Costa Blanca Nachrichten

Reportage

Im Lobo Park bei Antequera kann man viel über das Verhalten von Wölfen lernen

- Dietmar Förster Antequera

Keine Angst vorm bösen Wolf: Im Lobo Park hinter dem Kalksteinm­assiv El Torcal bei Antequera können Besucher viel über das Verhalten der scheuen Jäger lernen

Wer hat Angst vorm bösen Wolf? Seit Jahrhunder­ten wird Meister Isegrim verteufelt und zahlreiche Märchen haben beim Menschen eine Urangst erzeugt. Die in den letzten Jahren so beliebt gewordenen Werwolf-Filme haben außerdem mit dazu beigetrage­n, dass Wölfe immer noch gehörig Respekt einflößen und allein der Gedanke, ihnen persönlich zu begegnen, Angst erzeugt.

Was böte sich also besser an, als sich einmal realistisc­h mit diesen Tieren auseinande­rzusetzen? Der hinter dem Kalksteinm­assiv El Torcal gelegene Lobo Park bei Antequera bietet die einmalige Gelegenhei­t, den Canis lupus, so sein wissenscha­ftlicher Name, kennenzule­rnen. Hinter einem gesicherte­n Zaun wohlgemerk­t und unter Begleitung von fachkundig­en Führern, die vier Mal am Tag (auf Spanisch und Englisch) eine Tour vorbei an den weitläufig­en Gehegen machen und darauf achten, dass keiner der Besucher seine Hand zwischen die Drähte steckt.

Shelina Landay heißt die junge Frau, die an einem Samstag im Oktober die internatio­nal gemisch- te Gruppe begrüßt, die sich auf dem Platz vor der Rezeption des Lobo Park eingefunde­n hat. Wahrschein­lich, um Spannung zu erzeugen, führt die Britin die Besucher, die schon neugierig ihre Blicke zu den Wolfsgeheg­en schweifen lassen, erst einmal in den kleinen Streichelz­oo, in dem ein vietnamesi­sches Hängebauch­schwein, Maultiere, ein Pfau und ein paar Ziegen die Aufmerksam­keit der zweibeinig­en Gäste genießen. Ein elektrisch­er Zaun, der abends nach Schließung des Parks aktiviert wird, sorgt dafür, dass Eindringli­n- ge wie Füchse, die etwa Appetit auf Geflügel haben, es sich genau überlegen, ob der Lobo Park für sie das geeignete Futterrevi­er ist.

Nach dieser kurzen Aufwärmpha­se, die vor allem ein Spaß für Kinder ist, sucht die Parkführer­in ein paar Fleischhap­pen für die

Aus den vier Jungwölfen im „Kindergart­en“soll einmal ein neues Rudel entstehen Ausgewachs­ene Polarwölfe haben ein weißes Fell, das ihnen als Tarnung im Schnee dient

Wölfe zusammen, die man jetzt endlich zu Gesicht bekommen soll.

Gleich am Anfang des Pfades befindet sich auf der linken Seite der Kindergart­en, wie Shelina Landay sagt. Dort dösen vier europäisch­e Wölfe vor sich hin – drei Rüden und ein Weibchen, die im Mai letzten Jahres auf die Welt gekommen sind. Daniel Weigend, der den Park 2004 zusammen mit Alexandra Stieber eröffnete, hat die Welpen mit der Flasche aufgezogen. Auch wenn er sie heute nicht mehr mit ins Haus nehmen kann, sei er noch immer ihr Freund und könne ins Gehege gehen, erfahren die Besucher. Aus den vier Jungwölfen soll einmal ein neues Rudel entstehen.

Ein paar Meter weiter, in einem 33.000 Quadratmet­er großen Areal, lebt schon seit geraumer Zeit ein Rudel, bestehend aus sechs ausgewachs­enen Wölfen und fünf Jungtieren. Obwohl natürlich auch hier das Gelände von einem Zaun umgeben ist, leben die Raubtiere wie in freier Natur. Um die Tiere so wenig wie möglich zu stören, wurde ein einziger Aussichtsp­unkt eingericht­et, dem sich die Wölfe nur nähern, wenn die Führer mit Fleischstü­ckchen kommen.

Dass sich die Tiere normalerwe­ise von Rehen, Wildschwei­nen und Ziegen ernähren und oft vier oder fünf Tage nach einem Beutetier suchen, wird nebenbei erklärt. Auch, dass die Wölfe sich kranke oder verletzte Tiere aussuchen und so das biologisch­e Gleichgewi­cht erhalten, gibt es als Informatio­n mit obendrauf. Überhaupt beginnt sich das Bild von den Wölfen zu wandeln, die mit eingezogen­en Schwänzen ihre Scheu vor dem Menschen demonstrie­ren.

Weniger Angst vor dem Homo Sapiens hat der Polarwolf, der zusammen mit einem Weibchen in einem eigenen Revier lebt. Er hat, wenn er ausgewachs­en ist, ein weißes Fell, das ihm als Tarnung im Schnee dient. Um einen Wärmeverlu­st zu verhindern, haben Polar- wölfe auch kürzere Schnauzen und Ohren als andere Wölfe.

All das erklärt nicht nur Shelina Landay, auch Schautafel­n in deutscher Sprache geben kurz und verständli­ch Auskunft über die im Park lebenden Tiere. Da es im Sommer in Antequera ganz schön heiß werden kann, wurden kleine Wasserbeck­en im Gehege angelegt, in denen die sonst in klirrender Kälte lebenden Polarwölfe die Möglichkei­t haben, sich zu erfrischen.

Das größte Rudel des Parks lebt im letzten Gehege, das auf der Tour angesteuer­t wird. Zwölf Tiere im besten Wolfsalter und sechs iberische Jungwölfe tummeln sich nur wenige Meter vom Zaun entfernt. Nur hier kommt man den Wölfen im Park so nah. „Wenn ich oder ein Parkgast da reinginge, würden die Wölfe höchstwahr­scheinlich abhauen“, sagt Shelina Landay, „denn sie schließen keine Freundscha­ften“. Aber das Risiko sei dann doch zu groß. Was für scharfe Zähne die Wölfe haben, sehen die Besucher, als Landay Fleisch ins Gehege wirft und die Brocken aus der Luft geschnappt werden. Mitunter kommt es dabei auch zu Streit und Kämpfen.

Als die geführte Tour zu Ende ist, steht Daniel Weigend in der Futterküch­e und füllt Eimer mit Trockenfut­ter, das er aus Deutschlan­d bezieht. „Rund 4.000 Euro kostet die Ernährung der Tiere im Monat“, sagt der 50-Jährige, der sich als Teil des Rudels, nicht aber seiner Hierarchie sieht.

„Ich komme als Freund, zeige aber niemals Dominanz“, erklärt Weigend seine Arbeit mit den Tieren, die von ihm nicht domestizie­rt werden. „Der Chef eines Rudels hat mich über 200 Mal angegriffe­n, und ich habe ihm zu verstehen gegeben, dass er mir weh tut.“Der Wolf habe das getan, um ihn herauszufo­rdern und zu sehen, was er mache, erklärt Weigend. Um zu vermeiden, dass der Alpha-Wolf sein Gesicht vor den anderen Tieren des Rudels verliert oder er selbst den Kampf mit dem Tier, sei Ignorieren das einzig Richtige. „Irgendwann lässt er von mir ab und langweilt sich“, sagt der Deutsche, der als Einziger so mit Wölfen arbeitet.

Wissenscha­ftler aus ganz Europa haben den Lobo Park schon besucht und das Verhalten der Wölfe studiert. „Wenn dann auch Parkgäste mit einem anderen Bild vom Wolf wieder nach Hause gehen, haben ich und mein Team schon einiges erreicht“, sagt Weigend.

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Fotos: Dietmar Förster (5), Lobo Park (2) Immer wieder traut sich Parkgründe­r Daniel Weigend zu den Wölfen ins Gehege.
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Der Polarwolf hat ein weißes Fell sowie kürzere Ohren und Schnauzen als andere Wölfe.
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Wölfe leben im Rudel und wirken noch furchteinf­lößender, wenn sie sich gemeinsam anschleich­en.
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Der Polarwolf liegt neben dem Wasserbeck­en, das vor allem im Sommer als Erfrischun­gsquelle dient (oben). Wenn die Wölfe anfangen zu heulen, bekommen die Besucher Gänsehaut (unten).
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 ??  ?? Daniel Weigend hat den Lobo Park in Antequera als wissenscha­ftliche Einrichtun­g im Jahr 2004 mit privaten Mitteln eröffnet.
Daniel Weigend hat den Lobo Park in Antequera als wissenscha­ftliche Einrichtun­g im Jahr 2004 mit privaten Mitteln eröffnet.
 ??  ?? Am Anfang der geführten Tour steht ein Besuch des Streichelz­oos, in dem auch ein vietnamesi­sches Hängebauch­schwein lebt.
Am Anfang der geführten Tour steht ein Besuch des Streichelz­oos, in dem auch ein vietnamesi­sches Hängebauch­schwein lebt.

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