Party ohne Dame
Stadt ohne iberische Dame zum 120. Fundjubiläum, 2018 soll sie aber kommen – Neue Erkenntnisse zu Material
Die Party fand ohne das Original statt. Auch zum 120. Fundjubiläum schaffte es die Dama de Elche nicht in ihre Heimatstadt. Die gibt sich trotzig – und kündigte einen erneuten Anlauf der Rückholaktion an. Wie verwurzelt die Dame mit Elche ist, zeigen indes aktuelle Studien.
Seit 1897 kehrte die Dame nur zweimal nach Elche zurück
Denen, die von der Costa Blanca heimfliegen, teilt eine Einheimische mit, wo sie zuletzt den Boden berühren: in Elche. Denn die Frau, die an der Einfahrt zum Flughafen Alicante etwas Science-Fictionmäßig daherkommt, markiert das Terrain ihrer Stadt. In jedem Vorort findet sich eine Ausgabe der Figur, die man vor 120 Jahren fand, die „Dama de Elche“. Nur das Original, das findet man hier nicht. Auch zum Fundjubiläum am 4. August schaffte es die echte Dame nicht von Madrid nach Elche.
Deshalb fiel die Feier in der so fröhlichen Stadt eher still aus. Stadtvertreter und Kulturverein „Real Orden de la Dama de Elche“würdigten die Büste am Fundort, dem Archäologiepark La Alcudia. Die iberische Dame hingegen beging den Tag mit Hauptstadt-Publikum an ihrem edlen Platz im Museo Arqueológico Nacional.
Nicht, weil sie dort lieber wäre. Überhaupt ist nicht verbürgt, ob sie, wie die meisten Elcher – egal welcher Partei – die Palmenstadt für ihren rechtmäßigen Platz hält. Ihr Blick, zwischen melancholisch und herrschaftlich verortet, lässt sich vielfältig deuten.
In dieses Gesicht sah am 4. August 1897 nach Ewigkeiten wieder ein Augenpaar. Es waren die leuchtenden Augen eines 14-Jährigen, Manuel Campello, den die Ilicitanos Manolico nennen. Den Traum aller Kinder, einen Schatz zu finden, erfüllte er sich, wohl ohne darauf aus zu sein. Der Bauernjunge half auf dem Acker, spielte offenbar gerade einfach mit Erde.
Vielleicht ahnte er aber schon, dass diese etwas Besonderes barg. Ein Gelehrter hatte in der Umge- bung iberische Stücke ausgegraben. Allerdings keines wie dieses: Ein reich geschmückter Frauenkopf aus Kalkstein, das Haar seitlich mit großen Kämmen eingefasst. 56 Zentimeter hoch, 45 Zentimeter breit und 37 Zentimeter tief. Und vor allem: vollständig.
Die Mischung macht‘s
Wer die Frau sei? Sicher eine „Reina Mora“, Maurische Königin, dachte Elche 26 Tage lang – wonach das Louvre sie für 4.000 Franc kaufte. Stadt und Land waren entsetzt. Paris reagierte: Da auch dort niemand wusste, wen die Büste darstellt, benannte man sie nach der Heimat: Dame aus Elche.
Wie richtig die Franzosen lagen, zeigte sich später. Studien des Gesteins aus dem Steinbruch Ferriol, am Stausee Pantano, ergaben, dass es dieselbe Kalk- und Sandsteinmischung aufwies wie die Dame. Sie war also wirklich aus Elche: aus Elcher Erde geformt.
Aus Steinen vom Ferriol baute
Elche übrigens ein weiteres Wahrzeichen: die Basilika Santa María, Bühne des Weltkulturerbes Misteri. Auch stammt sämtliche in La Alcudia geborgene Keramik, vom fünften Jahrhundert vor Christus bis zum dritten nach, aus dem Gebiet, bestätigte im August 2017 ein interdisziplinäres Forscherteam.
Die Mischung in der Erde erlaubte es offenbar besonders gut, artistische, detailreiche Stücke zu formen. Was sich der Schaffer der Dame vor rund 2.500 Jahren beeindruckend zu Nutzen machte. Sein geistiges Material bezog der Künstler hingegen aus einer kulturellen Mischung. Denn die IbererKultur blühte gerade durch den mediterranen Austausch. Aus Ägäis und Orient kamen nicht nur Waren und Pflanzen, sondern auch Künste und Vorstellungswelten.
Ob der Künstler griechisch inspirierter Iberer war, oder andersherum. Sicher ist: Er wollte jemanden Wichtiges darstellen, aus welchem mediterranen Zusammenhang auch immer. Wahrscheinlich zierte die Dame eine Grabstätte. Ein Hohlraum in ihrem Rücken gibt weitere Rätsel auf. War in ihr eine Urne untergebracht – oder eine edle Grabbeilage?
„Eine Tür hat sich aufgetan“
Zu gern würde Elche die Fragen selbst beantworten. Dafür müsste die Original-Dame jedoch dauerhaft zurückkehren. Das tat sie in 120 Jahren, für begrenzte Zeit, nur zweimal: 1965 beehrte sie das 700. Jubiläum des Misteri für zwei Wochen, 2006 lockte sie zur Wiedereröffnung des Museums Mahe in sechs Monaten 380.000 Besucher in die 230.000-Einwohner-Stadt.
Worauf auch Bürgermeister Carlos González (PSOE) in La Alcudia verwies: „Die Rückkehr der Dame ist wichtig aus sentimentaler und kultureller, aber vor allem tou- ristischer Sicht.“Bald werde die Stadt mit dem spanischen Kulturministerium wieder verhandeln, das sich bisher stur stellte.
Immerhin hat der Stadtchef seine Forderung nach einem permanenten Umzug der Dame relativiert. Im Gespräch sei nun ein temporärer Besuch in der zweiten Hälfte 2018. „Es hat sich eine Tür aufgetan“, verriet der Stadtchef.
Was rechtzeitig für ein kleines Jubiläum wäre. Vor 50 Jahren entstand der Kulturverein zur Förderung der Dama. Kein Vergleich zur Zeit seit ihrem Fund, oder ihrem Alter. Doch genug für die weniger pragmatische Begründung für die große Rückholaktion: „Die Ilicitanos lieben ihre Elcher Erde wie die Kinder eine Mutter – und in der Dame sehen sie das Bild dieser Mutter, die mit Zärtlichkeit ihre Kinder anschaut.“