Ein Tag am Fluss
Das Mündungsdelta des Ebro im Süden von Katalonien bietet etliche Attraktionen für Naturliebhaber
Der Ebro, Spaniens wasserreichster Fluss, entspringt in der Sierra de Hijar im Kantabrischen Gebirge. Auf seinem mehr als 900 Kilometer langen Verlauf dient er als natürliche Grenze zwischen dem Baskenland und der Rioja, durchkreuzt Kastilien-Leon, Navarra sowie Aragon und fließt an der Costa Dorada im Süden Kataloniens schließlich ins Mittelmeer.
Dort, wo Fluss und Meer aufeinandertreffen, hat sich ein sumpfiges, über 300 Quadratkilometer großes Mündungsdelta herausgebildet, das eines der größten Feuchtgebiete entlang der gesamten Mittelmeerküste aufweist. Mitgewirkt hat an der Gestaltung der Landschaft nicht zuletzt aber auch der Mensch, und zwar durch den seit Jahrhunderten in dem Gebiet betriebenen Reisanbau.
Ein idealer Startpunkt, um die Erkundung der beeindruckenden Landschaft mit seiner vielfältigen Flora und Fauna in Angriff zu nehmen, ist das kleine, mitten im Ebro-Delta gelegene Dorf Deltebre. Nur einige wenige Kilometer östlich des Ortes befindet sich der Port de Deltebre, der Hafen, in dem gleich mehrere Ausflugsboote vor Anker liegen. Bootstour bis zur Mündung Das Mündungsdelta des Ebro kann man nämlich außer zu Lande auch zu Wasser erkunden. Eine interessante Option, da man von der Schiffsbesatzung – abwechselnd auf Spanisch oder auf Katalanisch – mit wissenswerten Informationen über Land und Leute, die Geschichte des Landstrichs sowie dessen Ökosystem versorgt wird.
So erfährt man während der halbstündigen Rundfahrt auf dem Fluss etwa, dass das Delta durch eine seit Jahrzehnten zunehmende Regression bedroht wird. Durch den Bau mehrerer Staudämme im Verlauf des Ebro bleiben die Sedimente fern, die einst zur Entstehung des Marschlandes führten. Während sich das Meer die ihm
zuvor abgenommene Landmasse durch Erosion zurückholt.
Einen Eindruck davon gewinnt man beim Anblick eines ausgedienten Leuchtturms, der in früheren Jahren am Ufer stand und von dem nun, auf dem offenen Meer befindlich, nur noch die aus dem Wasser herausragende Spitze zu sehen ist. Es ist dies nur ein Beispiel dafür, wie sich der Landstrich mit der Zeit stetig verändert.
Ein weiteres Beispiel ist die Flussmündung selbst, die sich einige Meter weiter nördlicher befindet als noch vor einigen Jahren. Infolge eines Hochwassers nach einem Unwetter schufen sich die Wassermassen nämlich einen neuen Zugang zum Meer – während der bisherige inzwischen durch eine Sandbank versperrt worden ist.
Sandablagerungen sorgen auch dafür, dass die Ausflugsboote sich nicht allzu nah an die Mündung wagen dürfen, denn dort ist der Fluss weniger als einen Meter tief. Was in der Vergangenheit schon so manchem unerfahren Seemann, der sein Boot dort auf Grund setzte, zum Verhängnis wurde.
Alternativ zur Bootstour kann man die beeindruckende Natur am Ebro-Delta auch auf einer kleinen Wanderung oder auch einer Radtour entlang des Ufers erleben. Unterwegs wird einem angesichts der üppigen Vegetation mit Galeriewäldern, Röhricht und Strandhafer schnell klar, warum ein Fünftel des Mündungsgebietes seit 1983 als Naturpark unter Schutz steht.
Kurz nach Beginn der Strecke gelangt man an die höchste Erhebung des Deltas. Diese ist indes nicht schwer zu erklimmen, da sie nur wenige Meter emporragt. Auf der Anhöhe befindet sich das Denkmal der sieben Jungfrauen. Es handelt sich um sieben Säulen mit den Bildnissen der sieben Schutzheiligen der sieben spanischen Regionen, durch welche der Ebro von seiner Quelle bis zum Mittelmeer durchfließt. In der Folge passiert man einen kleinen Sporthafen, bevor man unweit der Mündung zu einem Aussichtsturm gelangt. Von diesem hat man einen weitreichenden Ausblick auf mehrere Lagunen des Schwemmlandes, in denen Flamingos, Reiher, Blässhühner, Enten und unzählige weitere Wasservögel zuhause sind oder auf ihren Wanderungen Halt machen.
Vom Aussichtsturm ist zudem die zwischen dem Ebro und einem Seitenarm des Flusses gelegene Illa de Buda zu sehen. Die Insel war in früheren Zeiten von Familien bewohnt, die vom Reisanbau lebten. Aussaat und Ernte wird inzwischen aber von Maschinen erledigt, so dass die menschliche Arbeitskraft weitgehend überflüssig wurde, weshalb die einstigen Siedler mittlerweile verzogen sind.
Reis wird auf etwa 75 Prozent der gesamten Fläche des Mündungsgebietes kultiviert, was das Ebro-Delta zum größten Anbaugebiet in Spanien macht. Die durch etliche Bewässerunsgkanäle zerpflügten Felder werden zu Beginn des Frühjahrs für die im Mai anstehende Aussaat vorbereitet. Nach der Aussaat werden dann die Schleusen geöffnet, um die Felder komplett unter Wasser zu setzen.
Im Sommer, wenn die Stängel der Reispflanzen emporwachsen, breitet sich quasi ein grüner Rasen über das Delta. Hitze und Mücken machen einen Besuch zu dieser Jahreszeit allerdings etwas beschwerlich. Im Frühherbst wird das Getreide dann geerntet, bevor man im Winter die Felder schließlich wieder austrocknen lässt. Reis, Muscheln und Aale Nach der Wanderung oder Radtour über das flache Land kann man zurück in Port del Deltebre in einem der zahlreichen Restaurants einkehren. Reisgerichte sind natürlich der Verkaufshit in allen Lokalen. Auf der Speisekarte finden sich aber auch weitere Delikatessen aus der Umgebung wie Pfahlmu- scheln, Schwertmuscheln und sonstige Schalenweichtiere. Zu den gastronomischen Spezialitäten des Deltas gehören außerdem noch Aale und Froschschenkel.
Für jene, die die Gegend so schnell noch nicht verlassen wollen, sondern mehr sehen wollen, stehen zwei mögliche Routen zur Auswahl. Eine Route führt von Deltebre in nördliche Richtung. Vorbei an der Küstenurbanisation Riumar gelangt man zu der für ihre Wanderdünen bekannten Halbinsel El Fangar. In der Bucht zwischen der Halbinsel und dem Festland befinden sich unzählige künstlich angelegte Muschelbänke, in denen die Schalentiere gezüchtet werden.
Die zweite Route führt in südliche Richtung, wofür man allerdings erst den Fluss überqueren muss. Auf eine von Ufer zu Ufer hin- und herfahrende Fähre braucht man jedoch nicht mehr zu warten, da Deltebre und Sant Jaume d‘Enveja mittlerweile durch eine Brücke über den Ebro miteinander verbunden wurden.
Von dem kleinen Dorf Sant Jaume d´‘Enveja aus geht es über die noch kleinere Siedlung Els Muntells in Richtung Küste. Auf der Fahrt wird offenkundig, dass im gesamten Delta nur an die 50.000 Menschen leben, die gerade Mal fünf Prozent des Mündungsgebietes bevölkern. Unterhalb von Els Muntells befindet sich die Insel La Banya, die durch eine Sandbank mit dem übrigen Delta verbunden ist. Auf der Insel befinden sich die Salinas de la Trinidad, in denen Salz gewonnen wird. Und ein beliebtes Strandrestaurant, das außer über eine holprige Schotterpiste auf der Sandbank auch per Boot von dem Küstenort Sant Carles de la Rapita bequem zu erreichen ist.
Die genannte Sandbank eröffnet die Möglichkeit, auf dem offenen Meer oder in den ruhigeren Gewässern des zum Festland hin gelegenenen Binnenmeers zu baden. Dank der Sandablagerungen sind beide Strände alles andere als tief und daher für Familien mit Kindern sehr zu empfehlen.
Sehr beliebt sind die Strände dank der im Ebro-Delta für gewöhnlich starken Winde auch unter Wassersportlern, insbesondere den Kite-Surfern. Wohnmobilisten trifft man in der Gegend ebenfalls und Hülle und Fülle an. Trotz der zumeist großen Zahl an Ausflüglern hat man wegen der weitläufigen Landschaft stets die Möglichkeit, ganz für sich allein zu sein.
Das Ebro-Delta kann man wahlweise zu Fuß, mit dem Rad oder auf einem Boot erkunden Wanderdünen sind im Norden und Salinen im Süden des Deltas zu finden