Reportage
Im Lobo Park bei Antequera kann man viel über das Verhalten von Wölfen lernen
Keine Angst vorm bösen Wolf: Im Lobo Park hinter dem Kalksteinmassiv El Torcal bei Antequera können Besucher viel über das Verhalten der scheuen Jäger lernen
Wer hat Angst vorm bösen Wolf? Seit Jahrhunderten wird Meister Isegrim verteufelt und zahlreiche Märchen haben beim Menschen eine Urangst erzeugt. Die in den letzten Jahren so beliebt gewordenen Werwolf-Filme haben außerdem mit dazu beigetragen, dass Wölfe immer noch gehörig Respekt einflößen und allein der Gedanke, ihnen persönlich zu begegnen, Angst erzeugt.
Was böte sich also besser an, als sich einmal realistisch mit diesen Tieren auseinanderzusetzen? Der hinter dem Kalksteinmassiv El Torcal gelegene Lobo Park bei Antequera bietet die einmalige Gelegenheit, den Canis lupus, so sein wissenschaftlicher Name, kennenzulernen. Hinter einem gesicherten Zaun wohlgemerkt und unter Begleitung von fachkundigen Führern, die vier Mal am Tag (auf Spanisch und Englisch) eine Tour vorbei an den weitläufigen Gehegen machen und darauf achten, dass keiner der Besucher seine Hand zwischen die Drähte steckt.
Shelina Landay heißt die junge Frau, die an einem Samstag im Oktober die international gemisch- te Gruppe begrüßt, die sich auf dem Platz vor der Rezeption des Lobo Park eingefunden hat. Wahrscheinlich, um Spannung zu erzeugen, führt die Britin die Besucher, die schon neugierig ihre Blicke zu den Wolfsgehegen schweifen lassen, erst einmal in den kleinen Streichelzoo, in dem ein vietnamesisches Hängebauchschwein, Maultiere, ein Pfau und ein paar Ziegen die Aufmerksamkeit der zweibeinigen Gäste genießen. Ein elektrischer Zaun, der abends nach Schließung des Parks aktiviert wird, sorgt dafür, dass Eindringlin- ge wie Füchse, die etwa Appetit auf Geflügel haben, es sich genau überlegen, ob der Lobo Park für sie das geeignete Futterrevier ist.
Nach dieser kurzen Aufwärmphase, die vor allem ein Spaß für Kinder ist, sucht die Parkführerin ein paar Fleischhappen für die
Aus den vier Jungwölfen im „Kindergarten“soll einmal ein neues Rudel entstehen Ausgewachsene Polarwölfe haben ein weißes Fell, das ihnen als Tarnung im Schnee dient
Wölfe zusammen, die man jetzt endlich zu Gesicht bekommen soll.
Gleich am Anfang des Pfades befindet sich auf der linken Seite der Kindergarten, wie Shelina Landay sagt. Dort dösen vier europäische Wölfe vor sich hin – drei Rüden und ein Weibchen, die im Mai letzten Jahres auf die Welt gekommen sind. Daniel Weigend, der den Park 2004 zusammen mit Alexandra Stieber eröffnete, hat die Welpen mit der Flasche aufgezogen. Auch wenn er sie heute nicht mehr mit ins Haus nehmen kann, sei er noch immer ihr Freund und könne ins Gehege gehen, erfahren die Besucher. Aus den vier Jungwölfen soll einmal ein neues Rudel entstehen.
Ein paar Meter weiter, in einem 33.000 Quadratmeter großen Areal, lebt schon seit geraumer Zeit ein Rudel, bestehend aus sechs ausgewachsenen Wölfen und fünf Jungtieren. Obwohl natürlich auch hier das Gelände von einem Zaun umgeben ist, leben die Raubtiere wie in freier Natur. Um die Tiere so wenig wie möglich zu stören, wurde ein einziger Aussichtspunkt eingerichtet, dem sich die Wölfe nur nähern, wenn die Führer mit Fleischstückchen kommen.
Dass sich die Tiere normalerweise von Rehen, Wildschweinen und Ziegen ernähren und oft vier oder fünf Tage nach einem Beutetier suchen, wird nebenbei erklärt. Auch, dass die Wölfe sich kranke oder verletzte Tiere aussuchen und so das biologische Gleichgewicht erhalten, gibt es als Information mit obendrauf. Überhaupt beginnt sich das Bild von den Wölfen zu wandeln, die mit eingezogenen Schwänzen ihre Scheu vor dem Menschen demonstrieren.
Weniger Angst vor dem Homo Sapiens hat der Polarwolf, der zusammen mit einem Weibchen in einem eigenen Revier lebt. Er hat, wenn er ausgewachsen ist, ein weißes Fell, das ihm als Tarnung im Schnee dient. Um einen Wärmeverlust zu verhindern, haben Polar- wölfe auch kürzere Schnauzen und Ohren als andere Wölfe.
All das erklärt nicht nur Shelina Landay, auch Schautafeln in deutscher Sprache geben kurz und verständlich Auskunft über die im Park lebenden Tiere. Da es im Sommer in Antequera ganz schön heiß werden kann, wurden kleine Wasserbecken im Gehege angelegt, in denen die sonst in klirrender Kälte lebenden Polarwölfe die Möglichkeit haben, sich zu erfrischen.
Das größte Rudel des Parks lebt im letzten Gehege, das auf der Tour angesteuert wird. Zwölf Tiere im besten Wolfsalter und sechs iberische Jungwölfe tummeln sich nur wenige Meter vom Zaun entfernt. Nur hier kommt man den Wölfen im Park so nah. „Wenn ich oder ein Parkgast da reinginge, würden die Wölfe höchstwahrscheinlich abhauen“, sagt Shelina Landay, „denn sie schließen keine Freundschaften“. Aber das Risiko sei dann doch zu groß. Was für scharfe Zähne die Wölfe haben, sehen die Besucher, als Landay Fleisch ins Gehege wirft und die Brocken aus der Luft geschnappt werden. Mitunter kommt es dabei auch zu Streit und Kämpfen.
Als die geführte Tour zu Ende ist, steht Daniel Weigend in der Futterküche und füllt Eimer mit Trockenfutter, das er aus Deutschland bezieht. „Rund 4.000 Euro kostet die Ernährung der Tiere im Monat“, sagt der 50-Jährige, der sich als Teil des Rudels, nicht aber seiner Hierarchie sieht.
„Ich komme als Freund, zeige aber niemals Dominanz“, erklärt Weigend seine Arbeit mit den Tieren, die von ihm nicht domestiziert werden. „Der Chef eines Rudels hat mich über 200 Mal angegriffen, und ich habe ihm zu verstehen gegeben, dass er mir weh tut.“Der Wolf habe das getan, um ihn herauszufordern und zu sehen, was er mache, erklärt Weigend. Um zu vermeiden, dass der Alpha-Wolf sein Gesicht vor den anderen Tieren des Rudels verliert oder er selbst den Kampf mit dem Tier, sei Ignorieren das einzig Richtige. „Irgendwann lässt er von mir ab und langweilt sich“, sagt der Deutsche, der als Einziger so mit Wölfen arbeitet.
Wissenschaftler aus ganz Europa haben den Lobo Park schon besucht und das Verhalten der Wölfe studiert. „Wenn dann auch Parkgäste mit einem anderen Bild vom Wolf wieder nach Hause gehen, haben ich und mein Team schon einiges erreicht“, sagt Weigend.