Extremes Wetter
Beständigkeit an der Costa Blanca war einmal – Was der Klimawandel bringt
Weggespülte Strände, Sturm und Niederschläge von 50 Litern pro Quadratmeter binnen einer Stunde, Temperatureinbrüche von zehn Grad von einem Tag auf den anderen – was ist bloß mit dem Sommer los? In den Wetterkapriolen erkennen Klimaforscher die ersten Anzeichen des beschleunigten Klimawandels, der unbeständigeres Wetter mit sich bringt, mit tropischen Nächten und heftigen Gewittern auch in der Hochsaison. Genauso wie Urlauber auf Strand und Sonne gepolt sind, hat auch die Costa Blanca den Klimawandel ausgeblendet. Dabei könnten die Folgen für Tourismus und Landwirtschaft verheerend sein, falls die richtigen Maßnahmen nicht ergriffen werden.
Alicante – sk. Auf Prospekten glänzen azurblaue Horizonte, traumhafte Strände und Meer. Wer im Juli und August die Costa Blanca bucht, bekommt Sonne und Strand. Sicher – oder „fijo“wie die Spanier sagen. Dieses Tourismusmodell ist ein Selbstläufer. Sol y Playa kommen von allein, man muss nichts für sie tun. Bisher jedenfalls. Denn spielt das Wetter nicht mehr mit, ist es vorbei mit der Sonne und – wie man vergangene Woche sah – auch mit Stränden. Der Klimawandel könnte die Costa Blanca umkrempeln.
Natürlich regnet es auch an der Costa Blanca mal. Normalerweise spült aber im August kein derartiges Unwetter ganze Strände davon. Beim Anblick so beliebter Playas wie El Portet in Moraira, die Granadella in Jávea oder Les Deveses in Dénia dürfte sich so mancher Valencianer ähnlich gefühlt haben wie die Berliner Ende Juni, als die Hauptstadt absoff.
„An der Mittelmeerküste kommen in den letzten Jahren gehäuft kurze, aber sehr intensive Regenfälle vor. Das ist eines der Indizien des Klimawandels“, sagte Jorge Olcina, Klimatologe und Direktor des meteorologischen Instituts der Universität Alicante (siehe Interview).
Was außergewöhnlich scheint, prognostiziert die Wissenschaft schon seit Jahren. Nur will vom Klimawandel niemand etwas wissen, bevor er da ist. Nun hat die Küste erstmals zu spüren bekommen, dass etwas mit dem Wetter nicht in Ordnung ist.
Die Sommer zeichneten sich bisher mit Beständigkeit aus. Nun aber gesellen sich zu den trockenen Sommertagen mit ihren lauen Nächten verstärkt schwüle Tage und tropische Nächte mit über 25 Grad. Die wärmere Atmosphäre wird häufiger Unwetter mit sich bringen, mit Starkregen, kleinen Tornados wie in der Sahara, heftigen Gewittern wie vergangene Woche und Temperaturstürzen von zehn Grad von einem Tag auf den nächsten.
Und das vorwiegend in der Marina Alta: Die Wolken kleben dort an den Bergen wie dem Montgó in Dénia, die hohe Meerestemperatur und die kühlere Luft in den höheren Schichten der Atmosphäre können leicht in Unwetter münden. Vergangene Woche fielen im Vall de Laguar binnen 50 Minuten 70 Liter auf den Quadratmeter. Dénia und Jávea zeichneten Spitzenwerte von über 100 Liter pro Quadratmeter auf. Das Klima wird unangenehmer, extremer, launischer.
Die Wetterkapriolen setzen vor allem den Stränden stark zu. Nach der Sonne, dem zweiten Standbein des Tourismusmodells. Die Strandreinigungsfahrzeuge der Stadt Dénia fahren Nacht für Nacht die 20 Kilometer lange Küste ab und transportierten über 1.750 Tonnen Algen ab. Trotzdem machen Urlauber in den sozialen Netzwerken ihrem Ärger Luft. „Alles ist total dreckig. Die Algen verrotten. Was für ein Gestank!“, hinterlässt ein Urlauber auf der Facebookseite des Rathauses.
Jáveas Granadella-Bucht entging erst vergangenes Jahr beim Waldbrand knapp der Zerstörung. Jetzt haben die Regenwassermassen aus dem Trockenfluss eine der angeblich schönsten Buchten der Mittelmeerküste praktisch in zwei Teile gerissen. In der Albufereta in Alicante und am Strand von El Campello sah es wüst aus. Das Meer nahm den Sand mit und spuckte an anderen Stellen Schutt, Müll, Schilf, Algen und Unrat aus.
Keineswegs überall ist es mit Aufräumaktionen getan. Der El- Portet-Strand in Moraira hat wieder seinen Sand verloren. 8.000 Tonnen schüttete das Umweltministerium erst im März auf, um Unwetterschäden zu beheben.
Auch an Dénias Deveses-Strand hatten Sturm und Regen am 21. und 22. Januar ein eindrucksvolles Bild der Zerstörung hinterlassen. Wie oft müssen die Tieflader dort noch mit neuem Sediment anrücken?
Die maritime Dynamik
„Mit Schnellschüssen verschärft man das Problem nur“, meint José María Cortés, Generaldirektor des ozeanographischen Instituts Sidmar in Benissa. Studien belegen, den Staat kostet es mittelfristig weniger, Deveses-Anwohner zu entschädigen, als Versuche, den Strand zu retten. „Dieses Gebiet sollte man dem Meer überlassen. Das Meer schafft seine Strände, nur vielleicht nicht mehr dort, sondern an einer anderen Stelle“, sagt Cortés. Der Strandschwund hänge mit der Umwandlung der maritimen Dynamik zusammen, die für den Anstieg des Meeresspiegels, den Rückgang von Sedimenten aus den Flüssen und Bauten wie Hafenmolen verantwortlich seien. „Da spielen viele Faktoren zusammen“, sagt er.
Das Wetter in der Provinz wird unangenehmer, extremer, launischer
Nicht nur was Erosion, auch was Hochwasserschutz und Infrastruktur betrifft, wird sich die Costa Blanca auf den Klimawandel einstellen müssen. „Die wirtschaftlichen Schäden sind deshalb so hoch, weil die Regenabflüsse, sowohl die Kanalisation als auch die Trockenflüsse, nicht für diese neue Art von Regenfällen ausgelegt sind. Die Kanalisation muss Starkregen fassen können mit Niederschlägen von 50 bis 100 Litern pro Quadratmeter binnen ein oder zwei Stunden“, sagt Olcina. Der Klimaforscher hält es für unerlässlich, die bauliche Erschließung der Küste zu bremsen.
Globales Problem
Wie anderswo auch muss die Costa Blanca den CO2-Ausstoß senken, versuchen, mit Grünzonen die Hitze von Asphalt und Beton in den Städten zu absorbieren und auf Erneuerbare Energien setzen. Nicht zuletzt erlebt die Küste, wie sich ein globales Problem lokal auswirkt.
Vor dem Pariser Klimaabkommen im Dezember 2015 zeichneten Wissenschaftler für den Mittelmeerraum ein Horrorszenario im Falle einer Erderwärmung von 1,5 Grad. Die Natur werde sich binnen 100 Jahren so sehr verändern wie in den vergangenen 10.000 Jahren nicht, hieß es in einem Artikel der Fachzeitschrift „Science“. Wasserknappheit und Verwüstung kämen auf die für den Klimawandel sensible Region zu, die Ökosysteme würden ihre Artenvielfalt einbüßen.
Ohne ambitionierten Klimaschutz könnte der Mittelmeerraum viele der Faktoren verlieren, die ihn heute auszeichnen – vorneweg den eines Erholungsgebiets, aber auch sauberes Wasser könnte knapp und der Hochwasserschutz ein Problem werden, so der Tenor der Studie. Die Folgen für Tourismus und Landwirtschaft wären katastrophal.