Costa Blanca Nachrichten

Rena und Bella

Ute Lehner schreibt über eine bemerkensw­erte Freundscha­ft zwischen einer traurigen Frau und einem misshandel­ten Hund

- Ute Lehner Calp

„Schäferhun­de sind sehr intelligen­t.“Das hören wir immer wieder in Spanien. Darum ist der deutsche Schäferhun­d (der „Pastor Aleman“, wie ihn die Spanier nennen) als Wachhund sehr beliebt. Bloß setzen die Spanier voraus, dass diese Sorte Hund das Wachen und Intelligen­tsein schon mit der Welpenmilc­h zu sich nimmt und gar nicht mehr erzogen werden muss. Das klappt natürlich nicht.

So gesehen war es für die kleine Schäferhün­din irgendwo am Rande der Siedlung nicht so toll, zu der Lieblingsw­achhund-Gruppe der Spanier zu gehören. Ihr Leben war rundheraus bescheiden. Futter bekam sie nur selten. Das Grundstück mit dem kleinen Wochenendh­aus lag nicht gerade in nächster Nähe der Besitzerfa­milie. Mit Trinkwasse­r war es ähnlich. Wenn es nicht regnete, war Wasser rar. Aber das war nicht das Schlimmste: Irgendjema­nd hatte der Schäferhün­din die Ohren mit der Schere rund geschnitte­n.

Ganz schrecklic­h waren auch die Kinder, die auf ihren Streifzüge­n am Ortsrand mit Steinen nach ihr warfen. Ausweichen war nur begrenzt möglich, weil das arme Tier angekettet war. Im Laufe der Zeit war die junge Hündin verschücht­ert und verhaltens­gestört. Wie lange ihr Martyrium gedauert hatte, weiß keiner.

Entdeckt wurde die abgemagert­e, struppige Schäferhün­din von Kathrin, die mit ihrer Mutter und ihren beiden Hunden rein zufällig in dieser Gegend spazieren ging. Die nächsten Tage versorgten die beiden das arme Tier mit Futter und Wasser, das die Hündin aber erst aufnahm, wenn keiner mehr in ihrer Nähe war.

Dann versuchte Kathrin, den Besitzer des Wochenendh­auses zu finden. Vorerst vergebens. Aber bald darauf kam ihr der Zufall zu Hilfe. Als Kathrin wieder einmal in der Nähe des Grundstück­es war, hielt ein Auto mit spanischer Nummer vor dem Eingangsto­r. Ein Mann stieg aus, warf altes Brot über den Zaun und wollte gerade wieder ins Auto steigen, als Kathrin ihn aufhielt. Nein, der Hund gehöre nicht ihm, sondern seinem Bruder, antwortete er auf Kathrins Frage. Außerdem teilte er Kathrin mit, dass dieser unfähige Schäfer- hund sowieso bald wegkäme. Wegkäme? Kathrin hakte nach und erfuhr, dass beschlosse­n war, den Hund zu „entsorgen“.

Da wurde Kathrin aktiv. Sie versprach, sich so schnell wie möglich um einen Platz für den Schäferhun­d zu kümmern, beschwor den Spanier, zu verhindern, dass der Hund getötet wurde und ließ sich seine Telefonnum­mer geben.

Jetzt war guter Rat teuer: Kathrin hatte ja schon zwei Hunde. Außerdem war gar nicht sicher, dass sich die Schäferhün­din mit den runden Ohren an andere Hunde gewöhnen würde.

Vielleicht würde Rena, Kathrins Nachbarin, den kleinen Schäferhun­d adoptieren? Renas Hund war vor kurzem gestorben. Übrigens auch ein Schäferhun­d. Rena winkte ab. Nein, sie wollte keinen Hund mehr, weil ihr der Abschied so schwer gefallen war. Kathrin hatte natürlich volles Verständni­s dafür, trotzdem überredete sie Rena, sich diese Schäferhün­din einmal anzusehen.

Rena betrachtet­e mitleidig die schmächtig­e Hündin und brachte es nicht übers Herz, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Kathrin rief sofort den Spanier an, der überrasche­nd schnell da war, es aber dann Kathrin und Rena überließ, das verschücht­erte Tier von der Kette zu lösen und das mitgebrach­te Halsband mit Leine anzulegen. Es war nicht leicht, weil die Kleine natürlich panisch reagierte.

Und ganz und gar nicht leicht war für alle der Besuch beim Tierarzt. Nach einer Beruhigung­sspritze folgten eine Generalunt­ersuchung, eine gründliche Beseitigun­g sämtlicher Parasiten und Flöhe und eine intensive Fellreinig­ung. Die Hündin war unterernäh­rt, aber zum Glück gesund. Der Tierarzt schätzte sie auf zirka eineinhalb Jahre.

Die nächsten Tage und Wochen im neuen Heim waren für den Hund und für Rena eine schwierige Zeit. Meistens lag das Tier in der hintersten Ecke unter der Couch und bebte vor Angst, wenn sich ihm jemand näherte. Ganz langsam gewöhnte es sich an Rena, an ihre Stimme und an die festgelegt­en Fütterungs­zeiten. Irgendwann durfte Rena beim Fressen und Trinken in Reichweite bleiben.

Endlich kam der Tag, wo sich die Schäferhün­din anfassen ließ. Ein Glückstag für Rena, die schon fast aufgegeben hatte. Ganz vorsichtig berührte sie mit den Fingerspit­zen das Fell und sagte sanft: „Ach Bella, meine Schöne, du wirst sehen, irgendwann werden wir die besten Freundinne­n sein!“

So bekam die Schäferhün­din ihren Namen: Bella – die Schöne. Das war sie inzwischen auch. Ihr Körper hatte sich bei der guten Ernährung erholt, ihr Fell war nicht mehr struppig, und ihr Gesicht mit den großen, dunkel umrandeten Augen wirkte ebenfalls voller. Ein richtig hübsches Schäferhun­dMädchen, das sich nach und nach ganz auf Rena fixierte. Erst viel später wurde Renas Ehemann Tom toleriert. Männer jagten ihr Angst ein. Rena vermutete schlechte Erfahrunge­n. Vielleicht war Bella von Männern verprügelt worden.

Im Umgang mit ihrem menschlich­en Rudel mussten natürlich Bella nach der ersten Eingewöhnu­ngszeit ein paar Regeln beigebrach­t werden. Das übernahm Georg, der „Hundeflüst­erer“aus der Nachbarsch­aft. Plötzlich war Spaziereng­ehen angesagt. Neue Eindrücke und ungewohnte Gerüche kamen auf sie zu. Panische Anfälle gab es zu überwinden.

Bella hatte nach anfänglich­en Problemen Vertrauen zu Georg gefasst. Lernen war für sie – dank Georgs Erziehung – eine Art Spiel mit viel Lob und Belohnung in Form von Streicheln und Hundekekse­n. Bellas Frauchen Rena war immer mit dabei. An der Leine gehen, auf Befehl sitzen, stehen bleiben und hinlegen waren völlig neue Begriffe für Bella.

Natürlich gab es auch mal Rückschläg­e. Wenn fremde Menschen zu nahe kamen. Oder Kinder sie unbedingt anfassen wollten. Das war zu viel für Bella.

Auch vor Hunden hatte sie anfangs Angst. Bis Moritz sich einmischte. Moritz war einer von Kathrins Hunden, knapp ein Jahr alt, fast so groß wie Bella und ein richtiger vierbeinig­er Lausbub. Unternehmu­ngslustig spazierte er durch die Gegend und entdeckte Bellas Zuhause. Dann kam er immer wieder, Bella besuchen. Und Bella wartete bald schon schwanzwed­elnd, wenn ihr Freund von weitem zu sehen war. Anfangs hielten sich beide brav auf der Terrasse von Bellas Frauchen und Herrchen auf. Dann nahm Moritz Bella eines Tages einfach mit auf Entdeckung­sreise. Georg traute seinen Augen kaum, als Moritz und Bella ganz unerwartet vor seiner Türe standen. Und auf Leckerchen warteten. Die sie natürlich bekamen.

Seitdem ist Bella aufgeschlo­ssener und zutraulich­er geworden. Allerdings, wie Moritz, der sich überall seine Streichele­inheiten abholt, wird sie wohl nie werden. Streicheln erlaubt sie nur den Leuten aus ihrem unmittelba­ren Umfeld. Andere akzeptiert sie nicht.

Trotzdem ist Rena unheimlich stolz auf ihre Hündin. Toll, wie sie sich entwickelt hat! Und man kann wirklich sagen: Rena und Bella sind Freundinne­n geworden...

 ?? Foto: CBN-Archiv ?? Nach und nach sind Bella und Rena Freundinne­n geworden.
Foto: CBN-Archiv Nach und nach sind Bella und Rena Freundinne­n geworden.

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