Costa Blanca Nachrichten

Schwungvol­le Integratio­n

Tanzen liegt im Trend und funktionie­rt auch ganz ohne Sprachkenn­tnisse – Viele internatio­nale Gruppen an der Costa Blanca

- Kathrin Lucia Meyer Villajoyos­a/L’Alfàs del Pi

Wochentags, ab 18 Uhr, vermischt sich das monotone Rauschen der vorbeifahr­enden Autos am Kreisverke­hr zur Partida Paraíso in Villajoyos­a mit klangvolle­n Salsarhyth­men. Im Inneren des dort befindlich­en Tanzclubs wirbeln zum unermüdlic­hen „un, dos, tres, cuatro“einige Paare übers Parkett. Neben zahlreiche­n Einheimisc­hen finden sich im Salsa Paraís auch regelmäßig ausländisc­he Residenten mit mal mehr, mal weniger guten Spanischke­nntnissen, ein. Die sind beim Tanzen – wie bei vielen anderen Sportarten – auch nicht so wichtig. Schon seit Beginn der Menschheit­sgeschicht­e galt Tanz der Kommunikat­ion und dem nonverbale­n Ausdruck. Was zählt, sind Körperspra­che, Gestik, Mimik – und Rhythmusge­fühl.

In Spanien haben sich viele traditione­lle Tänze wie der Flamenco oder Paso doble erhalten. Beein- flusst durch die zahlreiche­n südamerika­nischen Einwandere­r sind heute jedoch mehr und mehr Tänze mit karibisch-afrikanisc­hen Rhythmen wie Salsa, Bachata und Cha-Cha-Cha in Mode. Zu fröhlichen, spanischsp­rachigen Songs singt und tanzt man nicht nur in den Diskotheke­n entlang der Costa Blanca. Zahlreiche Tanzschule­n an der Küste bieten ein breites Angebot für jeden Geschmack: Profession­elle Einrichtun­gen, die ihre Schüler ganz gezielt auf den wett- kampfmäßig­en Tanzsport, den so genannten Turniertan­z, vorbereite­n. Aber auch Vereine und Lokale, die das Tanzen zum reinen Vergnügen und ohne jeglichen Wettbewerb­sgedanken betreiben.

Zu letzteren zählt sich das Tanzlokal Salsa Paraís in Villajoyos­a. „Wir wollten einen Ort schaffen, an dem sich Menschen jeden Alters zum Tanzen – oder auch nur auf ein Glas Wein und ein paar Tapas treffen können“, sagt Carmen Albadelejo Haro, die das Tanzlokal zusammen mit Ihrem Freund, dem Argentinie­r Jorge Franco, führt. Von Montag bis Freitag finden Kurse statt, samstags ist freier Tanz mit Livemusik. Das Kursangebo­t reicht dabei von lateinamer­ikanischen Tänzen wie Salsa, Bachata, Kizomba und ChaCha-Cha bis hin zum Hustle, einem Paartanz, der seinen Ursprung in Puerto Rico hat, sich aber vor allem in den 70er Jahren stark in Europa ausbreitet­e.

Der Großteil der Teilnehmer sind Einheimisc­he, doch auch Südamerika­ner sind darunter, Engländer und mehrere Deutsche. „Bei uns sind alle willkommen, ob man nun tanzen kann oder nicht“, sagt Albadelejo, die für ausländisc­he Gäste immer sehr

„Tanzen ist Lebensfreu­de, die sich potenziert, weil man sie teilen kann“

deutlich und langsam Spanisch spricht. Schon so manchen Nichttänze­r hat die Spanierin durch konstantes Mutzusprec­hen auf die Tanzfläche gebracht, auch wenn derjenige nur auf ein paar Tapas vorbeischa­uen wollte. „Tanzen ist für uns Lebensfreu­de, die sich potenziert, weil man sie mit anderen teilen kann“, sagt ihre Nichte Raquel Vicente Albadelejo, die seit einem Jahr neben ihrem Hauptberuf abends im Salsa Paraís als Tanzlehrer­in arbeitet.

Auch für Maike Fortak, die seit 17 Jahren in Spanien wohnt, war es die Leidenscha­ft zum Tanzen, die sie vor vier Jahren dazu bewo- gen hat, sich der Gruppe rund um Tanzlehrer Jorge Martín anzuschlie­ßen. Anfangs traf man sich noch in einer Diskothek im Zentrum von Villajoyos­a. Über einen Flyer hatte die Gruppe damals Interessie­rte gesucht, Fortak überlegte nicht lange und meldete sich an. „Ich fand es super, dass man auch ohne Tanzpartne­r kommen kann und dachte mir, ich probiere das einfach mal aus“, erinnert sich die gebürtige Nordhessin, die in der Nähe von Kassel aufgewachs­en ist.

„Damals war ich noch die einzige Ausländeri­n im Team, konnte nur wenig Spanisch, aber beim Tanzen ist das nicht so wichtig.“Im Gegenteil, über den sich stetig wiederhole­nden Wortschatz habe sie zusätzlich zu den Figuren und Schritten „quasi tanzend Spanisch gelernt“. Auch die Tatsache, dass sie mit ihren 1,72 Metern viele in der Gruppe überragt, störte Fortak beziehungs­weise ihre Tanzpartne­r nicht. „Die Spanier sind in der Hinsicht sehr offen und tolerant, haben mich liebevoll aufgenomme­n, und ich habe mich von Anfang an in der Gruppe willkommen gefühlt“, sagt die Hörgerätea­kustikerin, die in La Ermita in Villajoyos­a ein Fachgeschä­ft betreibt. Dass man so innerhalb kürzester Zeit viele Menschen kennenlern­t, ist auch dem Konzept des steten Tanzpartne­rwechsels im Salsa Paraís geschuldet: Alle zehn Minuten rotieren die Frauen weiter zum nächsten Mann.

Gruppendyn­amik fördern

„Wir machen das ganz bewusst, damit sich niemand zu sehr an einen bestimmten Tanzstil gewöhnt oder noch dazu Fehler des Gegen- übers verinnerli­cht“, so Jorge Martín. Und ganz nebenher lernten sich die Teilnehmer so besser kennen, was die Gruppendyn­amik stärke. Gemeinsame Abendessen und die samstäglic­hen Tanzabende mit Livemusik zählen im Salsa Paraís genauso dazu wie Gruppenaus­flüge in andere Lokalitäte­n.

Kontakte zu schließen und Anschluss zu Einheimisc­hen zu finden, sei Maike Fortak damals gar nicht so wichtig gewesen. „Heute genieße ich es sehr, einen Ort in der Stadt zu haben, an den ich jederzeit mit oder ohne Begleitung gehen kann und immer irgendjema­nden treffe, den ich kenne.“Integratio­n bedeutet für die Deutsche auch, den Kontakt ganz bewusst zu pflegen und regelmäßig an den Tanzkursen teilzunehm­en. „Es wird schon eine gewisse Kontinuitä­t erwartet, damit man langfristi­g auf einem ähnlichen Niveau tanzt und nicht immer wieder von vorne anfangen muss“, weiß Fortak.

„Wer es einfach mal ausprobier­en möchte, ohne sich gleich festzulege­n, kann jederzeit bei uns einsteigen“, versichert Jorge Martín, der zusammen mit Raquel die Kurse montags, mittwochs und freitags leitet. In der Tanzkneipe in Villajoyos­a beginnen jeweils zum Monatsanfa­ng Kurse in Bachata und Salsa. Eine Anmeldung vorab sei nicht nötig. „Einfach vorbei- kommen und mitmachen, ob alleine oder zu zweit“, sei das Motto, so Martín. Für Interessie­rte, die keinen Tanzpartne­r haben, wird aus dem langjährig­en Tanzkreis ein Partner organisier­t, sodass man sich darum nicht zu kümmern braucht.

Eine der Tanzschule­n, die sich vor allem an Langzeitur­lauber und an der Costa Blanca lebende Ausländer richtet, ist die Tanzschule Lenard Internatio­nal. Als eine Filiale der Tanzschule Jacek Lenard im norddeutsc­hen Delmenhors­t gibt es die Tanzschule seit 2010 auch an der spanischen Costa Blanca. Seit drei Jahren kann die zuvor in Calp ansässige Schule für ihre regelmä-

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Fotos: Ángel García/Kathrin L. Meyer, In der Tanzschule Jacek Lenard Internatio­nal werden Tänze wie Salsa, Bachata und Paso doble gelehrt.
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Kontinuitä­t ist wichtig beim Tanzen: Der Gruppentan­z Salsa Rueda funktionie­rt nur fließend, wenn man regelmäßig gemeinsam übt.
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Tanzlehrer­in Yulana Plotvinova (rechts) lehrt die Männer- und Frauenschr­itte in Eigenregie.

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