In die Pampa gelotst
Umweltfreundlichste, schnellste oder kürzeste Strecke: Über die Tücken moderner Navigationsgeräte
Vor drei Jahren war ich mit meinem Wohnmobil in Deutschland. Als die Halterung meines Navis der Sonneneinstrahlung in Spanien Tribut zollte und sich in Einzelteile zerlegte, entschied ich mich, ein neues zu kaufen, zumal mir die Bildschirmgröße nicht mehr zeitgemäß erschien. In irgendeinem Media-Markt ließ ich mich ausführlich beraten und kaufte letztendlich ein Tom-Tom GO. Nach den Worten des Angestellten war es das Beste, was seinerzeit auf dem Markt war.
Im Laufe der Zeit stellte ich aber einige grundlegende Unterschiede zu meinem alten Navi fest, wie die wenig realitätsnahe Darstellung oder die gewöhnungsbedürftigen Hinweise eines – um es vorsichtig zu formulieren – nicht sonderlich sprachbegabten Sprechers. Trotzdem gab ich mir alle Mühe, das neue Gerät als Produkt des Fortschritts zu betrachten – und gewöhnte mich auch so langsam daran.
Den größten Unterschied machte ich bei der Routenplanung aus. Während mir mein altes Navigon vor Fahrtbeginn bis zu drei unterschiedliche Fahrstrecken zur Auswahl angeboten hatte, musste ich mich von nun an zwischen der kürzesten, der schnellsten oder der umweltfreundlichsten Strecke entscheiden. Leider wurden alle nicht zur Anzeige gebracht, sodass ich dem jeweiligen Angebot blind vertrauen musste. Da ich wenig Sinn darin sehe, möglichst schnell ans Ziel zu kommen, schied die schnellste Strecke von vornherein aus. Ebensowenig kam die kürzeste Strecke für mich in Betracht, da sie erfahrungsgemäß schon mal über Landwirtschafts- und Sandwege verläuft. Als umweltbewusster Mensch wählte ich deshalb die umweltfreundlichste Strecke.
Nach mehreren merkwürdig verlaufenden Routen beschlich mich jedoch das Gefühl, mit diesem Streckenverlauf irgendwie in die Pampa gelotst zu werden. Deshalb wandte ich mich mit folgender E-Mail an Tom-Tom:
„…hätte ich noch eine weitere Frage bezüglich der Navi-Software. Sie gestattet mir die Auswahl zwischen der schnellsten, der kürzesten und der umweltfreundlichsten Strecke – im Prinzip eine gute Sache, könnte man denken. Letztere wähle ich in der Regel auch aus. Leider muss ich mich immer wieder fragen, welche Kriterien Sie zu dieser Einstufung veranlasst haben. Hierzu zwei Bei- spiele.
Beispiel 1: Ich fahre auf einer durch einen bewohnten Bereich verlaufenden Straße. Dann fordert mich die Software plötzlich auf, rechts abzubiegen, um ein paar Blocks zu fahren, dann die Durchgangsstraße zu kreuzen, dort um ein paar Blocks zu fahren, um dann wieder auf die Durchgangsstraße zu gelangen und ihr weiter zu folgen.
Beispiel 2: Die Software leitet mich von der Hauptstraße auf einen parallel dazu verlaufenden, schmalen Landwirtschaftsweg. Dort mühe ich mich kilometerweit um enge Kurven und schmale Stellen und kürze vielleicht 50 Meter ab, bevor ich wieder auf die Hauptstraße zurückgeleitet werde. Die ganze Zeit habe ich die breite Hauptstraße im Blick.
Da frage ich mich immer wieder, was dieser Blödsinn soll. Und mit umweltfreundlichem Verkehrsverhalten hat das allemal gar nichts zu tun. Im Gegenteil. Folge ich den Routenanweisungen Ihres Navis, fahre ich anscheinend ein Vielfaches der Strecke, die ich zu fahren beabsichtige. Mittlerweile traue ich den Routenangeboten nicht mehr, sondern navigiere parallel laut Landkarte. Dafür habe ich mir aber kein Navi gekauft. Vielleicht fällt Ihnen zu diesem Thema ja eine triftige Begründung ein.“
Darauf erhielt ich folgende Antwort: „In Bezug auf Ihre Anfrage zu der umweltfreundlichsten Route ist diese Option durch die Karte und die historischen Daten zur statistischen Fahrtdauer anderer TomTom Benutzer begrenzt“.
Aja. Jetzt weiß ich endlich Bescheid. Auf so eine aufschlussreiche Antwort hatte ich insgeheim gehofft. Ich bin sogar so freudig erregt darüber, dass ich mich entschieden habe, Tom-Tom Lebewohl zu sagen und ein Navi eines anderen Anbieters zu kaufen.
Der Unsinn mit der umweltfreundlichsten Strecke gehört damit der Vergangenheit an. Mir scheint, da wurde etwas angedacht, es jedoch niemals zu Ende gebracht – vielleicht, weil diese Zielvorstellung auf viel zu vielen Streckenparametern beruht und damit zu ambitioniert ist. Übrigens stellte ich im Internet fest, dass ich nicht der Einzige bin, den der tiefere Sinn eines umweltfreundlichen Streckenverlaufs à la Tom-Tom nicht erreicht hat.