Ausflugstipp
Der Laden Retroriginal in València bietet 1.500 authentische Objekte aus der Ikonographie der Werbung des letzten Jahrhunderts
In der Welt der Spielautomaten: Laden in València verkauft kultige Reklame und Modelle
Alles ist authentisch. Die Patina ist schwer zu imitieren. Das Erste, was Jorge Gresa herausstellt ist, dass alle ausgestellten Stücke in seinem Laden „Retroriginal“in València Originale sind. Gresa ist Gründer und neben Sergio Prieto Miteigentümer des Ladens in der Calle Alfahuir in der Landeshauptstadt.
Es gibt keine versteckten Nachbildungen auf diesen 150 Quadratmetern, die das Exklusivste an Antiquitäten aus dem Bereich der Werbung beherbergen, die das 20. Jahrhundert für die Nachwelt hinterlassen hat. Das ist grundlegend für die Glaubwürdigkeit eines Geschäfts, das auf den An- und Verkauf sowie die Ausleihe von ikonischen Markenobjekten spezialisiert ist. Die Objekte haben eine unauslöschliche, unverwechselbare Erinnerung im Gedächtnis jedes x-Beliebigen hinterlassen, der länger im vergangenen Jahrhundert als im aktuellen gelebt hat. Aufgrund ihres erfolgreichen Designs sind sie in der Zeit der billigen Kopien und des Kults um die Ästhetik bis zum Überdruss imitiert worden. Doch echtes Vintage hat seinen Preis. Das weiß Jorge Gresa, der seit seiner Kindheit ein passionierter Sammler ist. Später war sein Berufsleben mit dem Coca-ColaKonzern verknüpft, für den er elf Jahre lang arbeitete. Diese Zeit half ihm dabei, eine Sammlung von mehr als 2.000 Objekten der bekannten Getränkemarke aus Atlanta zu vervollständigen und damit ins Guinessbuch der Rekorde zu kommen.
Es verwundert also nicht, dass Coca-Cola eine Vormachtstellung im Laden einnimmt, mit solch exklusiven Stücken wie dem ersten Modell der Hutchinson-BessemerFlasche von 1894, deren heutiger Wert auf 2.500 Euro geschätzt wird. Oder mit Werbeplakaten des 19. Jahrhunderts, auf denen vollkommen selbstverständlich Reklame für Coca-Pflanzenextrakt als eine der Zutaten gemacht wird: Runde Metallschilder mit rotem Hintergrund und weißer Schrift aus den 50er Jahren, auf denen die Werbung mit den Wörtern „Beba“, „Bevete“, Buvez“, „Trink“, „Drink“von Sprache zu Sprache hüpft und die frühzeitige Globalisierung einführte. Und dabei oft auch die politische Launenhaftigkeit dieser Zeit widerspiegelte, in der die „rote“Marke den wirtschaftlichen Imperialismus der USA symbolisierte. 1959 befahl Fidel Castro, alle Plakate des „Ami-Getränks“zu entfernen und irgendein bärtiger Enthusiast befolgte dies mit angelegtem Gewehr. Jorge Gresa zeigt auf ein verrostetes Einschussloch, das eines der Plakate von der Karibikinsel „verziert“. Kuba war seinerzeit das zweite Land nach Panama, das mit dem Verkauf des Brausegetränks begann. So erinnert uns ein simples Schild – entworfen,
um an der Wand einer einfachen Bar zu hängen – daran, inwieweit das vergangene Jahrhundert Werbung und Ideologie, Lebensstile und Politik, kapitalistische Slogans und revolutionäre Parolen mischte.
Den Laden „Retroriginal“zu betreten heißt, eine Zeitreise anzutreten, zurück bis zu dem Moment, in dem die USA ihre Hegemonie über die Volkskultur der Welt begannen. Daher auch die Vorherrschaft von Objekten aus den Staaten, von der Rock-Ästhetik, urbanen Möbeln, Automaten für Briefmarken, Kaugummis, Schokolade, Erfrischungsgetränke, Tabak... Alles Objekte, die in einigen Ländern Europas mit dem Eintreffen der US-amerikanischen Truppen während des Zweiten Weltkriegs po- pulär wurden, und vor allem in den darauffolgenden Jahren des Wiederaufbaus mit der Gründung von Militärbasen und ihren Tausenden Soldaten und Konsumenten.
„Die Geschichte jeden Objekts ist wichtig, denn der Käufer erwartet, dass man sie ihm erzählt“, bestätigt der Ladeneigentümer. Seine Kunden seien häufig gewissenhafte Sammler, die ihre Kollektionen vervollständigen wollten und dabei mehr auf Qualität statt Quantität achteten. Der „New old stock“beispielsweise sei eine Art Sammlertum, das auf dem Kauf alter Gegenstände basiert, die aber praktisch neu aussehen, weil sie aus irgendwelchen Gründen nie benutzt wurden. In manchen Fällen, weil die Hersteller pleite gingen und die Produkte eingepackt blieben, ohne jemals auf den Markt zu gelangen, oft sogar noch in der Originalverpackung, was ihren Wert beträchtlich steigert.
Der Laden verfolgt mehrere Geschäftslinien. Er verleiht Stücke an Produktionsfirmen, die historische Filme und Serien drehen. Bisweilen werden seine Objekte auch für Mo- de-Shootings verwendet, die einen Retro-Look suchen, oder sogar von Paaren, die eine Hochzeit mit Vintage-Motto feiern wollen.
Für den Mitgründer von „Retroriginal“gibt es vier wesentliche Komponenten, die den Wert eines alten Objekts aus der Werbung bestimmen: das Design des „Lettering“, das Material, aus dem es gemacht ist, die Marke und das entwickelte Werbekonzept. Vier Parameter, die auch für ein aktuelles Objekt gelten. Wenn dieses erfolglos zwischen den Zeitgenossen zirkuliert, heißt das nicht automatisch, dass künftige Ästheten und Designer ihm nicht ein lukratives, zweites Leben geben und ihn in etwas verwandeln können, was in den folgenden Jahrzehnten begeh- renswert ist.
Heutzutage suchen viele Dekorateure, Ausstatter oder häusliche Typen mit Eifer metallene Emailschilder, deren leuchtende, satte Farben sehr gut zu dem Rost passen, der darunter liegt und an Macken und Narben zutage tritt. Wenn außerdem die Typographie des Schilds wieder in Mode kommt, gibt es nichts Besseres, als sie an die Wand im Apartment eines urbanen 30-jährigen Singles zu hängen. Was würde wohl ein Designer von Schildern von vor 70 Jahren denken, wenn man ihm sagen würde, dass seine Kreationen Gemälde und Fotografien im Wohnzimmer eines Zuhauses ersetzen werden? Würde er irgendeinen Sinn darin sehen, dass eine Leuchtreklame des holländischen Unternehmens Philipps eine Wohnung dekoriert? Tafeln, von denen nur wenige Originale erhalten sind, weil die Kinder wie Motten vom Licht angezogen wurden. Und weil es im vergangenen Jahrhundert keinen Lausbub gab, der nicht Profi im Steinwurf war, ist die Zahl der leuchtenden Überlebenden gering, was ihren heutigen Preis erheblich steigert. Wenn ein bescheidenes Werbethermometer einer Reinigungsfirma für Metalle Jahrzehnte später Tausende Euro kostet, dann ist der Grund offensichtlich. Das geschieht, weil sein Design eine besondere menschliche karikatureske Figur von etwas enthält, das ebenfalls vor langer Zeit ausgestorben ist: den Butler in der Nadelstreifenweste, Symbol für eine Zeit und eine Gesellschaft, die nicht wiederkehren werden.
Der weltweite Internetmarkt legt die Preise fest, aber es sind Läden wie „Retroriginal“, die es dem Käufer ermöglichen, zu wissen, ob ihm etwas gefällt. Hier kann er das Objekt anfassen und mit eigenen Augen und nicht nur über Fotos betrachten.
Jorge Gresa hat viele Stücke nach Deutschland verkauft, eine Industrienation, aus der außerdem viele Objekte ausgestellt sind: ein Spielautomat Modell Rotamint Exquisit Royal der Firma Löwen aus den 50er Jahren, die perfekt mit der Deutschen Mark aus dieser Epoche funktioniert, die ebenfalls neben dem Apparat verkauft wird. Gresa treibt die Professionalität seines Geschäfts soweit, dass er sogar alte Münzen aus dem Herstellerland anbietet. Ein Kaugummiautomat mit „Kaukugeln – bunt und gesund“lässt jeden Zentraleuropäer jenseits der 70 seine Kniehosenzeit noch einmal erleben. Emailschilder von Agfa, ein 1961 von Reinhold Weiss Braun angefertigter Tischventilator, eine hölzerne Telefonzentralstelle der Marke RFT aus den 1930er Jahren...
„Retroriginal“bietet außerdem bescheidene Objekte, hergestellt im Neolithikum des Merchandising. Kugelschreiber, Aschenbe- cher, Feuerzeuge, Schlüsselanhänger und all diese Dinge, die früher verschenkt wurden und die Schubladen füllten, bis jemand ihrer überdrüssig wurde und sie in den Müll kippte.
Ein Laden, der pures 20. Jahrhundert ist. Das Recycling eines Greises, der zurückkommt, um in den Häusern seines jugendlichen Enkels, dem 21. Jahrhundert, einen Ort zu besetzen, den er in der Erinnerung nie verlassen hatte.
Ein simples Schild erinnert daran, wie das 20. Jahrhundert Werbung und Ideologie, Lebensstile und Politik, kapitalistische Slogans und revolutionäre Parolen mischte