Tänzerinnen in Öl
Antonio Torres stehen Primaballerinas Model – Gemälde geben Einblick in die Welt internationaler Tänzerinnen
Mindestens 450 Gemälde klassischer Balletttänzerinnen hat der Künstler Antonio Torres aus Ondara angefertigt. Er fotografiert, studiert und malt auf Leinwand, was er als seine große Leidenschaft bezeichnet: die Anmut der Primaballerinas der großen Balletts der Welt.
Antonio Torres ist gern gesehener Gast, wenn etwa Russlands Staatsoder Englands Nationalballett in Spanien gastieren. Dann öffnen sich dem 47-jährigen Spanier bereitwillig die Türen der Theatergarderoben. Denn bevor sich der angesehene Ballettmaler in seinem Atelier in Ondara mit Pinsel und Leinwand an die Arbeit macht, entstehen zunächst unzählige Fotos, die zuweilen sehr intime Einblicke in die Welt der Tänzerinnen hinter der Bühne gewähren.
Seit nunmehr zehn Jahren hat sich Antonio Torres der BallettMalerei verschrieben und sich damit einen Namen gemacht. In der Szene kennt und schätzt man den Maler, der sich mit der Zeit viel Wissen über die klassische Form des Bühnentanzes angeeignet und schon zahlreiche Tänzerinnen in den unterschiedlichsten Posen auf Leinwand gebannt hat. Dies öffnet dem Künstler Tür und Tor und ermöglicht ihm, ohne jegliche Zensur in den Garderoben des Bühnenensembles zu fotografieren.
„Ich gehe beim Fotografieren sehr diskret vor und versuche, nicht aufzufallen oder zu stören“, sagt Torres. Er wisse das Vertrauen, das man ihm entgegenbringe, sehr zu schätzen. „Es ist ein großes Privileg.“Für Antonio Torres sind es nicht unbedingt die Tanzszenen auf der Bühne, die er einfangen möchte. „Viel wichtiger für mich sind Momentaufnahmen, die die Tänzerinnen etwa vor ihrem Auftritt oder in der Pause in ihrer eigenen Welt zeigen.“
Der aus El Ballestero, einem kleinen Dorf in der Mancha, stammende Künstler, für den der Glaube eine große Rolle spielt, gibt sich bescheiden. Dem Maler liegt es fern, ein großes Aufheben darum zu machen, dass sich durch die Ballettmalerei Freundschaften wie etwa mit den Haupttänzerinnen Natalia Gubanova (Russisches Staatsballett), oder Lauretta Summerscales (Englisches Nationalballett) ergeben haben, und er Kontakte zu führenden Tänzerinnen wie Nini Samadashvili (Georgien), Bianca Fota (Rumänien) oder Vesela Vasileva (Bulgarien) pflegt.
Spät zur Malerei
„Ich bin kein Freund von Extravaganz, sondern lebe die Malerei mit Bescheidenheit und Demut“, betont der Meister. Die Kunst sei etwas Wunderbares. „Man malt nicht nur mit dem Pinsel in der Hand, man malt auch dann, wenn man durch eine Straße geht oder während man schläft.“
Dass Antonio Torres einmal Kunstmaler werden würde, war in jungen Jahren nicht abzusehen. „In meiner Familie gab es niemand, der etwas mit Kunst zu tun hatte“, erzählt der Spanier. „Die Malerei interessierte mich zwar schon in meiner Jugend, aber ich hatte nie die Absicht, einmal selbst in diese Richtung zu gehen.“Nach dem Militärdienst verschlug es Torres zunächst nach Santa Pola und Va-
lencia und schließlich nach Ondara. Dort lernte er den Maler Joan Vidal kennen. Die Begegnung sollte sein Leben verändern.
Torres entschied sich, Maler zu werden, ging sechs Jahre bei Vidal in die Lehre. „Als ich mich zur Malerei bekannte, war ich 24 Jahre alt, und mein Leben nahm plötzlich eine neue Wende“, sagt er. Sein Glück: Sein Arbeitgeber, ein Fabrikant aus Dénia, bewilligte ihm einen Arbeitsplan, der es ihm erlaubte, neben seiner Arbeit Malunterricht zu nehmen. „Ich habe mein Leben damals völlig umgekrempelt, alle Hobbys aufgegeben, und mich neben meinem Job ganz der Malerei gewidmet“, verrät der Künstler.
Sicherheit durch Malschule
Als Joan Vidal in einen anderen Ort gezogen sei, habe er dessen Malschule in seinem eigenen Atelier weitergeführt. Dort in der Calle Antic Camp de Futbol 5 bildet er auch weiterhin Malschüler verschiedener Altersgruppen und Nationalitäten aus. Derzeit sind es etwa 50 Kunstinteressierte, die bei ihm das Malen lernen.
Torres macht kein Geheimnis daraus: „Die Malschule gibt mir finanzielle Sicherheit. Dank meiner Schüler kann ich mich ohne Druck meinen Bildern widmen. Mit der Malerei allein käme ich wohl kaum über die Runden.“Der Künstler macht eine kurze Pause, bevor er fortfährt: „Es ist auch gut, dass man nicht den ganzen Tag alleine im Atelier verbringt. Man neigt dazu, merkwürdig zu werden, wenn man immer nur alleine vor sich hin malt. Der Kontakt zu Menschen ist deshalb wichtig.“
Stand eigentlich schon immer die Ballettmalerei im Mittelpunkt? „Nein, überhaupt nicht“, sagt der Spanier. „Während meiner Ausbildung habe ich alles gemalt. Später entwickelte ich ein Faible dafür, hauptsächlich Bettler und Menschen mit einer Behinderung zu skizzieren.“In dieser Zeit habe er ausschließlich Flamenco mit Wehgesang gehört. Torres schiebt diese Erinnerung mit einem Lachen weg: „Irgendwann wurde mir klar, dass ich selbst als Bettler enden würde, wenn ich mich auch weiterhin auf Motive konzentriere, die keine Abnehmer finden.“
Den Auslöser dafür, dass er vor zehn Jahren anfing, Balletttänzerinnen zu malen, habe eine Schülerin gegeben. „Sie gab eine extrem große Leinwand an mich ab, für die sie keine Verwendung hatte“erzählt der Maler. „Klassische Musik, die Oper und Ästhetik des Balletts haben mich schon immer begeistert. Und so entstand auf dem Boden meines Ateliers das erste Gemälde einer Balletttänzerin.“Von da an habe er nur noch Bilder von Frauen in Tanzposen gemalt, ohne jedoch nur annähernd eine Ahnung von Ballettfiguren zu haben.
Sein Wissen verbesserte Torres in der Tanzschule Pas de Quatre in Dénia, die eine Freundin von ihm leitet. Dort lernte er die Ballettschülerin Mar Ronda kennen. „Sie wurde meine erste Mu- se“, erinnert sich der Künstler. „Ich habe sie tausendfach fotografiert, um sie zu malen. Die Eleganz, die Schönheit, die Ästhetik und vor allem die Disziplin, die den Balletttanz ausmachen, hätten ihn von da an immer mehr fasziniert. Schon bald habe es für ihn nichts anderes mehr gegeben als die Ballettmalerei.
Um seine Kenntnisse zu erweitern und seinen Gemälden mehr Authentizität zu verleihen, besuchte der Spanier weitere Tanzschulen wie etwa die von Salomé Rodriguez in Jávea und studierte die gra- zilen Bewegungen der Schülerinnen beim Tanz. Mit offenbar mäßigem Erfolg. Ein Kenner der Szene sagte ihm nämlich auf den Kopf zu, er werde sich an Ballettschulen niemals das nötige Wissen aneignen können, um als Ballettmaler erfolgreich zu sein. „Das saß“, sagt Torres. „Er meinte, wenn ich Erfolg haben wollte, müsste ich mich mehr unter Profitänzern bewegen.“Die Kritik sei niederschmetternd gewesen. „Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits mehr als 150 Bilder von Balletttänzerinnen gemalt.“
Freundschaften entstanden
Und wieder meinte es das Schicksal gut. Salomé Rodriguez nahm ihn mit zu einer Aufführung des Russischen Nationalballetts in Teulada-Moraira, wo er die Tänzerin Natalia Gubanova kennenlernte. Eine schicksalweisende Begegnung in der Karriere des Malers, der heute sagt: „Ihr verdanke ich sehr viel. Sie ist ein wunderbarer Mensch und hat entscheidend zu meiner malerischen Entwicklung beigetragen.“Seit der Begegnung vor sechs Jahren sei zu ihr eine tiefe Freundschaft entstanden. „Ich habe viel aus ihrem Leben erfahren – von ihrer Kindheit an bis hin zu ihren heutigen Erfolgen. Einiges davon habe ich in meinen Bildern verarbeitet.“Dabei schaut er auf ein Gemälde, das die russische Tänzerin als junge Ballettschülerin zeigt. Das Mitwirken seiner Models sei ihm sehr wichtig. „Sie erzählen mir ihre Geschichten und ich mache Bilder daraus.“Natalia Gubanova habe ihn zu der Bilderserie „Arco Iris Azul“inspiriert.
Auch Lauretta Summerscales ist seit drei Jahren ein wichtiger Bestandteil in der Karriere des begnadeten Malers. Antonio Torres gerät ins Schwärmen, wenn er von der Ballerina erzählt. Sie habe ihn vom ersten Moment an mit ihrer Anmut und Natürlichkeit in ihren Bann gezogen. Auch mit der Engländerin, die sich in der Bilderserie „Blue Dream“wiederfindet, verbindet Torres eine echte Freundschaft. Diese geht sogar so weit, dass er im kommenden Monat gemeinsam mit seiner Frau an Summerscales’ Hochzeit mit dem Ballettänzer Jona Acosta in Großbritannien teilnehmen wird.
Eine große Auswahl an Ballett-Gemälden stellt Torres in seinem Atelier, Calle Antic Camp de Futbol 5, in Ondara aus. Zudem sind bei einer Dauerausstellung des Künstlers 30 Bilder in der Casino Bar in Pego, Plaza Poeta Llorente 6, zu sehen. Der Maler nimmt auch persönliche Auftragswünsche an. 606 647 940.