Ohne Punkt und Komma
Hallo Frau Edith, ich bin alleinstehend und habe eine Nachbarin, die auch alleine lebt. Es könnte eine nette Zweisamkeit sein, wenn die Nachbarin nicht immer auf mich einreden würde, ohne Punkt und Komma.
Sie kommt vom Hundertstel ins Tausendstel. Und wenn ich wirklich auch mal was sagen will, muss ich höllisch aufpassen, dass ich es gerade erwische, wenn sie denn mal kurz Luft holt.
Das ist leider kein Dialog und mich nervt es mit der Zeit so, dass ich immer irgendwelche Ausreden erfinde, um mich nicht mit ihr treffen und abgeben zu müssen. Trotzdem bin ich damit unzufrieden, und ich ärgere mich dann manchmal über mich selber, weil ich so ungeduldig bin.
Denn eigentlich ist die Nachbarin mir sympathisch, und verärgern oder gar verletzen möchte ich sie natürlich auch nicht. Also: Wie kriege ich die Dame dazu, dass sie auch mal zuhört anstatt immer selbst fast ununterbrochen zu reden?
Wir sind beide über 60 und beide Witwen ohne Kinder. Bitte antworten Sie mir. Danke im Voraus und beste Grüße, M. B.
Edith meint:
Wenn Menschen lange allein leben, dann schleicht es sich oft ein, dass man mit sich selbst zu reden anfängt. Und trifft man dann Leute, neigen viele Menschen in der Tat dazu, ununterbrochen zu reden, weil sie einfach ein so großes Mitteilungsbedürfnis haben. Sie merken dann gar nicht, dass sie ihrer Umwelt da- mit auf die Nerven gehen.
Sie schreiben ja, die Dame sei Ihnen sympathisch. Dann versuchen Sie doch mal, ihr diesbezüglich zu helfen. Am besten ist, Sie laden Sie mal ein. Dann ist es an Ihnen, ein offenes Wort mit der Nachbarin zu reden.
Machen Sie die Dame einfach einmal auf liebevolle und sensible oder sogar auf humorvolle Art auf deren Redeschwall aufmerksam. Ich könnte mir vorstellen, dass diese dann zumindest versucht, ihren Redefluss etwas zu bremsen. Genau so wahrschein- lich ist aber auch, dass sie unweigerlich nach kurzer Zeit wieder ins alte Fahrwasser gerät.
Der Prozess, das Zuhören zu lernen oder sich eine Eigenart abzugewöhnen, erstreckt sich meistens über längere Zeit. Ihrerseits sind dazu Takt, Feingefühl, Diplomatie und Geduld gefragt.
Ich wünsche Ihnen beiden, dass Sie es zu einem harmonischen Miteinander schaffen. Ihre Edith Kühn Ich freue mich auf Ihre Post an: edita.kuehn@yahoo.es