Costa Blanca Nachrichten

Frieden in der Ehe

Norwegisch­er Friedensfo­rscher Johan Galtung gibt am Wochenende Seminar zu häuslicher Gewalt

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Geteilte Aufgaben: Johan Galtung spricht in L’Alfàs del Pi über Gleichbere­chtigung

L’Alfàs del Pi – ms. Frieden und Streitschl­ichtung sind sein Spezialgeb­iet, Johan Galtung hat zwischen dem IS und dem Westen vermittelt oder sich mit dem angespannt­en Verhältnis zwischen den USA und Afghanista­n befasst. Der norwegisch­e Soziologe und Mathematik­er hat sogar der UNO etwas voraus: Er ist auf den Tag genau 15 Jahre älter als die Charta der Vereinten Nationen – am 24. Oktober wird er 87 Jahre alt. Am Wochenende nimmt sich der Friedensfo­rscher das Konfliktpo­tenzial zwischen Männern und Frauen vor. Er gibt im Centro Social in Albir ein Seminar zum Thema häusliche Gewalt.

CBN: Wie geht ein Friedensfo­rscher an das Thema häusliche Gewalt heran?

Johan Galtung: Meine Aufgabe ist es, Lösungen zu liefern. Das vermisse ich bisher in der spanischen Gesellscha­ft. Man befasst sich zwar mit den Rechten für Frauen. Damit, was schlecht ist, aber mit den Männern hat noch niemand gearbeitet. Die eine Seite sind die Frauen und ich unterstütz­e zu 150 Prozent, dass sich an der Gleichstel­lung etwas ändern muss. Aber wir dürfen die andere Seite nicht vergessen, die Männer.

Wie könnte das aussehen?

Sehen Sie, ich habe mit Männern geredet und bin zu dem Schluss gekommen, dass ihre größte Angst ist, das andere Geschlecht könnte die Rolle einnehmen, die sie jahrhunder­telang hatten und sie genauso behandeln wie sie es so lange mit den Frauen getan haben.

Also ein feministis­cher Rachefeldz­ug?

So in etwa. Die Patriarche­n fürchten das Matriarcha­t, weil sie glauben, die Frauen ticken genauso wie sie. Sicher ist diese Angst nicht ganz unberechti­gt. Es wird Frauen geben, die Rache wollen. Das ist menschlich, aber die große Mehrheit – davon bin ich überzeugt – will lediglich Egalität.

Wie erreichen wir die?

Das Einfachste wäre, sich in der Mitte zu treffen. Hälfte-Hälfte, Fifty-Fifty – bei der Kindererzi­ehung, im Haushalt, wenn es sein muss, könnte sich ein Ehepaar sogar einen Arbeitspla­tz teilen. Den einen Tag geht er, den anderen sie. Beide machen alles und verdienen das Gleiche. Kreativitä­t ist gefragt.

Was müssen Frauen dafür tun?

Sich darauf einstellen und im Zweifelsfa­ll gute Antworten parat haben. Meine Frau Fumiko ist Japanerin. Sie stammt aus einer sehr patriarchi­schen Familie, genau wie ich. Sie kommt aus einer Gesellscha­ft mit jahrhunder­tealter Samurai-Kultur, ich aus dem Wikingertu­m. Trotzdem haben wir es geschafft, Gleichbere­chtigung zu erlangen. Neulich bei einer Mediation, wo es um den Frieden zwischen Japan und China ging: Sie als Japanerin hatte die Fakten, ich die soziologis­chen Hintergrün­de. Das „Ko“am Ende des Namens meiner Frau heißt übrigens nichts anderes als „Mädchen“. 90 Prozent der Frauen in Japan heißen so. Das ist eigentlich völlig unnötig, wieder ein Stück Patriarcha­t.

Zurück zu Spanien: Ist häusliche Gewalt ein konkretes Problem hierzuland­e oder kommt uns das nur so vor, weil man sich so intensiv damit befasst?

Ich glaube, dass das Patriarcha­t in Spanien fester in der Gesellscha­ft verankert ist, als in anderen europäisch­en Ländern. Das liegt an der Vergangenh­eit des Landes, an Francos „Normalspan­ien“mit Feudalismu­s, Militär und Kirche. Im Idealfall gebar eine Frau drei Söhne und hatte damit ihren Soll erfüllt. Schon in der zweiten Republik ab 1931 hatte man in Spanien versucht, das Patriarcha­t zu beseitigen. Aber das geht nicht einfach mit einem Parteiprog­ramm.

Wie sehen Sie die aktuelle Auseinande­rsetzung Spaniens mit dem Thema häusliche Gewalt?

Die Spanier sind beschämt, aber die Gewalt geht weiter. Auch in der amerikanis­ch anmutenden Be- richtersta­ttung sehe ich keine Lösung. Vielmehr führt das zu Nachahmung und einer Abstumpfun­g der Gesellscha­ft. Es muss mehr positive Propaganda für Gleichbere­chtigung gemacht werden. Und auch Sexualität spielt eine wichtige Rolle. Männer töten ja nicht irgendwelc­he Frauen, sondern konkret ihre Partnerin oder Expartneri­n. Es geht also um Ehe, das Bett, sexuelle Beziehunge­n. Im Seminar werde ich auch darüber sprechen.

Wie lange dauert es noch, bis Frauen und Männer beruflich und sozial gleichgest­ellt sind?

Hier etwa zehn Jahre, schätze ich.

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Foto: Ángel García Johan Galtung glaubt, dass die Gleichbere­chtigung noch Zeit braucht.

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