Vom Traktor, dem Ayuntamiento und mir
Über den Tag nach dem Unwetter in San Juan de los Terreros
Seitdem ich als Nichteinwohner dennoch einige Monate in Spanien wohne, haben sich wenige der guten Vorsätze, die ich mit hierher ins Pensionsalter genommen habe, zum Leben erwecken lassen. Dazu gehört der Sport. In meinem kleinen San Juan de los Terreros gibt es drei der sogenannten Seniorensportplätze. Also radle ich zweimal in der Woche zu einem dieser wunderbar gelegenen Freiluftfitnesszentren. Zugegeben, sofern die hübschen Einwohnerinnen aus der Urbanisation Mar de Pulpi sich meinem Trainingsakt nähern, versuche ich, die schlaff schwankenden Winkmuskeln zu straffen, dass es fast schmerzt. Aber ich glaube, der Altersabstand zwischen den parlanten Schönheiten und mir bewirkt, dass sie mich gar nicht auf dem Sportplätzchen entdecken.
Nun am Abend vor dem besagten Leistungstag kam ein mächtiger Sturm auf, den meine Frau und ich hinter der Terrassentür erschauernd bewunderten. Blätter flogen ähnlich Palomas durch die Luft und eine Schaumstoffplatte wirbelte wie ein von der Leine gerissener Drache hinauf und hinab, hielt mit einem Saltomortale inne und stürzte schwippend in den Gemeinschaftspool.
Meine Frau meinte, dass nun wieder einige der großen Müllkontainer am Strand dem Sturm ihren Inhalt übergeben würden. Der ganze Unrat flattere dahin und verfing sich irgendwo im Seegras oder an Steilhängen des Ufers. Ich erinnerte mich der riesigen Plastikfahne, die sich nach einem solchen Sturm in eine Stromleitung, die entlang der Straße nach Águilas gespannt ist, verfangen hatte. Sie war mit der Zeit wie ein Wahrzeichen geworden und grüßte uns immer freundlich, was bedeutete, dass wir gleich in Terreros sein würden. Dann, eines Tages war sie fort, wir sahen gerade noch den Hubwagen seinen Arm einfahren und das zu- sammengeknüllte Wahrzeichen auf einem Anhänger liegen.
Doch zurück zu dem Morgen nach dem Sturm. Der Himmel war blau, kein Lüftchen regte sich und die Berge des Aguilón glühten im Morgenlicht. Das Fahrrad lief wie ein Pferd, das seinen Weg kannte, zum Sportplatz. Von weitem hörte ich bereits den tiefen Brummton des Traktors, der oft das Meeresrauschen als ein Bass begleitet. Das Fahrzeug nängelte hin und her, siebte am Strand den Sand unentwegt. Da hatte die Gemeinde nach dem Sturm schnell reagiert. Ich freute mich und hatte das seltsam kindliche Gefühl, dass sich jemand um die Ordnung dieses Küstenabschnittes sorgte.
Dann schwang ich mich auf den Rudertrainer und die ersten Spaziergänger kamen. Sie waren keine Augenweide, die mich veranlasst hätten, die Muskeln jugendlich zu straffen. Ein in Shorts gekleideter Herr, der den Eindruck machte, als wenn er auf eine Büffeljagd wollte, redete unablässig auf seine Frau ein. Welch ein Unrat auf den Wegen läge, wie staubig das Geländer der kleinen Brücke sei, über die sie gerade gegan- gen waren und dass die Plastikstühle des Chiringuitos in der Landschaft herumlägen.
Mehr verstand ich nicht, da der Traktor mit Vollgas zu seinem Ausgangspunkt zurückjagte, um eine neue Spur des Strandsiebens zu ziehen. Hören konnte ich den Büffeljäger nicht mehr. Aber während er unablässig seiner Begleiterin die eine oder andere Sturmfolge anzeigte, hatte sein Hund eine Kotpyramide beachtlichen Ausmaßes direkt neben dem Wippertrainer platziert. Er war gut erzogen, der Hund. Er schaute mich mit entschuldigenden Augen an, als sein Herr ihn zu sich pfiff.
Der Traktor nängelte Runde um Runde und als ich am Strand zurückfuhr sah dieser so edel und gleichmäßig gefurcht aus, dass ich mich scheute ihn zu betreten. Schließlich musste ich den beiden Fußgängern auf der Promenade wieder begegnen.
Der Mann warf gedankenverloren einen leeren Latte-MacchiatoBecher in den Papierkorb, traf ihn aber nicht. Ich klingelte, um sie nicht anzufahren, aber das Klingeln hörten sie nicht. Während ich zwischen diesem Büffeljäger und seiner gehorsamen Frau mein Fahrrad hindurchschob, überlegte ich, was zu tun sei.
Hätte ich den Hundekot mitgenommen, könnte ich ihn nun als Corpus delicti dem Herrchen überreichen. Ja hätte ich, aber ich hatte nicht, wie auch. Doch irgendwas musste ich tun, ich würde mir nicht verzeihen, nichts getan zu haben. Ich stellte mein Fahrrad quer, sodass die Promenade den beiden versperrt war. Dann grüßte ich winkend dem Traktoristen zu, der diesen Strandabschnitt mit seinem nängelnden Gefährt reinigte.
Es dröhnte wie eine Büffelherde an uns vorbei und der Fahrer erwiderte meinen Gruß lachend. Die beiden Fußgänger sahen mich etwas irritiert an, als ich ihnen strahlend mitteilte, dass es doch wunderbar von der Gemeinde sei, die Strände zu reinigen. Das Gerät entferne sogar den Hundekot. Erst dann machte ich den Weg frei. Als ich die letzte Steigung zu unserem Haus hinauffuhr, kam ich mir doch etwas kindisch vor. Aber wer sollte sonst sein Fahrrad querstellen?