Für Kunst voll ausgestattet
Vereinigung der Fuß- und Mundmaler wird 60 Jahre – 1957 im März in Liechtenstein, im Dezember in Spanien gegründet
Mucksmäuschenstill werden die Kinder, als Virginia Calderón zum Pinsel greift. Mit Bedacht nimmt sie damit Farben auf, mischt sie auf dem vor ihr liegenden Brett und trägt sie auf die kleine Leinwand auf. Konturen eines Baums kommen zutage. Als das Bild fertig ist, legt die Malerin den Pinsel aus dem Fuß. Ihre Hände hat sie nicht benutzt. Die Schüler kennen nun die Kunst der Pintores con la Boca y con el Pie, der spanischen Fuß- und Mundmaler. Ihre Vereinigung feiert in diesem Jahr weltweit den 60. Geburtstag.
In Liechtenstein gründete der Deutsche Erich Stegmann im März 1957 den Verband mit zunächst 17 Künstlern. Stegmanns Kinderlähmung hatte ihm mit zwei Jahren die Hände außer Gefecht gesetzt. Dennoch malte er – mit dem Mund – und vertrieb seine Bilder. Seine Vereinigung, bewusst im neutralen und strategisch gelegenen Königreich verortet, sollte Künstlern wie ihm vor allem eines ermöglichen: finanzielle Unabhängigkeit.
So galt auch bei der Gründung des Ablegers in Spanien (APBP) im Dezember 1957 die Prämisse: Verzicht auf Almosen. „Die sind an sich nichts Schlechtes“, sagt Ricardo Charlofé, Direktor für Spanien. „Doch obwohl viele unserer Künstler im Rollstuhl sitzen, oder bettlägerig sind, wollen sie allein von ihrer Tätigkeit leben.“ Dafür verkaufen die heute weltweit 900 Mitglieder in 78 Ländern Kalender, Karten oder Puzzles mit ihren Werken. Produktion und Vertrieb regelt jeweils ein Finanzund Marketingteam, dem in Spanien seit 20 Jahren Charlofé vorsteht. „Die Mitglieder sind schließlich Menschen der Kunst, denen die Welt der Zahlen Schwierigkeiten bereitet.“
Körperlich eingeschränkt sei er selbst nicht – „und auch künstlerisch nicht begabt“– sondern „normaler Angestellter, der morgen die Stelle verlieren kann.“In der Hierarchie der internationalen Vereinigung ganz oben steht ein Gremium aus sieben Malern aus verschiedenen Teilen der Welt, darunter der Deutsche Thomas Kahlau.
Zwei Neue, die Südkoreanerin Soon-Yi Oh und der Neuseeländer Grant Sharman, traten im April in den Vorstand ein. Gewählt wurden sie bei der Jubiläumsfeier in Barcelona – von den weltweit 120 festen Mitgliedern. „Das sind die, die seit Jahren für die Vereinigung malen und von ihr ein Gehalt auf Lebenszeit erhalten“, erklärt Charlofé. Aus dem Gremium geschieden ist 2017 aus Altersgründen ein Spanier: Manuel Parreño war 19jährig Gründungsmitglied.
Als einer von derzeit drei Spaniern bleibt der heute 78-jährige der Vereinigung bis zum Lebensende erhalten. Weitere 29 haben den Status eines becario, Stipendiaten. „Die erhalten für drei Jahre ein Stipendium, mit dem sie sich verpflichten, rund zehn Bilder pro Jahr dem Verein zur Verfügung zu stellen“, erläutert Charlofé. Das Geld – „ein großzügiger Betrag“– müsse auch in die künstlerische Ausbildung investiert werden.
Entzogen werden könne es bei fehlendem Engagement. „Das ist ausgesprochen selten“, sagt der APBP-Direktor. In der Regel werde, nachdem der Künstler Fort-
„Wenn du eine Schwäche hast, bildest du automatisch woanders eine Stärke aus“
schritte gemacht hat, nach Begutachtung durch eine Jury, das folgende Stipendium aufgestockt. „Deswegen erhalten die Maler auch ganz verschiedene Beträge“.
Völlig unterschiedlich seien auch ihre körperlichen Profile. „Gemein haben sie nur, dass sie die Hände nicht benutzen können.“Der gesprochenen Sprache kaum mächtig ist wegen ihrer Zerebralparese beispielsweise María Dolores Vázquez aus València. Umso fitter ist sie von klein auf mit den Füßen, mit denen sie nicht nur malt und schreibt, sondern auch Skulpturen formt.