Costa Blanca
Vom Regen in die Traufe: Was man gegen den Pilzbefall in den eigenen vier Wänden tun kann
Schimmelige Wände: Nach Kälte und Regen muffelt es in vielen Häusern – was Bewohner gegen grüne und schwarze Flecken tun können und wann nur noch der Auszug infrage kommt
Kältewellen, Sturm, Starkregen, Schnee und Hagel – mit Naturgewalten ist das neue Jahr über die Region Valencia hereingebrochen. Die Durchschnittstemperaturen sind im Januar auf 7,2 Grad Celsius abgesackt und die Niederschlagsmenge ist auf 132 Liter pro Quadratmeter in die Höhe geschnellt, was nach Angaben des staatlichen Wetterdienstes Aemet den Durchschnittswert von 42,5 Liter pro Quadratmeter im Zeitraum von 1981 bis 2010 um ein Dreifaches überstiegen hat. Das Schlimmste aber kommt erst jetzt auf die meisten Bewohner zu.
Nach Kälte, Sturm, Regen, Schnee und Hagel zieht die Feuchtigkeit in viele Wohnungen an der Küste ein. Es muffelt, die Bettlaken werden klamm, graue und schwarze Flecken klettern die Wände hoch, senken sich von den Dachstühlen herab, der Schimmelpilz setzt sich auf Schuhe, Jacken, Hosen und Blusen in den Wand- schränken fest und bringt den Putz an den weißen Wänden vieler Chalets und Altbauten zum Abplatzen.
Was auf viele Bewohner abstoßend wirkt, gehört für Baufachmann Axel Jahn aus Dénia seit 1995 zum Alltag. Der Kampf gegen den Schimmel ist sein Geschäft. Und das beherrscht er gut. Er hielt schon mehrere Fachvorträge über das leidige Thema.
Wände im Schlafzimmer bis auf Schulterhöhe mit Schimmel befallen
Ein Härtefall wartet auf die Firma Bausanierung Jahn S.L. in Pego. „So etwas habe ich noch nicht gesehen“, sagt Axel Jahn, der Geschäftsführer. Die Wände im Schlafzimmer sind bis auf Schulterhöhe von schwarzen Flecken übersäht. Sein Hygrometer zeigt über 152 Digit an. Drei bis vier Zentimeter im Innern des Mauerwerks ent- spricht der Feuchtigkeitsgehalt also in etwa dem eines menschlichen Körpers, also etwa 80 Prozent. Alles was unter 40 Digit liegt, gilt als trocken, der Bereich 40 bis 80 als feucht und alles darüber hinaus als nass. Guten Gewissens kann er dem Schweizer Bewohner eigentlich nur eine Lösung anbieten: „Bloß raus hier“.
Einige Schimmelpilze können garstig werden, wenn ihre Konzentration ein bestimmtes Maß überschreitet. Die Sporen gelangen über die Luft in die Atemwege, können zu Allergien, asthmatischen Erkrankungen, Müdigkeit, Kopfschmerzen, brennenden Augen, Husten und noch eine ganze Palette weiterer ernsthafter Beschwerden führen.
Manche Mykotoxine können krebserregend wirken, Stoffwechselstörungen hervorrufen, das zentrale Nervensystem angreifen und sogar zu Organschäden führen. Hinter manchem vermeintlichen Heuschnupfen steckt tatsächlich eine heftige Schimmelpilzallergie.
Also als Mitbewohner mag Schimmel niemand. Doch wie es so ist mit leidigen Mitbewohnern, man wird sie schwer wieder los. Schimmelpilze entwickeln sich im Verborgenen, sie mögen es feucht und warm. Manchmal sind sie schon lange da, bevor man sie bemerkt. Ein paar Regentage reichen, und wenn die Luftfeuchtigkeit auf über 70 Prozent ansteigt, wachsen und gedeihen sie. Vor allem im Winter, wenn die Luft in den Innenräumen wärmer als draußen ist und mehr Feuchtigkeit aufnimmt. Wird sie nicht abgeführt, kondensiert die Feuchtigkeit, und dann kann es schon losgehen.
„Lüften, lüften, lüften“, sagt Jahn. Je kühler es draußen ist, desto häufiger sollten die Fenster aufgerissen werden. Das beugt Schimmelbildung vor. Achtmal am Tag sollten die Fenster zum Querlüften geöffnet werden. Das schlagen Ex- perten jedenfalls vor, um die Bildung von Schimmelpilzen zu verhindern. Doch wer kann das schon?
Kein Grund zum Schämen
„Viele Leute reden nicht gerne darüber, weil sie sich schämen. Der Schimmel hat aber absolut nichts mit Unreinlichkeit zu tun. Das ist ein Problem der Bauqualität.“Um die jeweilige Art näher bestimmen zu können, entnimmt Axel Jahn Proben und schickt sie ins baubiologische Labor. Im Fall Pego wäre das allerdings ein müßiges Unterfangen. Nicht einmal der Hund will mehr an seinem Platz neben dem Bett schlafen, und die Bewohner tragen inzwischen nachts Masken.
„Hier ist beim Bau einfach alles falsch gemacht worden. Der Boden müsste raus und das Haus entkernt werden. Da sind über 30.000, 40.000 Euro weg. Das rentiert sich in dem Fall nicht“, sagt Jahn. Als Mieter können sich die beiden Schweizer eine neue Bleibe su-
chen. Was aber sollen Eigentümer machen, die nicht so leicht ausziehen können?
Bei Schimmelbildung gilt es, sofort zu handeln. Viele Hausfrauenrezepte greifen nicht wirklich oder wirken nur kurzfristig. Beim Anblick einer Essigflasche erschrickt kein Schimmelpilz. „Im Gegenteil, das mag er. Davon ernährt er sich sogar“, sagt Jahn. Auch die chemische Keule in Form von Anti-Schimmel-Sprays sollte man nicht schwingen. Viele Produkte führen dazu, dass der Pilz im wahrsten Sinne des Wortes explodiert und seine Sporen im ganzen Raum verbreitet.
Wenn Pilze platzen
Sitzt der Schimmel oberflächlich auf der Wand, kann man die befallene Stelle gründlich scheuern, abspülen und dann trocknen. Man kann ihn auch mit Isopropylalkohol und einem Mikrofasertuch großflächig abwischen. „Das reinigt rückstandsfrei“, sagt Jahn. Nur: Getan ist es damit nicht. Generell empfehlen Fachleute: Weg mit allem, was befallen ist. Das gilt für Tapeten, Holzleisten, Fugen oder Bodenbeläge, und natürlich müssen Schäden wie defekte Leitungen, Risse in der Wand oder undichte Dächer behoben werden.
Sitzt der Schimmel also auf der Wand, muss der Putz auch nach der Erste-Hilfe-Behandlung mit Isopropylalkohol runter. Daran führt für Jahn eigentlich kein Weg vorbei. Und damit muss auch die Wand oder das Zimmer neu gestrichen werden.
Dispersionsfarben mag Jahn allerdings nicht. „Die günstige Allerweltsfarbe, die pintura plástica, besteht in der Regel nur zu vier Prozent aus Kunststoffen, ein paar Farbpigmenten und zu über 80 Prozent aus billigen Füllstoffen. Die mag der Schimmel sehr“, sagt er. Denn Mauern sollten atmen können. Deswegen empfiehlt er atmungsaktive Materialien wir Silikatfarbe und Silikatputze oder den traditionellen, allerdings heute kaum noch üblichen Kalkanstrich. Die Wand muss auch vorher grundiert werden. „Wichtig ist, systemtreu zu bleiben“, sagt er. Silikat erfordert eine spezielle Grundierung.
Wenn der Schimmel bis im Mauerwerk sitzt, sollte das Haus vom Fachmann inspiziert werden. Dann müssen Proben entnommen und im Labor untersucht werden. „In 99 Prozent der Fälle ist aufsteigende Feuchtigkeit in den Wänden aufgrund fehlender Kapillarsperren der Schimmelverursacher“, sagt Jahn. Klassische Entfeuchtungsmethoden gehen meist mit großem Arbeitsaufwand, Dreck, Lärm und hohen Kosten einher.
Oft müssen die Wände bis zum Fundament mit Spezialanstrichen oder Bitumenbahnen abgedichtet werden und von Fall zu Fall ist auch der nachträgliche Einbau einer Dränage hilfreich. Bisweilen injizieren Bausanierungsfirmen auch mit hohem Druck Flüssigkunststoffe wie Polyurethanharze, um den Kapillarfluss des Wassers im Mauerwerk zu stoppen. Dieses Injektionsverfahren gilt neben dem horizontalen Einbringen von Edelstahlplatten zwischen Fundament und Wand als eine der kostenintensivsten, aber hochwirksamsten Methoden.
Bei geringer Feuchtigkeit gibt es billigere Alternativen. Sie bringen keine endgültigen Lösungen, aber doch saubere Atemluft. „Denn die Ursache des Problems bleibt ja bestehen. Man nimmt gewissermaßen die Feuchtigkeit in Kauf“, sagt Jahn. Um sie zumindest in den Griff zu kriegen und Schaden an Wohnräumen auszuschließen, empfiehlt er häufig die Installation eines Flüsterlüfters.
Beim sogenannten Inventer handelt es sich um eine automatische aber doch simple Wohnraumbelüftung. Damit kann die Luft zirkulieren. Im Mauerwerk integrierte und diagonal zueinander angeordnete Lüftungen sorgen dafür, dass verbrauchte Raumluft durch einen thermokeramischen Speicher abgeführt und frische Luft von draußen bei der Zuführung durch den Speicher erwärmt ins Haus strömen kann. So ist immer frische Luft im Haus, ohne dass ein Fenster geöffnet werden muss.
Die Installation der unscheinbaren Geräte erfordert jeweils einen Durchbruch von 20 Zentimeter Durchmesser. So kann man mit einer relativ günstigen Investition das Problem normal feuchter Wände zumindest in den Griff bekommen. Jahn vertreibt seit zehn Jahren exklusiv dieses in Deutschland gängige Produkt in Spanien und bietet damit vor allem ausländi- schen Residenten eine gute Alternative, während ihrer Abwesenheit das Haus gut zu durchlüften. Mehr zum Thema auch in der Servicebeilage auf Seite 15.