Marsch für Identität
Bedeutende Elemente des „Moros y Cristianos“-Stadtfests von Orihuela
Was es mit den Moros auf sich hat: Blick hinter die Paraden der Mauren und Christen in Orihuela
Erstmals „von nationalem Interesse“ist Orihuelas Reconquista-Fest. Das Jahr 2017 passt, denn den Höhepunkt erreicht die Fiesta am 17. Juli. Vor genau 774 Jahren soll an jenem Tag die Stadt aus den Mauren- in die Christenhände gelangt sein. Neben den marschierenden Moros und Cristianos lohnt sich dabei der Blick auf einige Details. Denn die bedeuten der Stadt sehr viel.
Alles überstrahlt diesmal der Oriol, Stadtbanner mit der Goldamsel, seit neuestem „Gut von kulturellem Interesse“. In der Nacht zum 17. Juli, „Tag des Vogels“, hat er seinen großen Auftritt auf dem Stadtbalkon. „Seit 1400 ist das fast ununterbrochen so“, so Pepe Vegara, neuer Vorsitzender des Moros-y-Cristianos-Ausschusses.
Zum Ursprung des Oriol gebe es viele Thesen. „Vielleicht war er Geschenk des Königs.“Eine Spur führe auch nach Palmyra in Syrien. „Dann wäre es die Übernahme eines feindlichen Banners.“Jedenfalls sei der adlerähnliche Vogel auch in der Vega Baja verbreitet.
Keine Würdigung der Gewalt
„Der Oriol ist Symbol höchster Würde, ist nur dem König und Gott unterstellt“, so Vegara. Sein Tipp: „Achten Sie darauf, dass er immer aufrecht getragen wird. Nur im Gottesdienst am 17. Juli, bei der Wandlung von Brot und Wein, neigt er den Kopf.“
Eine weitere Heldin der Fiesta ist Armengola. Als christliche Amme auf dem maurischen Hof soll sie, der Legende nach, mit einer Verschwörung in der Nacht zum 17. Juli König Jaime den Weg zur Reconquista geebnet haben.
Bei den Märschen führt Armen- gola, zu erkennen am Toisón – eine Halskette mit dem Wappen aller Komparsen – sowohl Mauren als auch Christen an. 2017 spielt sie Concepción Cabrera. Weniger festlich erscheint die Amme im Reconquista-Museum – mit zerquetschtem Mauren unter ihren Füßen.
„Solche Darstellungen entstanden teils hunderte Jahre nach der Reconquista“, so Vegara. Kulturforscherin Gemma Ruiz weist auf Parallelen mit der biblischen Judit hin: „Auch die bewies Mut für ihr Volk. Es geht aber keinesfalls um die Verherrlichung der Gewalt.“
Letzteres sei eine wichtige Botschaft für das richtige Verständnis der Fiesta. „Gefeiert wird die Identität der Stadt – nicht die gewaltsame Vertreibung eines Volks“, erklärt auch Vegara. Historisch sei die Reconquista Orihuelas nicht einmal militärisch geschehen, sondern durch Kapitulation.
„Heute lautet die Botschaft: Wir gehen, vereint, einen Weg“, sagt Vegara. Dabei würden Mauren „nicht gedemütigt“, sondern vielmehr ihr Erbe gewürdigt. „Sie sind auf dem Fest sogar beliebter – und zahlreicher – als die Christen.“
Muslimische Verbände würden bisher nicht teilnehmen, seien aber willkommen. Das wolle Vegara zukünftig auf interkulturellen Konferenzen hervorheben.
Die wichtigsten Figuren der Fiesta seien nämlich gar nicht Armengola und auch nicht der Oriol, sondern Justa und Rufina. Die Heiligen mit Gedenktag am 17. Juli sind keine Kämpferinnen, sondern zwei Märtyrinnen der römischen Christenverfolgung im 3. Jahrhundert in Spanien. Orihuelas Legende erzählt von ihnen als zwei Himmelslichtern, die Armengola und König Jaime den Weg in der dramatischen Nacht der Reconquista gewiesen haben sollen. „Lassen wir das beiseite“, empfiehlt Vegara. Im Trubel der Fiesta – der Vorsitzende marschiere als Maure und als Christ – setze er sich am 17. Juli in die Kirche der Heiligen Justa und Rufina. „Dort spreche ich ganz still mit ihnen“, sagt er. Für Vegara der Höhepunkt der Fiesta.