Ein gewichtiges Problem
Rund ein Viertel der spanischen Kinder hat Übergewicht – Maßnahmen von Ärzten und Institutionen zeigen langsam Wirkung
Man kennt das Phänomen aus den USA, wo Hamburger und Coke in XXL-Größen bei vielen zum täglichen Speiseplan gehören: Kinder und Jugendliche mit eindeutig zu viel Speck auf den Rippen – übergewichtig, fettleibig, krank. Und auch im Vereinigten Königreich schlugen Ärzte bereits Alarm. Kein Wunder, die Trends, die aus den Staaten herüberschwappen, erreichen meist zuerst die angelsächsische Insel Europas.
Aber Spanien? Im mediterranen Paradies der Mittelmeerdiät – basierend auf Obst, Gemüse und dem gesunden Olivenöl – sollen die Kinder zu dick sein? Erschreckend und aufrüttelnd war das Ergebnis der ersten Aladino-Studie im Jahr 2011, die Spanien im Rahmen der europaweiten Cosi-Initiative der Weltgesundheitsorganisa- tion (WHO) nun alle zwei Jahre erstellt (siehe Kasten Seite 29). Demnach war gut ein Viertel der spanischen Kinder zwischen sechs und neun Jahren übergewichtig und rund 18 Prozent fettleibig.
An der Spitze Europas
Damit zählte Spanien – und übrigens auch die anderen Mittelmeeranrainer Griechenland, Malta und Italien sowie das benachbarte Portugal – zu den EU-Ländern, in denen Übergewicht bei Kindern am auffälligsten in Erscheinung trat. „Wir standen zeitweise auf dem zweiten Platz hinter Großbritannien“, sagt Nuria Espinosa. Die Kinderärztin arbeitet im Krankenhaus von Orihuela im Fachbereich Endokrinologie. In ihre Sprechstunde kommen hauptsächlich kleine Patienten, die von ihrem jeweiligen Kinderarzt im Gesundheitszentrum an sie überwiesen wurden – wegen Übergewicht oder anderer Probleme, die in Zusammenhang mit Ernährung und Stoffwechsel stehen.
„Auf den ersten Blick sieht man nur ein Kind, das übergewichtig ist, aber welche Folgen dies bereits für die Gesundheit hat, kann man nur durch eine Blutana- lyse und der Kontrolle weiterer Werte feststellen“, erklärt Espinosa, selbst Mutter von drei Kindern. „Was man aber ebenfalls sehen kann, ist, dass die Kinder häufig wenig Selbstbewusstsein haben, viele wirken traurig“, fügt die 41Jährige hinzu.
Espinosa und ihre Kollegen gehen nicht nur den Folgen des Übergewichts auf den Grund, sondern auch dessen Ursache – und versuchen, gegenzusteuern. „Zunächst führen wir eine Befragung zu Ess-, Sport- und Freizeitgewohnheiten durch und werten sie aus“, erzählt die Kinderärztin. Ein Fehler, den viele Personen mit Übergewicht begingen, sei, dass sie gar nichts frühstücken. „Dabei ist dies die wichtigste Mahlzeit am Tag.“
Die Hauptursache für Übergewicht bei Kindern sei allerdings der Überschuss an Zucker. „Als erstes muss man den raffinierten Zucker aus dem Speiseplan streichen“, meint daher Nuria Espinosa. „Industriell gefertigte Backwaren, schnell abbaubare Kohlenhydrate, gesüßte Frühstücksmüsli, Kekse – all dies ist nicht empfehlenswert. Auch gesüßte Getränke oder Säfte aus der Flasche sollten gemieden werden.“