „Die Brunnen sicherten nicht nur die Wasserversorgung, sie waren auch ein Treffpunkt“, sagt Vidal. An den Wasserstellen versorgten sich nicht nur Landwirte und Tiere nach einem langen Arbeits- tag, hier schöpften nicht nur Hausfrauen Wasser für den täglichen Bedarf, hier wurden auch Schwätzchen gehalten und die Mütter brachten ihre Kinder zum Spielen mit. Der mit 6,80 Metern Durchmesser und 22 Metern Tiefe größte Brunnen Jalóns ist der Pou de l’Assagedor am Ortsausgang Richtung Bernia, am Ende der Calle de la Iglesia.
Wer von dort zurück Richtung Kirche geht, kommt zur Plaza Mayor, einem beliebten Treffpunkt und Veranstaltungsort, an dem zum Beispiel am Dienstagvormittag die Wochenmarktstände und an jedem ersten Samstag im Monat die des Mercat de la Terra aufgebaut werden. An der Plaza steht die Pfarrkirche Santa María – „und zwar dort, wo früher eine Moschee stand“, sagt Vidal, und versetzt ei- nen mit seinen Erzählungen von der Welt der Brunnen in die der Araber. Rafol de Xaló oder Benixaloni lautete der Name der muslimischen Siedlung, aus der später, nach der Vertreibung der Araber im Jahr 1609, mit Hilfe mallorquinischer Siedler das heutige Xaló wurde. Die Siedlung befand sich rund um den Carrer Santa Ana, wo enge, unregelmäßig angelegte Gassen von der maurischen Ortsplanung zeugen.
Sehenswerte Gebäude
Gleich um die Ecke erinnern wiederum prachtvolle Gebäude an den durch die Rosinenherstellung erbrachten Reichtum. Bestes Beispiel: der sogenannte Palacio Señorial, der in der Calle de la Iglesia beginnt und bis zur Plaza Mayor führt. Mittlerweile ist das Gebäude in verschiedene Einzelbesitze aufgeteilt. Sehenswert auch die herrschaftlichen Häuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert in der Calle de la Duquesa, von der aus die Ruta dels Pous weiterführt zum Pou de les Figueretes in der Calle Salamanca. Ein weiterer Brunnen, der Pou de les Forques, befindet sich etwas weiter weg, am Camino de Passula am Ortsausgang Richtung Alcalalí.
Doch die Brunnen und der Girona-Fluss sind noch nicht alles, was das historische Hydrauliksystem Jalóns ausmacht. Vier Wassermühlen für die Mehlproduktion siedelten sich am Flussverlauf an, das Wasser wurde durch Dämme aus Steinen und Erdsäcken zu ihnen umgeleitet. Heute sind sie größtenteils verfallen, in einer, dem Moli Nou, ist ein Privathaus untergebracht. Restaurierungsplä- ne werden für den Moli del Giner aus dem 14. Jahrhundert geschmiedet. Das heruntergekommene, aber trotzdem sehenswerte Gebäude befindet sich an der Durchfahrtsstraße, zwischen Masymasund Sportzentrumskreisverkehr in Richtung Llíber auf der rechten Seite.
„Das Wasser aus den Mühlen wurde wiederum zum Fluss oder für die Bewässerung zu den Feldern weitergeleitet“, sagt Rubén Vidal und empfiehlt noch einen Abstecher ins Heimatmuseum mit seinen temporären und dauerhaften Ausstellungen sowie die Besichtigung der überraschend spektakulä- ren Bassa dels Arcs, die man erreicht, indem man am Kreisverkehr beim Sportzentrum die CV745 Richtung Llíber fährt und beim Camí Moli de Llíber links abbiegt. Das Wasser aus dem von imposanten Steinbögen aus dem 19. Jahrhundert überdachten Becken wurde seinerzeit für die Felder genutzt.
Spätestens nach diesem letzten Abstecher in die Geschichte hat sich jeder einen Besuch, Umtrunk und Einkauf in den Bodegas Xaló verdient. Und wird merken: Auch die Gegenwart des Ortes hat mit ihrer Produktion preisgekrönter Weine einiges zu bieten.