Schwungvolle Integration
Tanzen liegt im Trend und funktioniert auch ganz ohne Sprachkenntnisse – Viele internationale Gruppen an der Costa Blanca
Wochentags, ab 18 Uhr, vermischt sich das monotone Rauschen der vorbeifahrenden Autos am Kreisverkehr zur Partida Paraíso in Villajoyosa mit klangvollen Salsarhythmen. Im Inneren des dort befindlichen Tanzclubs wirbeln zum unermüdlichen „un, dos, tres, cuatro“einige Paare übers Parkett. Neben zahlreichen Einheimischen finden sich im Salsa Paraís auch regelmäßig ausländische Residenten mit mal mehr, mal weniger guten Spanischkenntnissen, ein. Die sind beim Tanzen – wie bei vielen anderen Sportarten – auch nicht so wichtig. Schon seit Beginn der Menschheitsgeschichte galt Tanz der Kommunikation und dem nonverbalen Ausdruck. Was zählt, sind Körpersprache, Gestik, Mimik – und Rhythmusgefühl.
In Spanien haben sich viele traditionelle Tänze wie der Flamenco oder Paso doble erhalten. Beein- flusst durch die zahlreichen südamerikanischen Einwanderer sind heute jedoch mehr und mehr Tänze mit karibisch-afrikanischen Rhythmen wie Salsa, Bachata und Cha-Cha-Cha in Mode. Zu fröhlichen, spanischsprachigen Songs singt und tanzt man nicht nur in den Diskotheken entlang der Costa Blanca. Zahlreiche Tanzschulen an der Küste bieten ein breites Angebot für jeden Geschmack: Professionelle Einrichtungen, die ihre Schüler ganz gezielt auf den wett- kampfmäßigen Tanzsport, den so genannten Turniertanz, vorbereiten. Aber auch Vereine und Lokale, die das Tanzen zum reinen Vergnügen und ohne jeglichen Wettbewerbsgedanken betreiben.
Zu letzteren zählt sich das Tanzlokal Salsa Paraís in Villajoyosa. „Wir wollten einen Ort schaffen, an dem sich Menschen jeden Alters zum Tanzen – oder auch nur auf ein Glas Wein und ein paar Tapas treffen können“, sagt Carmen Albadelejo Haro, die das Tanzlokal zusammen mit Ihrem Freund, dem Argentinier Jorge Franco, führt. Von Montag bis Freitag finden Kurse statt, samstags ist freier Tanz mit Livemusik. Das Kursangebot reicht dabei von lateinamerikanischen Tänzen wie Salsa, Bachata, Kizomba und ChaCha-Cha bis hin zum Hustle, einem Paartanz, der seinen Ursprung in Puerto Rico hat, sich aber vor allem in den 70er Jahren stark in Europa ausbreitete.
Der Großteil der Teilnehmer sind Einheimische, doch auch Südamerikaner sind darunter, Engländer und mehrere Deutsche. „Bei uns sind alle willkommen, ob man nun tanzen kann oder nicht“, sagt Albadelejo, die für ausländische Gäste immer sehr
„Tanzen ist Lebensfreude, die sich potenziert, weil man sie teilen kann“
deutlich und langsam Spanisch spricht. Schon so manchen Nichttänzer hat die Spanierin durch konstantes Mutzusprechen auf die Tanzfläche gebracht, auch wenn derjenige nur auf ein paar Tapas vorbeischauen wollte. „Tanzen ist für uns Lebensfreude, die sich potenziert, weil man sie mit anderen teilen kann“, sagt ihre Nichte Raquel Vicente Albadelejo, die seit einem Jahr neben ihrem Hauptberuf abends im Salsa Paraís als Tanzlehrerin arbeitet.
Auch für Maike Fortak, die seit 17 Jahren in Spanien wohnt, war es die Leidenschaft zum Tanzen, die sie vor vier Jahren dazu bewo- gen hat, sich der Gruppe rund um Tanzlehrer Jorge Martín anzuschließen. Anfangs traf man sich noch in einer Diskothek im Zentrum von Villajoyosa. Über einen Flyer hatte die Gruppe damals Interessierte gesucht, Fortak überlegte nicht lange und meldete sich an. „Ich fand es super, dass man auch ohne Tanzpartner kommen kann und dachte mir, ich probiere das einfach mal aus“, erinnert sich die gebürtige Nordhessin, die in der Nähe von Kassel aufgewachsen ist.
„Damals war ich noch die einzige Ausländerin im Team, konnte nur wenig Spanisch, aber beim Tanzen ist das nicht so wichtig.“Im Gegenteil, über den sich stetig wiederholenden Wortschatz habe sie zusätzlich zu den Figuren und Schritten „quasi tanzend Spanisch gelernt“. Auch die Tatsache, dass sie mit ihren 1,72 Metern viele in der Gruppe überragt, störte Fortak beziehungsweise ihre Tanzpartner nicht. „Die Spanier sind in der Hinsicht sehr offen und tolerant, haben mich liebevoll aufgenommen, und ich habe mich von Anfang an in der Gruppe willkommen gefühlt“, sagt die Hörgeräteakustikerin, die in La Ermita in Villajoyosa ein Fachgeschäft betreibt. Dass man so innerhalb kürzester Zeit viele Menschen kennenlernt, ist auch dem Konzept des steten Tanzpartnerwechsels im Salsa Paraís geschuldet: Alle zehn Minuten rotieren die Frauen weiter zum nächsten Mann.
Gruppendynamik fördern
„Wir machen das ganz bewusst, damit sich niemand zu sehr an einen bestimmten Tanzstil gewöhnt oder noch dazu Fehler des Gegen- übers verinnerlicht“, so Jorge Martín. Und ganz nebenher lernten sich die Teilnehmer so besser kennen, was die Gruppendynamik stärke. Gemeinsame Abendessen und die samstäglichen Tanzabende mit Livemusik zählen im Salsa Paraís genauso dazu wie Gruppenausflüge in andere Lokalitäten.
Kontakte zu schließen und Anschluss zu Einheimischen zu finden, sei Maike Fortak damals gar nicht so wichtig gewesen. „Heute genieße ich es sehr, einen Ort in der Stadt zu haben, an den ich jederzeit mit oder ohne Begleitung gehen kann und immer irgendjemanden treffe, den ich kenne.“Integration bedeutet für die Deutsche auch, den Kontakt ganz bewusst zu pflegen und regelmäßig an den Tanzkursen teilzunehmen. „Es wird schon eine gewisse Kontinuität erwartet, damit man langfristig auf einem ähnlichen Niveau tanzt und nicht immer wieder von vorne anfangen muss“, weiß Fortak.
„Wer es einfach mal ausprobieren möchte, ohne sich gleich festzulegen, kann jederzeit bei uns einsteigen“, versichert Jorge Martín, der zusammen mit Raquel die Kurse montags, mittwochs und freitags leitet. In der Tanzkneipe in Villajoyosa beginnen jeweils zum Monatsanfang Kurse in Bachata und Salsa. Eine Anmeldung vorab sei nicht nötig. „Einfach vorbei- kommen und mitmachen, ob alleine oder zu zweit“, sei das Motto, so Martín. Für Interessierte, die keinen Tanzpartner haben, wird aus dem langjährigen Tanzkreis ein Partner organisiert, sodass man sich darum nicht zu kümmern braucht.
Eine der Tanzschulen, die sich vor allem an Langzeiturlauber und an der Costa Blanca lebende Ausländer richtet, ist die Tanzschule Lenard International. Als eine Filiale der Tanzschule Jacek Lenard im norddeutschen Delmenhorst gibt es die Tanzschule seit 2010 auch an der spanischen Costa Blanca. Seit drei Jahren kann die zuvor in Calp ansässige Schule für ihre regelmä-